Jella Haase im Interview und zurück als Chantal: "Der Erfolg hat mich versaut"
Jella Haase spielt in "Chantal im Märchenland" erneut ihre Paraderolle aus "Fack ju Göhte". Ein Interview über Happy Ends, Body Positivity und ihren österreichischen Fußballtrainer Wastl.
Chantal, heul’ leise! Der Gag aus „Fack ju Göhte“ ist längst ein Kultsatz und im täglichen Sprachgebrauch zu finden. Elyas M’Barek durfte ihn sagen, und Jella Haase darauf ein Tränchen verdrücken. Der erste Teil der Komödie war 2013 ein Riesenerfolg mit sieben Millionen Zuschauern und erhielt zwei Fortsetzungen. Und Chantal?
Jella Haase wurde durch die Rolle als, sagen wir, intellektuell entwicklungsfähige Schülerin zum Publikumsliebling. Schon zuvor bekannt, hob ihre Karriere jetzt richtig ab. Haase spielte in „Berlin Alexanderplatz“, „Lieber Thomas“, war die coole Killerin im Netflix-Hit „Kleo“, gewann den Deutschen Filmpreis, den Grimme-Preis, die ROMY – und landete am Cover der „Vogue“. Nun rennen ihr erneut alle die Türe ein.
Im „Göhte“-Spin-off „Chantal im Märchenland“ gibt die „aufregendste Schauspielerin Deutschlands“ („Harper’s Bazaar“) ein Comeback in ihrer Paraderolle. Mittlerweile Influencerin landet Chantal mit ihrer besten Freundin dank eines magischen Spiegels, den sie für ein Social-Media-Gimmick hält, als Dornröschen in einem Märchenland. Fröhlich kämpft sie gegen Flüche, Hexen, Könige, bekommt es mit einem schwulen Prinzen zu tun, verliebt sich stattdessen in Aladin, räumt mit vielen Märchenklischees auf und bringt feministischen Flair in die patriarchale Fantasywelt.
„Fack ju Göhte“ war vor mehr als zehn Jahren ein Megaerfolg und machte Sie über Nacht berühmt. Hätten Sie sich damals je träumen lassen, dass Ihre Chantal so eine Kultfigur wird?
Nein. Mir gingen damals ganz andere Sachen durch den Kopf. Wie soll ich die Rolle angehen? Ist das authentisch? Kann ich Komödie? Ich wusste gar nicht, ob das überhaupt zu mir passt.
Hat der Erfolg Sie überrollt?
Der Erfolg hat mich versaut. Nein, nur ein Scherz. Was ich entdeckt habe, ist: Wenn ein Erfolg so groß ist, gibt es ein inneres und ein äußeres Erleben. Innen heißt, mir war gar nicht bewusst, welche Dimensionen das alles annimmt. Außen heißt, Millionen Zuschauer. Ich habe mich damals aber gar nicht viel damit auseinandergesetzt. Es war verrückt. Aber auf meinen privaten Alltag hatte es keine Auswirkung. Mein Leben ging ganz normal weiter.
Keine Lust gehabt, abzuheben, einen Porsche zu kaufen oder eine goldene Rolex?
Für mich war es einfach immer wichtig, eine gute Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie zu haben. Ich bin kein wahnsinnig materieller Mensch. Also: kein Porsche, keine Rolex. Bis heute nicht.
Bisschen schade eigentlich.
Ehrlich gesagt sehe ich überhaupt keinen Grund dafür abzuheben. Im Gegenteil. Leute, die abheben, finde ich anstrengend. Wir sind alle Menschen. Ich verstehe also nicht, wenn jemand arrogant wird aufgrund seines Erfolges. Was ich aber sehr wohl mache: Ich fordere einen gewissen Respekt mir gegenüber ein, so wie ich ihn selbst ebenfalls jedem anderen entgegenbringe. Auf diese Weise sollten wir alle miteinander umgehen.
Gibt es dennoch etwas, das Sie sich gerne gönnen?
Was ich mir gönne, ist guter Urlaub. Das ist etwas, auf das ich Wert lege und bei dem ich mir gerne einen gewissen Komfort leiste.
Wo verbringt man einen guten Urlaub?
