Kritik

Herrlich skurrile Meyerhoff-Verfilmung: Der ganz vergnügliche Wahnsinn

Das ungewöhnliche Aufwachsen des Schauspielers Joachim Meyerhoff auf dem Gelände einer Nervenklinik (Von Susanne Lintl).

Er ist eine Wucht auf der Bühne (derzeit übrigens an der Berliner Schaubühne), eine Urgewalt: Joachim Meyerhoff merkt man sich, wenn man ihn einmal gesehen hat. Offenbar schlummerte diese unbändige Energie, diese Dickköpfigkeit, etwas unbedingt durchsetzen zu wollen, schon als Kind in dem berühmten Schauspieler und Autor. Bei Konflikten mit den Eltern oder seinen beiden größeren Brüdern flippte er regelmäßig aus. So sehr, dass er kaum zu beruhigen war, außer man setzte ihn auf die laufende Waschmaschine. Das Rütteln und Schleudern der Maschine brachte ihn wieder halbwegs zur Ruhe.

Dies ist eine der amüsanten Anekdoten, die Meyerhoff bereits in seinem Buch „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ aufbereitete und die nun auch von Regisseurin Sonja Heiss in ihren gleichnamigen Film eingebaut wurde.

Josse, der kleine Rebell, fühlt sich unter den Patientinnen oder Patienten der psychiatrischen Klinik, deren Direktor sein Vater war, durchaus wohl. Die Marotten der Kranken stören ihn nicht, sie sind normal für ihn. So normal, dass er und seine Familie sie sogar zu Kaffee und Kuchen bei Geburtstagsfeiern einladen.

Szenenbild

©Warner

Das Klinikgelände im norddeutschen Schleswig war für ihn Abenteuerspielplatz und eine Vorausschau auf die Probleme des Erwachsenenlebens, kurz: großes Theater. Er erlebte mit, wie sich die Eltern immer mehr entfremdeten – seine Mutter, die von einem Leben in Italien träumte, vom Vater durch eine andere Frau ersetzt wurde, was die Kinder fast umbrachte vor Schmerz.

Filmreif auch die Szene, in der Vater Meyerhoff den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten (großartig: Axel Milberg) einlädt, um von diesem mehr Geld für die Klinik zu bekommen. Ein Patient hüpft hinter einem Strauch hervor und ruft, mit einer Spielzeugpistole in der Hand: „Hände hoch oder ich schieße!“, worauf die Personenschützer Stoltenberg alias Milberg auf den Boden in den Gatsch reißen.

Es ist eine kurzweilige, amüsant aufbereitete Reise in die Vergangenheit, auf die Heiss die Zuseher hier mitnimmt. Nachdem Meyerhoff jahrelang bekniet werden musste, die Rechte an der Verfilmung seines Buchs freizugeben, stand er dann, als die Entscheidung getroffen war, zu hundert Prozent dahinter und dem Filmteam beratend zur Seite. Er hatte wohl auch beim Casting mitzureden, denn dieses ist perfekt.

Szenenbild

©Warner

Der kleine Josse wird dargestellt vom trotzigen Camille Loup Moltzen, der mit seiner Pampigkeit und Pilzkopffrisur die Lacher auf seiner Seite hat. Der jugendliche Meyerhoff ist dann der sensible und unsichere Arsseni Bultmann, der erwachsene, sich selbst schon gewisse, Merlin Rose. Die Darsteller und Darstellerinnen der Patienten fand Heiss in Wohngruppen und in einer Theatergruppe für Menschen mit Behinderung. Und ja, natürlich spielen auch deutsche Stars wie Devid Striesow (Vater Meyerhoff), Laura Tonke und – wie schon erwähnt – Axel Milberg mit.

Ein herrlich skurriler Film, der dazu anregt, über den ganz normalen Wahnsinn in der eigenen Familie nachzudenken. Meyerhoff hatte übrigens im Jahr 2020 einen Schlaganfall und versucht nun, wieder genesen, „frei und vernünftig“ zu sein.

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