Sam Smith: Von Soul-Balladen zu Techno und von der Liebe zum Sex
Der 31-Jährige Brite zeigte in der Wiener Stadthalle seine gegen Ende immer lasziver werdende „Gloria“-Show.
Die riesige Statue eines nackten Menschenkörpers liegt – Kehrseite zum Publikum – auf der Bühne der Wiener Stadthalle. Links die Füße, rechts der Oberkörper und bei den Knien gibt es eine Stiege, über die Sam Smith gerade von dem Podest auf der Hüfte der bühnenbreiten Figur heruntersteigt. Mit „Stay With Me“, seinem Hit von 2014, hat der Brite mit der Powerstimme sein ausverkauftes Konzert vor 13.000 Zuschauern begonnen.
Anfangs dürfen bei Pop-Songs wie „Like I Can“ oder dem nur mit dem dreiköpfigen Backing-Chor und einer akustischen Gitarre vorgetragenen „Too Good At Goodbyes“ Smiths Stimme und die hervorragende Band glänzen. Dazwischen erklärt er, was er mit der Show ausdrücken will: Freiheit zu spüren und Freiheit zu leben. „Zieht eure Tops aus, wenn ihr mögt, lasst uns singen, tanzen und Spaß haben.“
Immer wieder rückt Smith dabei „die großartigen Talente in meiner Band, ohne die ich nicht machen könnte, was ich mache“ in den Vordergrund. Einmal den Sänger Patrick, ein anderes Mal die Sängerin La Donna, mit denen er Duette singt. Es gibt ein Drum-Solo und ein paar Gitarren-Soli, die aber etwas zu hart rockend für Smiths poppigen Soul-Sound ausfallen.
Gegliedert ist die Show in die drei Teile Liebe, Schönheit und Sex, steigert sich damit im Visuellen immer mehr ins Überbordende und gegen Ende ins Erotische. Smith wechselt häufig die Outfits, tritt in einem rosa Federnumhang auf, in einem üppigen lila Abendkleid, dann wieder in schlichtem Schwarz oder in Netzstrümpfen und Lederslip.
Es macht Spaß, zuzusehen. Und das ist in diesem Mittelteil auch wichtig, weil die Musik ein wenig auslässt. Nicht in der perfekten Ausführung zwar, wohl aber in der Substanz. Viele der Songs von Smith sind sich in den Harmonien und den Rhythmen allzu ähnlich.
Musikalisch spannend wird es wieder gegen Ende, etwa bei dem mit Calvin Harris aufgenommen Dance-Track „Gimme“, bei dem die sechs Tänzer twerken und überdeutlich darstellen, was Smith danach singt: „Ich bin nicht hier um Freunde zu gewinnen, ich brauche einen Liebhaber!“ Ein weiterer Höhepunkt ist das Finale mit dem monumentalen Chorstück „Gloria“ und Smiths jüngstem Hit „Unholy“.
Am Ende war vieles an der Show ästhetisch, einiges maximaler Pomp und ein paar Tänze in der Mitte waren nah an der Grenze zur Pornografie. Auf jeden Fall hat sich der Künstler, der sich 2014 als homosexuell geoutet hat, damit vom angepassten, einen Anzug tragenden Soul-Sänger zu einem Menschen gewandelt, der sich traut, mit seinem „schwulen Kabarett“ voll und ganz zu sich selbst zu stehen.
Das ist schön für ihn und schön für das Publikum. Das ist zwar in der Stadthalle auf die Freiheitsbekundung per Ablegen des Tops nicht eingegangen, hatte aber von Anfang bis Ende Spaß an dem immer glitzernden, mit Fortdauer der Show immer lasziver werdenden Treiben.
Schade ist, dass sich diese Show so leicht so viel wichtiger machen kann als die Musik. Sie ist das, was von dem „Konzert“ in Erinnerung bleiben wird, weil Smith eben nicht allzu viele markante Songs mit einzigartigen Melodien hat.
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