Blaue Begierde: legendäre Swimmingpools in Filmen und Serien

Tage am Pool – Sinnbild für süßes Nichtstun, die sommerliche Leichtigkeit des Seins. Aber immer wieder blicken Filme unter die perfekte blaue Oberfläche.

Vor 20 Jahren drehte Regisseur Francois Ozon vor der hitzeflirrenden Kulisse Südfrankreichs ein Thriller-Meisterwerk, dessen heimlicher Hauptdarsteller der namensgebende „Swimming Pool“ war. Der ist seit damals das Maß aller Dinge, wenn’s um gediegene und vor allem stilvolle „Sommerfrische“ geht.

So blau, so glitzernd, so idyllisch gelegen, die klaren Formen kontrastiert durch ein altes provenzalisches Anwesen mit von der Zeit verwaschenen Fensterläden, schattenspendende Pinien, einen friedlichen Olivenhain – und soundtechnisch perfekt begleitet vom Gezirpe unsichtbarer Zikaden.

Losgelöst von jeder Zweckgebundenheit, müßig, sich selbst genügend, scheint der Pool zu sagen: „Komm rein, genieße das Leben, spiel mit mir.“ Sexy auch, ja, wobei das natürlich hauptsächlich an der großartigen Ludivine Sagnier liegt, die ihre Tage lässig und faul wie eine Katze am Pool verbringt, während sie sich nachts hinter den alten Steinmauern des Anwesens lautstark mit der lokalen Dorfjugend vergnügt ...

Für alle, die die Handlung des Films nicht mehr ganz so genau parat haben: Eine Bestsellerautorin (Charlotte Rampling) mit Schreibblockade zieht sich ins Ferienhaus ihres Verlegers zurück, um endlich ihren neuen Roman fertigzustellen. Nur um dort von der überraschend aufgetauchten Tochter des Verlegers (Sagnier) und ihrem genießerischem Lebensstil genervt zu werden.

Verkrampft sitzt die arme Rampling in ihrem Zimmer, versucht zu arbeiten und schaut doch ständig hinunter auf das Blau des Pools und alles, wofür er steht, was darunter verborgen ist. Erkennt man da Sehnsucht in ihrem Blick?

Am Ende werden die beiden ungleichen Frauen gemeinsam einen Mord begehen, die Schriftstellerin bringt ihren Roman doch noch fertig und die Tochter hat es, zumindest in dieser Form, vielleicht nie gegeben. Ein herrlich vages Spiel mit unserer Wahrnehmung, trügerisch glitzernd wie die vielen kleinen Wellen, die im gleißenden Licht Südfrankreichs die Luftmatratze der geheimnisvollen jungen Frau umspielen.

Der Pool als Hauptdarsteller

Ozons Pool, der 2003 in die Kinos kam, gilt als vielleicht schönster der Filmgeschichte. Der berüchtigtste liegt allerdings noch ein wenig südlicher, gleich bei Saint-Tropez, und sorgte mehr als drei Jahrzehnte früher für Aufsehen: Es ist jener, in dem Alain Delon den Ex-Freund seiner Frau Romy Schneider ertränkt („Swimmingpool“, 1969).

Auch hier ist von Beginn an nicht alles so harmonisch, wie die schicke Kulisse und vor allem das verschwenderische Blau des Pools uns vorgaukeln. Auch hier steht am Ende ein Drama, mit dem Pool als Symbol für unsere dunklen Leidenschaften und Begierden.

Apropos Leidenschaften: Wenn der junge Dustin Hoffman total gechillt auf seiner roten Luftmatratze im blauen Pool vor sich hin döst, brodelt es gehörig unter der glatten Oberfläche. Die „Reifeprüfung“ in Gestalt von Mrs. Robinson (Anne Bancroft) steht ihm (1967).

Gestörtes Glück

Und auch in aktuellen Streaming-Hits spielen Swimmingpools oft eine so zentrale wie mysteriöse Rolle. In „Animal Kingdom“ (seit 2016) ist er für die so charismatische wie verbrecherische Cody-Familie so etwas wie der Lebensmittelpunkt, hier kommen alle zusammen, wird Familie zelebriert und werden brachiale Entscheidungen getroffen. Übrigens im wahrscheinlich lässigsten Haus von L.A.

Und wenn Eliza Scanlen in „Sharp Objects“ (2018) langsam unter die Oberfläche taucht, den Blick herausfordernd auf den Detective gerichtet, ahnt man, dass sie vielleicht doch nicht so unschuldig ist, wie man zuvor glauben wollte.

Erstaunlich eigentlich, dass ausgerechnet am Pool, diesem Sinnbild für entspannte Sommerstunden, zumindest in der Kunst kein ungestörtes Glück möglich ist. So schreibt der große Romancier John Updike im Vorwort seiner Kurzgeschichtensammlung „Der verwaiste Swimmingpool“, seine Storys handeln „vom häuslichen Leben und seinen Störungen: häuslich, weil das die Lebensform ist, von der ich am meisten verstehe, und gestört, weil ungestörtes Glück kein Thema fürs Erzählen, sondern für wortlose Meditation ist.“

Ganz große Lese-Empfehlung zum Abschluss. Vielleicht ja am Pool.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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