Flaschenpost: Im Alter feiner
Was Alte Reben an Ertrag einbüßen, machen sie mit intensiven, vielschichtigen Aromen und Struktur wett.
Während sich Menschen mehr oder weniger freiwillig dem Jugendwahn unterwerfen – da wird geschmiert und geschnipselt, was das Zeug hält – leben Rebstöcke wesentlich entspannter. Alte Reben sind unter Kennern geschätzt – die Bezeichnung steht gemeinhin für Qualität. Rangierte man früher auch im Weinbau gerne ältere Semester aufgrund mangelnder Produktivität aus, wird das heute meist lediglich bei Arbeitskräften und Maschinen praktiziert. Was Alte Reben an Ertrag einbüßen, machen sie nämlich mit intensiven, vielschichtigen Aromen und Struktur wett: Ab 20 Plus liefern sie zwar weniger Quantität, legen aber an Qualität zu.
Das Wurzelsystem ist verzweigter und dringt tiefer: Neben Nähr- und Mineralstoffen kommt es so auch an verborgene Wasserquellen – in Zeiten zunehmender Trockenheit nicht dumm. Die Beeren geraten kleiner, was im Verhältnis weniger Fruchtfleisch zu mehr Schale bedeutet. Die Geschmacks- und Gerbstoffe liegen in der Haut. Das Ergebnis: weniger brachiale Frucht, dafür feiner Geschmack und Struktur. Zu guter Letzt bedeutet geringer Ertrag auch ganz natürliche Konzentration. Freilich ist es billiger, mit Mineraldünger Turbowachstum zu fördern und die dünnen Suppen dann im Keller zu konzentrieren – besser ist es keineswegs. Die Sache mit den Alten Reben hat nur einen Haken: Die Bezeichnung ist aus schleierhaften Gründen nicht geregelt – dahinter könnten sich auch blutjunge Pflänzchen verbergen. Wir Menschen tricksen halt gerne mit dem Alter.
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