Laura & Reinhold Bilgeri im Interview: "Sie ist viel begabter als ich"

Die Bilgeris im Vater-Tochter-Talk über die Gefahren des Showbiz, ein mögliches Duett und – Falco.

Kaiserwetter am Arlberg. Laura Bilgeri ist glücklich, gelöst, schwebt im siebten Himmel. Ein magischer Abend sei das gewesen, gestern. Ihr erstes Live-Konzert hat sie da absolviert, anlässlich ihres Debütalbums „Studio Live Session“ (eine Jazz-Platte), und, was soll man sagen, gleich mit Standing Ovations wurde es gekrönt. Es ist eine neue Rolle für die 26-Jährige: Bislang schrieb sie für ihre Leistungen als Schauspielerin (etwa im Wesley-Snipes-Film „The Recall“) Autogramme.

Und jetzt? Erstmal Urlaub. Am Berg, in Oberlech, auf der Piste mit Mama und Papa. Der, wir wissen es, ist die raukehlige Legende des österreichischen Pop („Some Girls Are Ladies“). Erfolgreicher Filmregisseur, das auch. Auf jeden Fall Kollege durch und durch. Dass Laura nun in einem vom Falco-Song „Jeanny“ inspirierten TV-Film mitspielt und Papa Bilgeri Falco doch seit gemeinsamen Anfangszeiten gut kannte – eine hübsche Parallele. Wir baten die zwei zum Vater-Tochter-Talk. 

Laura, Sie haben kürzlich Ihr erstes Live-Konzert anlässlich Ihres Debütalbums gegeben. Durfte der Papa backstage – oder hätte das dem Nervenkostüm nur geschadet?

LAURA BILGERI: Er hätte kommen dürfen, ist er aber nicht. Und das war okay. So war ich ganz in meiner Welt und konnte mich auf den Auftritt fokussieren.

REINHOLD BILGERI: Und ich möchte ihr auch bei gar nix dreinreden. Sie macht alles selber. Denn das hört man ja immer wieder: Der Vater, der pusht wahrscheinlich ihre Karriere. Stimmt nicht. Gar nix pusht der.

Ärgert Sie dieser Vorwurf sehr?

REINHOLD: Die Wahrheit ist: Das Einzige, was ich für Laura getan habe, war, sie mit 15 gehen zu lassen. In die Welt hinaus, weil sie so hochtalentiert war. Mit 15 nach München, um auf die Musicalschule zu gehen, mit 17 als Model nach Hongkong, mit 18 als Schauspielerin nach Los Angeles. Weil ich wusste: Die ist, obwohl so jung, schon vorbereitet auf alles. Die macht ihren Weg.

LAURA: Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Mit meinem Hund, dem Wald, meinem Baumhaus ... das war enorm wertvoll für mich. Aus diesen Wurzeln habe ich Kraft geschöpft, meinen eigenen Weg zu gehen. Zu jung dafür habe ich mich nicht gefühlt. Man kann nie früh genug anfangen.

Gipfelglück: Vater und Tochter Bilgeri auf der Piste am Arlberg. Im Februar kehrt sie nach New York zurück  

©Kurier/Jeff Mangione
Suchten Sie schon früh das Rampenlicht?

LAURA: Als Kind war ich eigentlich sehr schüchtern.

REINHOLD: Ich erinnere mich an ihren ersten Bühnenauftritt, im Kindergarten. Sie stand, versteckt unter einem riesigen Sombrero, in der letzten Reihe und sang das Titellied von „Speedy Gonzalez“. Damals habe ich zu meiner Frau gesagt: Mit Showbusiness wird’s wohl nix für sie. Ich hätte geglaubt, sie studiert vielleicht einmal Biologie – weil sie so gern durch die Wälder streift und mit Salamandern spricht. Dann habe ich sie mit zwölf Jahren zu einem Konzert mitgenommen ...

LAURA: Und das war der ausschlaggebende Punkt für alles. Den Besuch des Konzerts von Barbra Streisand in Schönbrunn bekam ich zum Geburtstag geschenkt. Ein richtiger Aha-Moment. Ohne diesen Abend wäre mein Leben wohl anders verlaufen. Der Auftritt dieser Frau hat mich gepackt. Danach war klar: Das will ich auch machen.

Warum gerade Jazz?

LAURA: Was Musik anbelangt bin ich eine alte Seele. In der Familie haben wir immer viel Jazz gehört, Billie Holiday, Dinah Washington, Sarah Vaughan. Jazz ist zeitlos. Er gibt mir das Gefühl, dass die Welt noch halbwegs in Ordnung ist.