Ich mag die Berge, bin gerne in Österreich. Mir fällt da eine Reise vor zwei Jahren ein, die ich mit meiner Familie gemacht habe. Mit meinen Eltern im Auto, das war total schön, ich habe mich wieder gefühlt wie ein Kind. Wir haben meinen ehemaligen Fußballtrainer, den Wastl, in den Bergen besucht. Das war zwar jetzt ein Urlaub ganz ohne große Annehmlichkeiten, hat mich aber extrem glücklich gemacht.
Da muss ich kurz nachhaken: Sie haben einen Fußballtrainer, der in Österreich in den Bergen lebt?
Mein Fußballtrainer lebt in Berlin, ist aber Österreicher. Wir haben ihn bei sich daheim besucht. Als Kind habe ich Fußball gespielt, in einer Mädchenmannschaft. Und der Wastl war unser Trainer. Deswegen bin ich auch mit dem österreichischen Idiom aufgewachsen. Jellachen, hey! Das habe ich geliebt und ist mir ganz vertraut im Ohr.
Ich wusste nur, dass Sie Eiskunstlauf gemacht haben. Das mit dem Fußball war mir neu.
Ja, beim Fußball fand ich das, was mir beim Eiskunstlauf gefehlt hat. Beim Eiskunstlaufen dreht sich wirklich alles um einen selbst, zudem fehlte mir der nötige Ehrgeiz. Und ich war immer schon ein Teamplayer. Mir macht es einfach Spaß, mich mit Menschen zu umgeben. Ich glaube, dass man im Team immer mehr erreicht als alleine, zumindest wenn man ein gutes Team hinter sich weiß. Fußball ist ein sozialer Sport. Und auch wenn das abgedroschen klingt, aber es ist wahr: Auf dem Platz ist es egal, wer du bist und woher du kommst. Es geht einfach darum, zu spielen. Das liebe ich. Es ist ehrlich.
Spielen Sie noch?
Nein, leider nicht. Ich habe schon seit langer Zeit aufgehört. Aber mich juckt es immer in den Beinen, wenn ich einen Fußball sehe. Und ich verfolge natürlich ganz aufgeregt die Spiele unserer deutschen Fußballfrauen. Das WM-Finale vor fünf Jahren habe ich mir in Österreich bei Wastl angesehen. Sie merken, ich bin sehr mit Österreich verbandelt.
Als Chantal landen Sie nicht am Fußballplatz, dafür im Märchenland. Wie viel Märchenprinzessin sind Sie denn?
Also meine Schwester würde sagen, ich bin schon eine kleine Principessa. Allerdings eine wilde Principessa. Mit Märchen hatte ich als Kind aber wenig zu tun. Am nächsten kam ich ihnen noch, wenn wir beim Eiskunstlaufen Weihnachtsmärchen aufführten. Ich bin mit freieren Rollenbildern groß geworden, wie sie etwa Pippi Langstrumpf oder die „Wilde Hühner“-Filme vermitteln. Die klassische Prinzessin finde ich weniger ansprechend. Ich dehne diese Rolle gerne aus.
Glauben Sie an Happy Ends?
Ich glaube auf jeden Fall an Happy Ends. Sonst würde sich der ganze Aufwand im Leben ja nicht lohnen.
Gehört zum Happy End auch ein Prinz, mit dem man in den Sonnenuntergang reitet?
Auch davon handelt unser Film – und dass wir die Definitionen eines Happy Ends überdenken und uns ermutigen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Das betrifft übrigens nicht nur Frauen. Die Prinzen unterliegen ja ebenfalls festgefahrenen Rollenbildern. Jeder muss das alles einfach für sich selbst definieren.
Eine gute Fee lässt Ihnen drei Wünsche frei, die sich für Sie erfüllen. Welche wären es?
Gesundheit und ein langes Leben für meine Familie. Frieden. Und dass ich fliegen kann.
Abgesehen von diesen Wünschen, was wollen Sie vom Leben – wie beantworten Sie diese Frage für sich?
Um diese Frage für sich selbst zu beantworten, ist es extrem wichtig, sich immer wieder zu hinterfragen. Bin ich gerade wirklich glücklich? Dazu gehört richtig viel Mut, das merke ich an mir selbst. Und das lerne ich gerade: Mir Freiräume zu schaffen, um mit mir selbst ins Gespräch zu kommen. In dieser Zeit wende ich mich einzig mir selbst zu. Ich erledige da nichts für andere Leute, das gilt auch für Freundschaften.
