Das Team von "Everything Everywhere All at Once“ feiert seinen Sieg mit Michelle Yeoh

Oscar-Gala: Hipster-Hollywood setzt sich gegen Hollywood-Legenden durch

Überraschungsarme Preisverleihung mit "Everything Everywhere All at Once" als klarem Sieger, Spielberg geht leer aus, "Im Westen nichts Neues" bester internationaler Film.

Unliebsame Vorfälle gab es bei der diesjährigen Oscar-Preisverleihung keine, Überraschungen wenige. Eine davon hieß Lady Gaga: Obwohl es im Vorfeld geheißen hatte, sie würde ihren Oscar-nominierten Song "Hold My Hand“ aus dem Film "Top Gun: Maverick" nicht performen, saß sie plötzlich auf der Bühne und sang ihr Lied live. Im ungeschminkten Nude-Look, mit schwarzem T-Shirt und verinnerlichtem Gesichtsausrduck ("Dieser Song ist zutiefst persönlich“) rührte sie ihr Publikum.

Quasi ungeschminkt verlief auch die Preiszeremonie, die zu ihrem Originalformat zurückgekehrt war. Jimmy Kimmel verlegte den Fokus seiner scherzhaften Kommentare weitgehend auf die Mitglieder der Film-Community, politische Anspielungen gab es so gut wie keine. Sieht man davon ab, dass er gleich zu Beginn die großen Abwesenden der Gala beim Namen nannte: Zwei Filme von schwarzen Regisseurinnen – "The Woman King“ von Gina Prince-Bythewood mit Viola Davis und "Till“ von Chinonye Chukwu – hatten es nicht auf die Bestenliste für den Oscar geschafft. "Diversität wird heute groß geschrieben", so Kimmel trocken: "Wir haben Darsteller aus allen Ecken von Dublin hier.“

Aber auch James Cameron, Regisseur von "Avatar: The Way of Water“, und Tom Cruise, Star von "Top Gun: Maverick“, fehlten im Saal: Cameron war nicht in der Kategorie bester Regisseur nominiert worden und deswegen vielleicht beleidigt, mutmaßte der Gastgeber ein wenig boshaft. Von seinen vier Nominierungen konnte "Avatar: The Way of Water“ nur einen Oscar für beste visuelle Effekte gewinnen. "Top Gun: Maverick“, fünf Mal nominiert, erhielt ebenfalls einen Oscar für besten Sound.

Flüchtlingslager

Während in den letzten Jahren die Academy ihre Preise nach dem Gießkannenprinzip über möglichst viele Anwärter verteilt hatte, gab es heuer klare Sieger und klare Verlierer. Wie vorhergesagt, räumte "Everything Everyhwere All at Once“ von Daniel Scheinert und Daniel Kwan die wichtigsten Preise des Abends ab. Von den elf Nominierungen gewann die schräge Sci-Fi-Komödie sieben Oscars, darunter für beste Regie und besten Film. Michelle Yeoh erhielt zudem einen Oscar als beste Hauptdarstellerin – als erste asiatische Frau in der Geschichte. Der Star des Hongkong-Kinos bezeichnete die Goldstatuette als ein "Leuchtfeuer der Hoffnung“ und richtete einen Appell an alle Frauen: "Lass euch niemals sagen, dass ihr eure beste Zeit schon hinter euch habt.“

 Michelle Yeoh

Michelle Yeoh

©EPA/ETIENNE LAURENT

Auch wenn es keine expliziten Anspielungen auf die Tagespolitik seitens des Gastgebers gab, fühlten sich gerade einige der Dankesreden besonders politisch an. Gleich zu Beginn nahm der ehemalige Kinderdarsteller Ke Huy Quan ("Indiana Jones und der Tempel des Todes"), der in "Everything Everywhere All at Once“ sein Comeback feierte, seinen Oscar als bester Nebendarsteller entgegen. Er sei mit dem Schiff nach Amerika geflüchtet und habe ein Jahr in einem Flüchtlingslager zugebracht, sagte er unter Tränen. Der Oscar sei "die Erfüllung des amerikanischen Traums". Und auch Daniel Kwan, Ko-Regisseur von "Everything Everywhere All at Once“ gedachte in einer seiner Dankesreden – er musste mehrfach auf die Bühne, um einen Oscar entgegen zu nehmen – an seine Emigranten-Eltern.

Mit "Everything Everywhere All at Once“ aus dem Hipster-Studio A24 hat sich Hipster-Hollywood gegen die Studioklassiker durchgesetzt. Steven Spielberg und seine hinreißenden Kindheitserinnerungen in "Die Fabelmans“ gingen komplett leer aus. Aber auch Todd Fields #MeToo"-Film "Tár“ mit Cate Blanchett in der Hauptrolle oder Cannes-Gwinner Ruben Östlund und sein "Triangle of Sadness“ bekamen keinen Preis.

Preisregen

Die österreichische Cutterin Mona Willi, die für besten Schnitt von "Tár“ nominiert worden war, konnte sich gegen den Editor Paul Rogers von  "Everything Everywhere All at Once“ nicht durchsetzen. Dafür feierten die Deutschen mit ihrer Netflix-Produktion "Im Westen nichts Neues“ ein wahres Freudenfest: Edward Bergers Kriegsdrama erhielt vier Oscars, darunter einen für den besten internationalen Film. Der anhaltende Preisregen veranlasste den Filmexperten Alexander Horwath im ORF zu der Bemerkung, er habe das Gefühl, er befinde sich beim Bayerischen Filmpreis.

Der österreichische Burgschauspieler Felix Kammerer spielt die Hauptrolle in "Im Westen nichts Neues“ und wurde auf der Bühne vom Regisseur mit besonders lobenden Worten hervorgehoben: "Das war dein erster Film, und du hast uns auf deinen Schultern getragen, als ob es nichts wäre. Ohne dich wäre niemand von uns hier.“

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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