Reinhold, was war das für ein Gefühl, im Publikum zu stehen und die Tochter auf der Bühne zu erleben?

REINHOLD: Stolz, ganz klar. Sie ist ja viel begabter als ich.

War der Auftritt der Beweis, dass es richtig war, sie mit 15 von zu Hause weggehen zu lassen?

REINHOLD: Ich bin ihr Fan von der ersten Stunde an. Nach dem Streisand-Konzert hat sie begonnen, mit dem Handy Songs aufzunehmen. Als Vater setzt man da natürlich schnell mal die rosarote Brille auf. Aber als Musiker kann ich beurteilen, was Fakt ist und was Träumerei. Und meine ehrliche Meinung war klipp und klar, dass sie unglaublich begabt ist. Darum hab ich mit 15 auch gesagt: Schatzl, geh. Du musst dorthin, wo die Allerbesten sind. Und das ist nun mal Los Angeles, das ist Hollywood.

War der Abschiedsschmerz dennoch groß?

REINHOLD: Als sie fortging, war sie vollgestopft mit unserer Liebe. Nicht jener Liebe, die wir von Helikopter-Eltern kennen. Sondern mit gesundem Urvertrauen. Ich hatte die Gewissheit: Sie ist jetzt stark genug, also lassen wir dich frei, du brauchst uns nicht mehr.

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Könntet ihr euch vorstellen, ein Duett aufzunehmen?

REINHOLD: Das könnte passieren. Aber der alte Vater muss nicht bei allem mitmischen. Wir lieben uns innig, aber sie muss ihr eigenes Ding machen. Ein gewisser Bekanntheitsgrad macht’s für die Nachkommen oft schwierig, aus diesem Schatten herauszutreten. Ich kann ihr ja auch gar nicht helfen. Diese Mär muss man endlich einmal ausradieren. Für die Rolle, die sie im Film mit Wesley Snipes bekommen hat, wurden weltweit 6.000 Mädels gecastet. Was soll da ein alter Vater helfen?

LAURA: Der Vorwurf ist wirklich völlig aus der Luft gegriffen. Gerade in Amerika ist jeder auf sich alleine gestellt. Die Konkurrenz ist extrem, es ist ein harter Kampf. Bei einem Casting, für das sich auch 500 andere Mädchen bewerben, bin ich völlig auf mich alleine gestellt. Ich muss nur eines: gut sein.

Sie spielen jetzt im vom Falco-Song inspirierten Film „Jeanny – Das 5. Mädchen“. Was bedeutet Falco Ihnen?

LAURA: Ich bin ein großer Fan von Falco. So einer kommt nicht mehr nach. Seine Art zu singen, sein Style, das war für diese Zeit unglaublich modern und revolutionär. Deswegen haben ihn die Menschen vielleicht auch nicht immer verstanden: Weil was er gemacht hat, einfach zu krass war. Er hat trotzdem sein Ding durchgezogen, egal, was die Leute gesagt haben, das imponiert mir sehr. Ich nehme mir das selbst stets zu Herzen. Es ist eine sehr amerikanische Mentalität. Bei uns heißt es dagegen zuerst meistens: Das klappt eh nicht. Und später kommt der Neid.

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Reinhold, Sie kannten Falco persönlich. Was war er für ein Typ?

REINHOLD: Ein gescheiter, warmherziger, verletzlicher Mensch, den ich sehr geschätzt habe. „Der Kommissar“ wurde zuerst mir angeboten, aber ich fand ihn bei Falco besser aufgehoben und gab ihn weiter. Er hat wienerisch gerappt, das war einzigartig. Als die Trinkerei zu viel wurde, war es ein bisschen schwierig mit ihm, aber nüchtern war er ein lieber, blitzgescheiter Kerl und hochbegabt. Ich habe ihm auch zu Lebzeiten stets Rosen gestreut.

Falco eroberte Amerika. Wie ist das Leben dort für Sie, Laura?

LAURA: Nach fünf Jahren in Los Angeles bin ich 2019 nach New York gezogen, dort sitzt auch mein neues Management. Im März 2020 flog ich pandemiebedingt heim, die ganze Filmbranche war stillgelegt. Im Herbst 2021 ging’s zurück in die Staaten, Weihnachten habe ich dann wieder in Österreich verbracht. Castings bestreite ich eh digital. New York ist eine hektische, pulsierende Stadt. Man spürt die Ambitionen der Menschen in jeder Pore. Deshalb ist es auch wichtig, dort nicht alles zu ernst zu nehmen.

Wie meinen Sie das?

