Mavi Phoenix: „Ich fühle mich wohl in meiner Haut“
Der Musiker spricht über die neuen Sounds des Albums „Marlon“, sein Leben als Transmann und die Schwierigkeiten auf dem Weg dahin
Wie ein „Befreiungsschlag nach einer schwierigen Zeit“ war es für Mavi Phoenix, voriges Jahr den Song „Leaving“ zu veröffentlichen. Dieser auf Gitarren aufgebaute Track markierte für den als Rapperin gestarteten Musiker, der 2019 ankündigte, als Mann zu leben, nicht nur die Hinwendung zu anderen Musikstilen, sondern das Ende der Selbstzweifel und das Erstarken in der neuen Identität als Transmann.
„,Leaving’ war ein Selbstbewusstseinsschub“, sagt Marlon Nader im KURIER-Interview. „Ich habe in der Pandemie die Gitarre genommen und gemerkt, dass sich das sehr gut und richtig anfühlt. Dass ich gerne auch solche Lieder schreibe, auch wenn man das von Mavi Phoenix noch nicht kennt.“
„Leaving“ ist einer der 15 neuen Songs des am Freitag erscheinenden Albums „Marlon“. Natürlich gibt es darauf aber auch Lieder, die an den bisherigen Mavi-Phoenix-Sound anschließen. Thematisch ist aber der Album-Titel Programm: Haben die Lieder des Vorgängers „Boys Toys“ die Phase des persönlichen Umbruchs dokumentiert, ist der Musiker jetzt hörbar in seinem neuen Leben als Mann angekommen.
„Ich fühle mich jetzt einfach wohl in meiner Haut“, sagt er. „Das ist so schön. Und es ist etwas, das ich vorher nicht gekannt habe. ,Boys Toys’ spiegelt meine damalige Zerrissenheit wieder. Ich wusste damals schon, dass ich Hormone nehmen werde und ,Boys Toys’ das letzte Album mit der hohen Stimme sein wird. Deshalb war es ganz okay für mich, dass ich wegen der Pandemie damit nicht auf Tour gehen konnte. Ich wollte das alles schnell loswerden, denn ich war längst bereit für die nächsten Schritte.“
Die Wandlung der Stimme – und die von Marlene zu Marlon Nader – dokumentierte der gebürtige Linzer in den sozialen Medien: „Ich habe mich jede Woche gefilmt, um zu zeigen, so habe ich geklungen, so habe ich ausgeschaut. Ich dachte, dass die Leute mit der Entwicklung sonst nicht mitkommen. Aber ich habe das auch für mich gemacht: Damit ich sehen kann, wie weit ich schon gekommen bin, wenn ich dachte, der muskulöse Typ mit dem Bart schaut super aus und ich bin immer noch ein kleiner Wicht.“
Zweifel, die Öffentlichkeit an der Wandlung teilhaben zu lassen, hatte Nader nie. „Ich hätte halt so gerne, dass die Leute keine Angst vor Transpersonen haben. Dass sie nicht denken, dass das irgendwie komisch oder nicht richtig ist. Ich will ihnen mit diesem Album und mit dem, wie ich an die Öffentlichkeit trete, ihre Berührungsängste nehmen.“
Zwar widmet sich Nader in den Songs von „Marlon“ jetzt mehr dem Thema Beziehungen und Sex („das hätte ich mich früher nie getraut“), aber der Nachhall der drastischen persönlichen Veränderungen schwingt mit.
„Only God“, sagt Nader, sei ein Liebeslied – eines das aber auch auf ein geändertes Verhältnis zum Glauben hinweist: „Ich habe jetzt nicht voll den christlichen Glauben. Aber ich glaube vielleicht mehr an – sagen wir – das Universum, weil es schon ein Wahnsinn ist, was man als Transperson alles durchmachen muss, um sich mit sich selbst wohlzufühlen. Der ganze Prozess mit den Hormonen und den Operationen ist ein arger Dämpfer. Das ist keine Gaudi. Das nimmt man in Kauf, um sich gut zu fühlen. Aber ich habe mir schon gedacht, was tue ich da einem gesunden, unversehrten Körper an? Ich finde aber, man sollte nicht so arg hinterfragen, warum das notwendig ist, weil man da auf keine Lösung kommt. In dem Prozess tut es aber gut, an etwas zu glauben und sich denken zu können, dass das vielleicht seinen Sinn hat.“
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