Oxford University

Alte Universitäten: Magische Labyrinthe des Wissens

Sie sind Städte in der Stadt, seit Jahrhunderten liegt hinter ihren Mauern die Magie der menschlichen Vorstellungskraft verborgen. Ein Rundgang durch einige der schönsten Universitäten der Welt.

Es sind Orte, an denen die Zeiten zu verschmelzen scheinen, Zukunft und Vergangenheit, uralte Mauern und Traditionen treffen auf das Versprechen der Zukunft, den immer neuen Drang nach Wissen. Und jetzt, wenn die Tage kürzer werden und die Blätter sich verfärben, wenn die trägen Stunden am See oder am Meer nur noch Erinnerung sind, dann füllen sich die ehrwürdigen alten Mauern der Universitäten mit jungem, brodelndem Leben.

Eine eigene Welt, manche von ihnen sind beinahe wie eine Stadt in der Stadt, mit idyllischen Rasenplätzen zwischen mächtigen Türmen, Kuppeln, prunkvollen Sälen und labyrinthischen Gängen, die jedem Fantasy-Film Ehre machen würden.

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch

  • Oxford und Harry Potter
  • Percey Bysshe Shelleys Gitarre
  • Nachts kommen die Geister? Auf jeden Fall die Fledermäuse

Apropos Fantasy: Eine der ältesten Universitäten der Welt hat das tatsächlich getan, also sogar einige Ausflüge ins Reich der Fantasy gemacht: Oxford spielte in den Harry-Potter-Verfilmungen eine nicht unwesentliche Rolle. Denn bei all der ihnen so gern unterstellten Steifheit haben Engländer doch immer etwas für einen gelungenen Spaß übrig, man denke nur an Mister John Cleese, der in seiner langen Karriere auch immer wieder Uni-Professoren porträtierte.

Schätze in der Bibliothek

Aber zurück nach Oxford, wo  im Jahr 1096 der Schulbetrieb aufgenommen wurde. Damit ist der britische Tempel der Bildung nur um acht Jahre jünger als die Universität von Bologna, die heuer ihr 935-jähriges Jubiläum begeht. Entsprechend gleicht das überwältigende Konglomerat an Gebäuden von gotisch bis barock den Kapiteln eines Buches, das noch immer weitergeschrieben wird.

Was auf die Bücher in der berühmten Universitätsbibliothek, der Bodleian Library, natürlich nicht zutrifft.

Bodleian Library

Einer der vielen Räume der Bodleian Library in Oxford

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Ruth Kamen/Alamy Stock Photos/Ruth Kamen/mauritius images

Die sind zu Ende geschrieben, die Tinte ist trocken, um „Game of Thrones“ zu zitieren, die Druckerschwärze natürlich auch.

Geheimgänge & Geister

13 Millionen gedruckte oder beschriebene Bücher und andere Artefakte sind hier gesammelt, darunter die erste Gesamtausgabe der Werke Shakespeares aus dem Jahr 1623, wunderbar betitelt als „Mr. William Shakespeare’s Comedies, Histories, & Tragedies“. In einem anderen Raum: Percey Bysshe Shelleys Gitarre, die er seiner angebeteten Sängerin Jane Williams geschenkt hat, gemeinsam mit einem Gedicht. „To a Lady, With a Guitar“ heißt es, was sich durchaus auch gut als Titel für einen Leonard Cohen-Song machen würde.
Eine Gutenberg-Bibel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts nimmt uns ebenso mit auf eine Zeitreise wie ein Bucheinband, den Prinzessin Elisabeth, die spätere Königin Elisabeth I., 1544 für ihre Stiefmutter Katherine Parr handbestickt hat. Wir erinnern uns, Elisabeths Mutter Anne Boleyn wurde auf letale Weise von König Heinrich VIII. geschieden, als Elisabeth knapp drei Jahre alt war. Katherine Parr war bereits die vierte Nachfolgerin von Anne Boleyn. Und die glücklichste, sie überlebte ihren brachialen Gatten ...

Geschichte und Geschichten sind auf wunderbare Art miteinander verwoben an diesen so außergewöhnlichen wie geheimnisvollen Stätten. Die oft tatsächlich mit Geheimtüren und versteckten Gängen versehen sind.  In der Biblioteca Joanina im portugiesischen Coimbra etwa gibt es nicht nur die „unsichtbare“ Porta da Livraria, nein, der ganze Bau steht in seiner atemberaubenden barocken Pracht direkt auf einem mittelalterlichen Kerker.

Wer hier in den getäfelten und mit Fresken versehenen Leseräumen schmökert, ist also nicht nur umgeben vom sanften Knarzen des alten Holzes, das seit Jahrhunderten die Geräusche im Saal dämpft, dem Flüstern der Geister von Gelehrten und Studierenden, die hier gesessen sind, studiert und diskutiert haben – sondern von noch viel älteren, dunkleren Schicksalen, die man längst in den Tiefen der Geschichte verschwunden glaubte ... Oder auch nicht, das hängt natürlich von der jeweiligen Prädisposition des Besuchers ab.

Nachts kommen die Fledermäuse

Gar kein subjektives Empfinden, sondern erstaunlicher Fakt in der Universitätsbibliothek von Coimbra ist jedenfalls, dass hier, mitten in den heiligen Hallen, die vom genussverliebten König Johann V. persönlich mitgestaltet wurden, eine Kolonie von Fledermäusen lebt.

