„Nowhere Special“: Ein britischer Pasolini

Das Vater-Sohn-Drama erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der stirbt. Und vorher noch eine Familie für seinen kleinen Sohn sucht.

von Gabriele Flossmann

Der Drehbuchautor und Regisseur Uberto Pasolini ist ein geborener Italiener, der seit Jahrzehnten in Großbritannien lebt. Mit Pier Paolo Pasolini ist er weder verwandt noch verschwägert – dafür ist er ein Neffe des nicht minder legendären Regisseurs Luchino Visconti. Sein Vater-Sohn-Drama „Nowhere Special“ handelt von einem sterbenden Mann, der eine Familie für seinen Sohn sucht.

Was hat Sie am Zeitungsartikel über den Vater, der Adoptiveltern für sein Kind sucht, fasziniert?

Uberto Pasolini: Ich bin selbst Vater von drei Mädchen, die aber erfreulicherweise alle schon erwachsen sind, mich also nun nicht mehr ganz so sehr vermissen würden, wenn ich sterbe. Aber wenn dein Kind erst vier Jahre alt ist – was würde ich tun, um es nach meinem Tod versorgt zu wissen? Der Mann im Artikel hatte keinerlei Familie, auch die eigenen Eltern waren nicht mehr da. Das alles habe ich dann zusammengefügt und noch eine Menge von mir selbst hinzugegeben.

Uberto Pasolini

©EPA/Nacho Gallego
Was kann man über Sie aus dem Film herauslesen?

Ich hatte eine komplizierte Beziehung zu meinem Vater. Ich könnte nicht beschwören, dass mich diese wahre Geschichte so gepackt hätte, wenn es um eine Mutter-Kind-Beziehung gegangen wäre.

Ist es nur ein Zufall, dass nach „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ der Tod wieder eine solch zentrale Rolle in einem Ihrer Filme spielt?

Ja, das ist ein Zufall. Beide Filme gehen auf einen Zeitungsartikel zurück, denn ich selbst habe nur sehr wenig Fantasie. Aber ich glaube nicht, dass es in den Filmen um den Tod geht. Viel eher sind es doch Filme über das Leben und über die Rolle, die unsere Beziehungen zu anderen Menschen dabei spielen.

Sie betonen, dass es in Ihren Filmen um das Leben geht und der Tod nur eine Nebenrolle spielt. Warum ist Ihnen das wichtig?

Andere Regisseure hätten daraus ein Melodram gemacht, was genauso in Ordnung wäre, aber nicht meinem Geschmack entspricht. Douglas Sirk hat wunderbare Melodramen inszeniert, aber mir fehlt dazu die Handfertigkeit. Ich würde nicht wissen, was ich mit den Farben oder der Musik machen soll. Mein Film hat keinen Anfang und kein Ende, eigentlich nur einen Mittelteil. Dafür, dass der Film kein Melodram wird, sorgen auch die immer wieder vorkommenden Behörden und Beamten, die für Adoptionen zuständig sind. Sie geben dem Spielfilm eine sachliche, fast dokumentarische Struktur.

Wollten Sie das?

Mich interessierte, warum Menschen Kinder adoptieren und wie das abläuft. Die Behörden haben dabei eine Schlüsselrolle – sie müssen die Bedürfnisse beider berücksichtigen. Ich sprach daher mit vielen Menschen, die Kinder adoptiert hatten, und mit etlichen Sozialarbeitern.

Der Bub, der den Sohn spielt, war während der Dreharbeiten wirklich erst vier Jahre alt. Wie erklärt man einem so kleinen Kind, worum es im Film geht?

Wichtig zu wissen ist, dass Daniel ganz wunderbare, unterstützende und ihn liebende Eltern und eine ungefähr vier Jahre ältere Schwester hat. Das individuelle Drama einzelner Szenen wurde nicht diskutiert, es gab kein „Method Acting“, bei dem der Kleine sogenannte „echte“ Gefühle zeigen sollte.

Fühlen Sie sich nach dem Brexit eher als Brite oder sind Sie seither wieder mehr Italiener?

Ich bin wieder zum Italiener geworden. Das hat aber nicht nur mit dem Brexit, sondern auch mit dem Alter zu tun (lacht).

Haben Sie Italien verlassen, um dem Vergleich mit Ihrem Namensvetter Pier Paolo Pasolini und dem mit Ihrem Onkel Luchino Visconti zu entkommen?

Beide waren Giganten der italienischen Kultur. Aber ich liebte eher Federico Fellini und Vittorio de Sica. Mein Onkel inszenierte im Stil eines kultivierten, mitteleuropäischen Intellektuellen. Er war Traditionalist und dadurch für mich – ich muss es sagen – etwas langweilig.

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