Måneskin im Interview: Ein Song für den Stalker, viele für die Freiheit

Die Rockband rechnet im Album "Rush!" genauso humorvoll wie ernst mit den „verrückten“ Erfahrungen im Erfolgsjahr 2022 ab

Sie haben beim Strandspaziergang mit Coldplay-Sänger Chris Martin dessen Hund verloren und wiedergefunden. Sie haben Madonna in ihrem Haus in New York besucht, sind beim „Rock in Rio“-Festival vor 100.000 Leuten aufgetreten und konnten für ihre Platten sieben Diamant- und 161 Gold-Auszeichnungen einsacken. Mit ihrer explosiven Liveshow spielten sich die vier Musiker von Måneskin 2022 in den größten Musikmärkten der Welt an die Spitze und konnten Kollegen wie Mick Jagger, Slash, Metallica und Elton John kennenlernen, die alle ihre Bewunderung für das Quartett bekundeten.

Gerade haben Måneskin mit „Rush!“ ihr erstes Album seit dem internationalen Durchbruch mit dem Gewinn des Eurovision Song Contests von 2021 auf den Markt gebracht. Im Interview mit wird aber schnell klar, dass die Band 2022 auch gleich die Schattenseiten des Erfolges zu spüren bekommen hat.

Einer der besten Songs des Albums, bei dem das Quartett viele Spielarten des Rock erforscht und mal nach Pop-Punk, mal wie die Red Hot Chili Peppers klingt, ist nämlich „Mark Chapman“, einer der drei italienischen Titel.

Sänger Damiano David hat ihn aber nicht Mark Chapman, dem Stalker und Mörder von John Lennon gewidmet, sondern den Erfahrungen mit seinem eigenen Stalker, die er als „verdammt beängstigend“ empfand.

„Ich wollte das thematisieren, weil ich glaube, dass das mittlerweile nicht nur Celebrities betrifft“, sagt David. „Außerdem muss es ein gesünderes Verhältnis zwischen Fans und Stars geben. Durch dieses Anbeten der Stars wie damals in den 70er- und 80er-Jahren haben sie hohe Erwartungen an uns und machen verrückte Sachen. Und zusätzlich ist mir aufgefallen, dass in den letzten Jahren durch TV-Shows und Filme auch solche Mörder und psychisch kranke Kriminelle idealisiert und für Genies gehalten werden. Wir wollten sie auf das zurückbringen, was sie sind.“

Der Song „Supermodel“ entstand, als Måneskin nach Los Angeles kamen, um dort mit Tom Morello von Rage Against The Machine den Song „Gossip“ aufzunehmen.

„Es war wirklich ein Schock für uns, zu sehen, wie viele Menschen unseres Alters dort nur auf ihr Aussehen fixiert sind – und darauf, damit berühmt zu werden und viel Geld zu machen.“

Auch in der Karriere von Måneskin spielen das Aussehen und Visuelles eine große Rolle. Sie treten in Netzhemden oder freizügigen Lederoutfits auf, zwischendurch aber auch in Anzügen. Ihr Auftritt bei den MTV-Awards wurde zensuriert und mit anderen Bildern überblendet, weil David sich in einem String-Tanga mit der Kehrseite zum Publikum zeigte und Bassistin Victoria De Angelis der Träger vom Top runterrutschte und eine Brust freilegte.

Dass dieses expressive Auftreten und das Aufsehen, das es erregt, auch zum Erfolg von Måneskin beigetragen hat, gibt David zu. Als Widerspruch zu „Supermodel“ sieht er das aber nicht.

„Es ist eine Sache, wenn man mit Mode kreativ umgeht, sie benützt, um die Botschaft eines Songs zu unterstreichen oder generell ein Statement zu setzen. Wenn man aber um jeden Preis versucht, sich an die anderen anzupassen, dass man die coolsten Freunde bekommt und auf die coolste Party gehen und den ganzen Tag Drogen nehmen kann, ist das etwas ganz anderes.“

Eine der Botschaften, die Måneskin mit dem bewussten Aufbrechen von Geschlechterrollen sowohl in den Outfits als auch in Songs wie „I Wanna Be Your Slave“ transportieren wollen, ist „die Freiheit der Entfaltung für jeden“.

Aber nicht alle Songs auf „Rush“ sind ernst. In „Feel“ parodieren Måneskin die Groupie-Szene und Aftershow-Party-Klischees. Mit der Zeile „Kokain ist auf dem Tisch“ spielen sie darauf an, dass sie wegen eines in einer unglücklichen Bewegung beim ESC geschossenen Fotos beschuldigt wurden, dort im Green Room Kokain geschnupft zu haben.

„Klar müssen wir uns auch darüber lustig machen“, sagt David. „Denn auf diese Episode sprechen uns immer noch alle an, obwohl das schon lange her ist und wir längst bewiesen haben, dass wir damit nichts zu tun haben.“

Kommentare