LAURA: New York steckt voller Verrückter. Und die Oberflächlichkeit ist in Amerika ein flächendeckendes Phänomen. Anfangs ist alles fantastisch, stellt sich aber schnell als ganz anders heraus. Los Angeles ist eine der kältesten Städte, die ich kenne. Nach sieben Jahren Amerika habe ich nur sehr wenige amerikanische Freunde, was traurig ist. Die Mentalität ist einfach anders. Die meisten meiner Freunde drüben sind Europäer. Aber am Set funktioniert die Zusammenarbeit super.

Ein Herz und eine Seele. Gelacht wird immer. „Manchmal reden wir tagelang nur in Filmzitaten“

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Reinhold, haben Sie Ihrer Tochter Tipps für das Showbusiness gegeben – worauf es aufzupassen gilt?

REINHOLD: Die Warnung vor der Welt da draußen war in unserer Erziehung sozusagen inkludiert. Als sie loszog wusste sie genau, wie grauslich es da draußen sein kann und welche Gefahren lauern. Gerade in diesem Business. Und sie wurde in Los Angeles ja auch damit konfrontiert – etwa, als ein erfolgreicher Regisseur ein Drehbuch gern mit ihr am Swimmingpool durchgehen wollte ... Sie weiß dann, was zu tun ist.

LAURA: Ich dachte mir: Casting? Gerne. Aber am Pool: nein!

Ihr wirkt stets wie ein Herz und eine Seele. Ganz ehrlich, wann kriegt ihr euch manchmal in die Haare?

LAURA: Wenn er zu Hause im TV-Programm wieder mal Sport schauen will! Zum Glück haben wir jetzt einen zweiten Fernseher angeschafft. Er will ja wirklich alles sehen: vom Turmspringen bis zur Formel 1. Wenn meine Mutter und ich hingegen mal einen Film ansehen wollen ...

REINHOLD: Abgeschoben haben sie mich, in ein dunkles Kammerl. Aber gut, ich bin ein Sportfreak, ich geb’s zu. Sonst hatten wir nie Konflikte. Höchstens Probleme mit Mathe, als sie noch in die Schule ging.

LAURA: Stimmt, das waren harte Nächte.

REINHOLD: Das Schulheft war schon voller Tränen, mit Tinte verwischt. Aber außer dieser Scheiß-Mathematik gab es nie was. Wir haben’s halt schön miteinander, tut mir leid. Wir lachen viel. Manchmal unterhalten wir uns tagelang nur in Filmzitaten.

LAURA: Ich habe in L.A. einmal ein Schauspielcoaching absolviert. Von zehn Leuten in der Klasse haben neun, als sie in der Vorstellungsrunde von sich erzählen sollten, sofort zu weinen begonnen: Jeder hatte ein traumatisches Kindheitserlebnis vorzuweisen. Als ich an die Reihe kam, musste ich ein Unglück erfinden, um dagegen nicht abzustinken. Aber es war eine tolle Schauspielübung, alle haben es mir abgekauft.

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Reinhold, was können Sie von Laura lernen?

REINHOLD: Wenn es etwa um Social Media geht, ist die Rollenverteilung klar: Sie ist der Lehrer, ich der Schüler.

LAURA: Er weiß seit Neuestem, wie man auf Instagram eine Story postet.

REINHOLD: Ich bin in solchen Dingen ein totaler Idiot. Sie führt mich durch diese digitale Welt. Aber nicht nur durch diese. Ich bin ein temperamentvoller Mensch mit leicht cholerischen Zügen, ungeduldig, alles muss ruckzuck passieren. Laura ist in der Beurteilung einer Situation oft die Klügere. Eine alte Seele, die mich zurückhält, in meinem Alterswahn.

Welche Eigenschaften liegen in der Familie?

LAURA: Wir sind beide furchtlos. Egal, wie es ausgehen könnte, unser Motto ist: einfach probieren. Sonst bereut man es später und man lebt ja nur ein Mal. Man muss an sich glauben.

REINHOLD: Als ich angetreten bin, meinen Film „Der Atem des Himmels“ zu verwirklichen, war das an der Grenze zum Wahnsinn und der ökonomischen Blödheit. Wir haben Haus und Hof dafür riskiert. Aber ich habe mit meinen beiden Frauen darüber geredet und wir waren uns einig: Selbst wenn es existenzbedrohend ist, weil der Film nicht gefördert wurde – wir müssen es machen. Und wenn wir unter der Brücke landen. Das ist ein bisschen blöd, zugegeben. Aber auch sehr mutig. Es war unsere euphorische Wut, die uns gerettet hat. Wir sind auf eine Klippe zugerannt und haben darauf gehofft, dass uns Flügel wachsen. Diese Einstellung ist auch fest in Lauras DNA verankert.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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