Wie kam es zur Einsicht, sich gezielt und mehr sich selbst widmen zu müssen?
Zeit ist ein Faktor, den wir niemals zurückgeschenkt bekommen. Man kann viele Versprechungen gemacht bekommen im Leben, aber das ist unumgänglich. Je früher man zu verstehen beginnt, dass wir uns eine schöne Zeit auf dieser Welt machen müssen – mit der Familie, mit den Liebsten – desto besser. Mir ist der 90. Geburtstag meiner Großtante Elfi wichtiger als irgendeine Berlinale-Party.
Ich wage sogar die Vermutung: Ohne Soziale Medien wären wir alle glücklicher.
Auf Instagram haben Sie 1,5 Millionen Follower, sehen Sie sich als Influencerin?
Überhaupt nicht. Mir macht das manchmal Spaß, dann poste ich viele Storys, bin im Flow. Und dann vergeht das wieder. Ich hadere da sehr mit mir, muss mich da extrem regulieren. Ich bin nicht davor gefeit, mich mit anderen zu vergleichen. Am besten geht es mir, wenn ich das Handy beiseite lege und die Sozialen Medien sein lasse.
Schwierig. Das Handy macht süchtig.
Dieser inflationäre Blick aufs Handy ist ein Fluch. Er führt dazu, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird. Ich sehe das extrem kritisch. Und wage sogar die Vermutung: Ohne Soziale Medien wären wir alle glücklicher.
Sie beschäftigen sich viel mit Body Positivity, also einer gesunden Einstellung zum eigenen Körper. Die Sozialen Medien sind am Schönheitswahn nicht ganz unschuldig. Auch Ihnen wurde bei Castings von Leuten manchmal geraten, etwas an sich zu verändern.
Ich habe eigentlich ein sehr gesundes Selbstbild und auch Selbstvertrauen. Das stelle ich trotzdem manchmal in Frage, weil man eben häufig mit einem gängigen Ideal konfrontiert wird. Da bei sich zu bleiben und glücklich zu sein, fällt gar nicht so leicht.
Wie treten Sie dagegen an?
Ich versuche, richtungsweisend dagegen vorzugehen und mit den Rollen, die ich spiele, eine gewisse Vielfalt abzubilden. Und damit im Prozess, sich selbst zu akzeptieren, gerade junge Mädchen quasi an der Hand nehme. Zugleich ist das etwas, an dem ich selbst arbeiten muss. Auch ich gehe nicht ausschließlich mit strotzendem Selbstbewusstsein durchs Leben. Auch ich zweifle an mir und muss mich beständig an meinen Selbstwert erinnern und nett zu mir sein. Das Leben ist so viel schöner, wenn wir es genießen und uns nicht die ganze Zeit gängeln und geißeln, sondern den Genuss leben.
Freunde helfen dabei, bei sich zu bleiben. Sind Sie eine gute Freundin?
Ich hoffe es. Freunde gehören zum Allerwichtigsten im Leben, sie sind unsere Wahlfamilie. Ohne meine Freunde könnte ich nicht leben, ich definiere mich auch über sie. Ich bin ein absolut treuer Mensch, was Freundschaften angeht. Freundschaft ist Liebe, und Liebe ist das Allheilmittel für so ziemlich alles auf dieser Welt. Es klingt nach Klischee, aber sie ist unser Antrieb, macht uns menschlich und gibt uns Hoffnung.
Hatten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt eigentlich Angst, dass Sie die Rolle der Chantal nicht mehr loswerden?
Nein. Diese Befürchtung wurde höchstens von außen an mich herangetragen. Es wurde nach „Fack ju Göhte“ gern in Richtung „Jetzt hat sie sich freigespielt“ berichtet. Ich persönlich hatte diese Empfindung nie. Meine Rollen fielen immer sehr unterschiedlich aus. Umso schöner und überraschender finde ich es, gerade jetzt mit der Figur der Chantal zurückzukehren. Geradezu ein Befreiungsschlag ist das.
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