Chaos Cooking: Was hinter dem Kulinarik-Trend steckt
Die einen kombinieren Zutaten, die nicht zusammenpassen, die anderen sogar Kochstile - Social Media befeuert den Ideen-Austausch.
Limette und Butter zum Beispiel. Bei manchen Kombinationen ziehen sich bereits beim bloßen Gedanken die Geschmacksnerven unangenehm zusammen. Anders gesagt: Auf der Zunge herrscht da ein wenig Chaos, wenn etwas kombiniert wird, das traditionell gar nicht zusammenpasst. Im noch jungen Jahr 2023 ist scheinbar genau dieser Zustand gefragt: Der Kulinarik-Trend aus den USA nennt sich „Chaos Cooking“.
Von Plattformen wie TikTok oder Instagram verbreiten sich ungewöhnliche Geschmackskombinationen besonders schnell und landen dann sogar auf Restaurant-Speisekarten. Limette und Butter sind etwa im „Lil’ Deb’s Oasis“ in Hudson im US-Bundesstaat New York in Gerichten vereint. Die Betreiber mit ecuadorianischen und südamerikanischen Wurzeln wollten aber partout die unharmonischen Zutaten kombinieren. Was ihnen sogar erfolgreich gelang.
Vermischung
Der Mix aus internationalen Geschmäckern ist überhaupt gefragt. Mancherorts stehen Sashimi-Tostadas auf der Karte, für die mexikanische Teigfladen mit japanischen rohen Fischstücken gepaart werden. Oder die in Städten mit jüdischer Tradition beliebte, würzige Pastrami wird in Tacos gefüllt.
Im „Boogy and Peel“, einem Restaurant in Washington DC, serviert man um 22 Dollar den „Harambe Loved Big Mac“. Rindsfaschiertes landet da unter anderem mit Käse und Spezialsauce – auf einer Pizza. Geschmackstourismus ist das für die „National Restaurant Association“. Die Verbraucher würden ihren Gaumen mit neuen Eindrücken erweitern wollen.
Chaotisch kochen
Wer sich selbst chaotisch ausleben will, findet zahlreiche Rezepte: Tandoori-Spaghetti vereinen italienische Teigwaren mit indischen Gewürzen, eine Pizza wird mit Bohnen belegt oder der Toast wird mit Brie und Nutella gefüllt, bevor er im Toaster landet. Fast schon ein TikTok-Klassiker: Püree aus gepressten Erdäpfelchips und heißem Wasser.
Schräge Kreationen erhöhen in der Kulinarik-Welt die Aufmerksamkeit. Manche sprechen von einem Wettlauf in der Entwicklung videofähiger Gerichte auf Social Media-Plattformen. Die dann wiederum eine Inspirationsquelle für Restaurants sein können. Sofern sie die TikTok-Nutzer zuvor annehmen. So erklären Experten in kulinarischen Trendprognosen diese Entwicklung. Für die es, Sie ahnen es, auch schon einen eigenen Namen gibt: „Eatertainment“, also Essen, das unterhält. Die Fastfood-Kette TGI Fridays war mit seinem Testlauf im Sommer 2022 nach eigener Aussage erfolgreich. Man bot mexikanische Fajitas mit Tandoori-Spießen oder Whiskey-Glasur an.
Spielerisch
Falls Ihnen nun schon der Kopf schwirrt vor so viel geschmacklichem Chaos: Ein bisschen was geht noch. Der neue Begriff „Chaos Cooking“ steht nämlich gleichzeitig für Chaos in der Küche, einen chaotischen Kochstil sozusagen. Die Washington Post definierte Chaos Cooking als etwas, das „die gängigen Regeln, wie man kocht und was gut schmeckt oder aussieht, auf spielerische und intelligente Weise unterläuft“.
War alles schon mal da
Darüber, ob eine Kombi aus Brie und Nutella intelligent ist, lässt sich natürlich streiten. Anpassungen und Integration von neuen Geschmäckern, Zutaten und Kochstilen sind allerdings nicht neu. Der vermeintlich typisch japanische Teppanyaki-Grill entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Anpassung an die US-Besatzer. Und was heute Chaos Cooking genannt wird, war in den 1980er-Jahren schon einmal im Trend – man nannte sie „Fusionsküche“. Lokale und nationale Küchen sollten verbunden werden; so kamen etwa asiatische Einflüsse in die Gerichte.
Nur die Ananas hat ihren Exoten-Status der Nachkriegsjahre längst hinter sich. Weshalb die Angebote für süß-saure Hühnerpfanne, Ananas-Pizza oder Toast Hawaii drastisch zurückgingen. Zum Glück, wie manche finden.
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