Zur Schau gestellt: Wie Schaufenster-Psychologie funktioniert

Opulente Inszenierungen sollen besonders in der Vorweihnachtszeit anregen. Eine Expertin erklärt, worauf es ankommt.

Licht, Spiegel und Chrom im New Yorker Luxus-Kaufhaus "Bergdorf Goodman“, dynamisch angeordnete und leuchtend animierte Würfel bei "Harrod’s“ in London oder filigrane Papiervögel, die geschriebene Wünsche transportieren bei "Printemps Haussmann“ in Paris: Die weihnachtlichen Schaufenster der berühmten Kaufhäuser werden mit Spannung erwartet und  wurden kürzlich als Höhepunkt des Jahres präsentiert. 
 

Chef-Dekorateur Alexander Wells-Greco von Harrod’s erklärte sein Ansinnen heuer im Journal Drapers so: "Wir haben eine Schaufensterkampagne inszeniert, die der Kunst des festlichen Schenkens huldigt und die Kunden einlädt, ins Geschäft zu kommen, um das perfekte Geschenk für ihre Lieben, Familien und Freunde zu finden.“

Psychologische Studien zeigen, dass durchdachte und ansprechend inszenierte Bilder das  Kaufverhalten anregen. Kunden, die sich wohlfühlen und durch Schaufenster inspiriert werden, geben rund zehn Prozent mehr Geld aus, als jene, die nicht schon zu Beginn in die ideale Kaufstimmung gebracht werden. 

Faktoren für Kaufanreiz

Die Gestaltung der Schaufenster ist  nicht nur für  Luxustempel wichtig.  70 Prozent aller Kunden treffen ihre Kaufentscheidungen über die visuellen Eindrücke des Schaufensters, zeigen Untersuchungen. Sie sind die Visitenkarten der Geschäfte, betont Dekorationsexpertin Bettina Fibich. "Schaufenster erzählen Geschichten über verschiedene Themen.“ 

Der fast unersetzliche Faktor für das Kaufverhalten liege auf der Hand. "Die Warenpräsentation im Schaufenster inspiriert uns einzutreten.“ Im Grunde werde im Schaufenster ein Bühnenbild inszeniert. Das Kaufverhalten wird aber noch von anderen Faktoren beeinflusst: Bedarf, Stimmung, Zeitvertreib, Belohnung oder einfach, weil sich die Gelegenheit gerade bietet. Psychologisch betrachtet müssen also Schaufensterdekorateure diese Bedürfnisse unter einen Hut bringen.

Wie das gelingt, setzt  Fibich nicht nur selbst für ihre Kunden aus der Pharma- und Gesundheitsbranche um. Am Wiener WIFI leitet sie auch den Lehrgang für Schaufenstergestaltung und Dekoration. 13 Schülerinnen bildet sie derzeit aus.  

Zur Ausbildung gehören logischerweise die Basics des Berufs. Die da wären: "Am Anfang steht immer das Produkt, und für dieses wird ein Konzept entwickelt, in einem Modell umgesetzt und dem Kunden vorgestellt“, erläutert Fibich den Prozess. Im Idealfall folgt die Umsetzung, inklusive benötigter Materialien. 

 

Bettina Fibich, Dekorateurin: "Schaufenster erzählen Geschichten“ 
 

©KURIER/Jeff Mangione

Um nachhaltige Effekte bei den Betrachtern auszulösen, setzen Schaufensterdekorateure auf eine Vielfalt von Materialien. Das können hunderte Meter exklusiver Stoffe sein, mit denen etwa Luxus-Kaufhäuser das gesamte Schaufenster auskleiden. Ein Trick, den Fibich nutzt: "Die jeweilige Komplementärfarbe des inszenierten Produkts zieht den Blick direkt darauf.“  Ein sattes weihnachtliches Rot zum Beispiel dominiert das Schaufenster, wenn das beworbene Stück tannengrün ist.   Und  Gelb  hebt sich bestens von tiefem Violett  ab. 

Von Luxus bis Wellness: In der Deko-Schauwerkstatt am wko campus wien gestalten die Schülerinnen Schaufensterboxen zu verschiedenen Themen

©KURIER/Jeff Mangione

Die Farbe folgt dem Produkt

Die richtigen Farben machen auch in der Psychologie des Kaufverhaltens viel aus. Keine Überraschung, dass in der vorweihnachtlichen Dekoration alljährlich Rot und Gold eine gewichtige Rolle spielen – egal ob im Luxus-Tempel in New York oder auf der Wiener Mariahilfer Straße.  Die beiden Farben stehen für Tradition, während die ebenfalls oft für die Weihnachtsdekorationen eingesetzten Farben Blau, Weiß  und Silber modern wirken. Generell gibt jedoch bereits das jeweilige Produkt die (Farb-)Richtung vor, erklärt Expertin Fibich.

Printemps Haussmann in Paris setzt heuer auf zarte Inszenierungen

©REUTERS/GONZALO FUENTES

Dunkle Farben verkleinern Räume und damit Schaufenster, helle vergrößern sie. Und wenn Harrod’s in London mit der Luxusmarke "Valentino“ heuer gemeinsame Weihnachtsdeko-Sache macht, zieht sich die Farbe Pink nicht nur durchs Schaufenster,  sondern durchs ganze Gebäude.

Trends und Zeitgeist spielen auch in der Schaufenstergestaltung eine Rolle. Vor einigen Jahren waren Videoinstallationen angesagt, auch virtuelle Realitäten kamen schon vor.

Geschichte

Vorläufer 

Im Mittelalter klappten Händler die hölzernen Fensterläden ihrer Geschäfte nach außen, um Waren zu zeigen. Große Schaufenster aus Glas kamen erst im 19. Jahrhundert auf, als neue Bauweisen mit Stahlträgern große Flächen erlaubten

Gegenwart

Ein wichtiges Element ist die möglichst realistische Präsentation. Heute spricht man von "Sisal Merchandising“,  in etwa "optische Verkaufsförderung“ 

Spektakuläre Inszenierungen kosten aber Zeit – und Geld. Dabei müssen Dekorationen, die alle Sinne ansprechen, gar nicht teuer sein. Ein verspielter Zugang etwa, mit Augenzwinkern, der den Betrachtern ein Lächeln ins Gesicht bringt, zeigt aus der Erfahrung von Dekorationsexpertin Fibich am meisten Resonanz. "Wir haben schließlich alle ein Kind in uns.“

Ingrid Teufl

Über Ingrid Teufl

Redakteurin im Ressort Lebensart. Gesundheit, Wellness, Lifestyle, Genuss. Seit 1997 beim KURIER, Studium Geschichte/Publizistik, Germanistik, Politikwissenschaften [Mag.phil.] Mag Menschen, Landschaften und Dinge, die gut tun, gut schmecken, gut riechen, neu sind.....und darüber schreiben.

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