Universitätsbibliothek Coimbra, Portuga,

In der prachtvollen Joaninische Bibliothek leben tatsächlich Fledermäuse

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Jacek Sopotnicki/Alamy Stock Photos/Jacek Sopotnicki/mauritius images

Echt jetzt. Die sind aber in gewisser Weise beamtet oder gar pragmatisiert, denn sie sind offiziell für die allnächtliche Vernichtung von Insekten, die den wertvollen alten Büchern zu Leibe rücken könnten, zuständig. Dafür decken eigene Bedienstete abends sämtliche Tische und Pulte mit Lederdecken ab und beseitigen am nächsten Morgen das Fledermaus-Guano.

Entdeckungen und Erfindungen

Aber egal, in welchen Städten man sich umsieht, seien es alte europäische Bildungszentren wie das bereits erwähnte Bologna, Oxford und Cambridge, Padua, die fantastische Jagiellonen-Universität in Krakau oder die ehrwürdigen Einrichtungen auf anderen Kontinenten –  Asien, Afrika, Südamerika – und natürlich die famosen Universitäten der USA, etwa das neogotische Meisterwerk Yale mit der Sterling Memorial Library, die roten Backsteinmauern und neogotischen Türme Harvards, es sind Schatztruhen voll mit Geschichten von Entdeckungen, Erfindungen und Debatten, die die Welt verändert haben.

Yale University

Der berühmte Harkness Tower der Universität von Yale

©EPA/PETER FOLEY

Es sind Städte in der Stadt, manche schon allein wegen ihrer Ausmaße, alle durch die intellektuelle Kraft, die ihnen innewohnt. Symbole der unermüdlichen Suche nach Wissen, in denen sich Geschichte und Geschichten, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereinen. Labyrinthe, in denen man sich verlieren, aber auch sich selbst finden kann. Und man kann sie besuchen, wahrnehmen – der Herbst ist eine gute Zeit dafür. Auch hier in Wien.

Oxford University

Christ Church's Tom Tower and College, Oxford University

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Universität Oxford, England

90 Kilometer nordwestlich von London begann hier im Jahr 1096 der erste Unterricht, was die University of Oxford nach Bologna zur zweitältesten Universität Europas macht. Knapp 30.000 Studenten treffen hier auf 7.000 wissenschaftliche Mitarbeiter, zu den „Ehemaligen“ zählen/zählten neben dem legendären Physiker Stephen Hawking auch Richard von Weizsäcker, Bill Clinton und der spanische Schriftsteller Javier Marias, der dieser Universität einige literarische Denkmäler setzte.

Trinity College Dublin

"Long Room" heißt die Bibliothek im Trinity College ganz einfach

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Trinity College in Dublin, Irland

Coláiste na Tríonóide beziehungsweise Baile Átha Cliath heißt die ehrwürdige Universität auf Irisch-Gälisch. Als Vorbilder für den Bau dienten im 16. Jh. die Universitäten von Oxford und Cambridge, was auch heute noch spürbar ist. Erwin Schrödinger unterrichtete hier Physik, Terry Pratchett ein paar Jahrzehnte später Englisch. Der Campus gilt laut Forbes als einer der schönsten der Welt, die berühmte Bibliothek (Long Room) beinhaltet u. a. das „Book of Kells“ aus dem 8. Jahrhundert.

Jagiellonen-Universität Krakau

Die sogenannte Universität Krakau-Universität Krakau ist eine der ältesten Mitteleuropas

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Jagiellonen-Universität in Krakau, Polen

Mitte des 14. Jahrhunderts wurde vom polnischen König Kasimir dem Großen in der Residenzstadt Krakau die erste slawische Universität gegründet – nach Prag die zweitälteste Mitteleuropas. Das älteste heute noch bestehende Gebäude ist das Collegium Maius aus dem 15. Jahrhundert. Die prachtvolle historische Architektur wurde im 21. Jahrhundert durch ein inzwischen preisgekröntes modernes Auditorium maximum erweitert, Die Bibliothek befand sich ursprünglich komplett im Collegium Maius, wo auch heute noch ein Teil der historischen Sammlung bewahrt ist. Im frühen 20. Jahrhundert übersiedelte ein Großteil der Sammlung in einen auch auf der Pariser Weltausstellung von 1937 gefeierten Neubau.

Universität Coimbra, Portugal

Eine der am schönsten gestalteten Universitäten der Welt liegt in Coimbra, Portugal

©Getty Images/iStockphoto/RossHelen/iStockphoto

Universität Coimbra, Portugal

1290 wurde diese portugiesische Universität gegründet, sie ist damit die älteste das Landes und eine der ältesten Europas. Im Lauf der Jahrhunderte ist sie um einiges gewachsen und hat mit 360.000 Quadratmetern mittlerweile die Größe eines eigenen Stadtviertels. Die Joaninische Bibliothek wurde im frühen 18. Jh. anstelle der alten Universitätsbibliothek errichtet und gilt mit ihren bemalten Decken, den mit Blattgold überzogenen Balustraden und Tropenholz-Vertäfelungen als einer der beeindruckendsten Barockbauten der Welt. Sie umfasst mehr als 200.000 historische Bücher.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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