Spielen im selben Eishockey-Team: Alina Schaller (li.) und Judith Altenberger in „Breaking the Ice“

Interview mit Clara Stern und Alina Schaller: Eindringen in Männerwelten

Die österreichische Regisseurin Clara Stern und ihre Hauptdarstellerin Alina Schaller über das Spielfilmdebüt „Breaking the Ice“, Damen-Eishockey und die Choreografie von intimen Szenen.

Weinbau und Eishockey sind, zumindest auf den ersten Blick – typische Männerwelten. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist Mira, eine junge Frau Anfang zwanzig, in dem österreichischen Spielfilm „Breaking the Ice“ (derzeit im Kino) beides: Winzerin und Eishockeyspielerin.

Genau das habe sie so schön gefunden, strahlt Clara Stern, Regisseurin von „Breaking the Ice“ im Interview: Ihre Hauptfigur „in zwei typische Männerwelten hinein zu setzen“. Und ja: Es sei ihr sehr wohl darum gegangen, bewusst ein feministisches Statement abzugeben.

Clara Stern, geboren 1987 in Wien, ist Teil einer jüngeren Generation heimischer Filmemacherinnen. Zuerst machte sie mit Kurzfilmen – zuletzt mit dem Transgender-Porträt „Mathias“ – Furore, nun lieferte sie mit „Breaking the Ice“ ihr Spielfilmdebüt. Im Zentrum steht Mira, lebhaft gespielt von der 25-jährigen Alina Schaller, die einen schwierigen Coming-of-Age-Prozess durchmacht: Mira stammt aus einer Familie von Winzern und Winzerinnen und lebt bei Mutter und Großvater auf dem Land. In ihrer Freizeit spielt sie Eishockey. Als eine neue Spielerin dazustößt und ihr offen Avancen macht, sieht sich Mira gezwungen, ihre eigene Identität zu hinterfragen.

„Für mich war der Anfangspunkt des Films der Veränderungs- und Befreiungsprozess, in dem die Hauptfigur steckt“, sagt Clara Stern, die mit dem Begriff des „Coming-of-Age“, also des Erwachsenwerdens, nicht ganz glücklich ist: „Man kann auch mit 60 oder 70 noch ein Coming-of-Age haben. Wenn man bereit ist, sich jederzeit selbst zu hinterfragen und zu sagen: Vielleicht muss ich mich verändern. Deswegen habe ich bei ,Breaking the Ice‘ die Hoffnung, dass es auch ein Publikum berühren kann, das nicht Anfang zwanzig ist. Es geht darum, aufzubrechen und das eigene Leben in die Hand zu nehmen.“

Alina Schaller (li.) und Clara Stern über "Breaking the Ice"

©Kurier/Gerhard Deutsch

Für Alina Schaller („Vorstadtweiber“), die mit einem Blick aus ihren umwerfend blauen Augen jedes Eis zum Schmelzen bringen kann, erwies sich die Rolle als aufregende Herausforderung: „Man bekommt nicht oft die Möglichkeit, als junge Frau so eine Figur zu spielen. Oft spielt man ,die Freundin von‘ oder ,die Tochter von‘ oder einen Sidekick“, so Schaller: „Mira hat viele Facetten. Das hat mich gereizt, weil ich an Geschichten interessiert bin, die nicht meine eigenen sind.“

Im Klartext bedeutete das hartes Eislauftraining. Mit ihrer Schauspielpartnerin Judith Altenberger (jüngere Schwester von Verena) trainierte sie eineinhalb Jahre fast täglich auf dem Eis oder in der Kraftkammer: „Das war körperlich unglaublich anstrengend, aber auch sehr cool: Weil man nicht nur mit dem Kopf, sondern körperlich an die Sache herangeht.“

Die Wahl des Eislaufsports war Clara Stern besonders wichtig: Zum einen, weil „der Sport und die Kraft im Vordergrund stehen“ und die Frauen ihn „nicht halb nackt ausüben müssen wie bei den meisten Sportarten.“ Zum anderen, weil sie sich für die Finanzierung von Sport, den Frauen ausüben, interessiert: „Männer sind innerhalb dieses Sports sehr dominant. Für die Frauen entsteht ein Teufelskreis: Kein Publikum, keine Sponsoren, keine mediale Aufmerksamkeit.“

Siegreiches Eishockey-Team: "Breaking the Ice"

©Filmladen

Das Training mit den „Sabres“, dem besten weiblichen Eishockeyteam Österreichs, fand immer um sechs Uhr morgens oder halb elf Uhr nachts statt, erzählt Schaller: „Die anderen Zeiten waren für die Männer reserviert. Man wird einfach hinausgedrängt.“

Dass Mira in „Breaking the Ice“ lesbisch ist, wird nicht problematisiert: „Es war sehr wichtig, dass man eine Frau sieht, deren Queerness weder Thema noch Problem ist.“ Alina Schaller: "Das Drama findet woanders statt.“

Für die intimen Szenen mit Judith Altenberger wurde eine Intimacy-Koordinatorin engagiert, die mit den Protagonistinnen die Sexszenen choreografierte: „Ich vergleiche oft Sex- und Nacktszenen mit Stuntszenen“, meint die Schauspielerin: „Bei einer Stuntszene ist es selbstverständlich, dass ein Schlag ins Gesicht choreografiert sein muss, weil es sonst zu Verletzungen kommen kann. Bei Sexszenen ist es genauso: Man muss sie choreografieren, sonst verletzt sich jemand.“

Alina Schaller: "Oft spielt man nur die ,Freundin von' oder die ,Tochter von' oder einen Sidekick"

©Kurier/Gerhard Deutsch

Intimacy-Koordinatorin

Sie fand es „sehr cool“, dass „Clara eine Intimacy-Koordinatorin engagiert hat, als wäre es das Normalste der Welt. Das ist es nämlich nicht.“ Und Stern fügt hinzu: „Die Choreografie der Berührungen wird untereinander abgemacht. Dadurch ist sie auch wiederholbar. So lassen sich Grenzüberschreitungen vermeiden.“

Wenn man Clara Stern und Alina Schaller beim Reden über die Produktion von „Breaking the Ice“ zuhört, bekommt man das Gefühl, dass wichtige Forderungen der #MeToo-Bewegung zur Vermeidung von (sexuellem) Machtmissbrauch angekommen sind. Das betrifft auch die oft beklagten, strengen Hierarchien beim Dreh: „Ich habe meine ersten Erfahrungen als Assistentin auf sehr, sehr autoritären Filmsets gemacht“, erinnert sich Clara Stern: „Anfänglich dachte ich, ich könnte keine Regisseurin werden, weil ich nicht der Typus des einsamen Wolfs bin, der alles allein macht, keine Schwäche zeigen darf und dann lieber herumbrüllt. Ich bin aber jemand, der in der Filmarbeit die Teamarbeit sieht. Regieführen ist für mich Kommunikation.“

Regisseurin Clara Stern: "Regieführen ist für mich Kommunikation“

©Kurier/Gerhard Deutsch

Dementsprechend flach hält sie die Autoritätsstrukturen auf ihrem Set: „Die Leute wissen, dass ich ihre Ideen hören möchte.“ Besonders wichtig sei das Wohlbefinden der gesamten Crew, nicht nur der Darsteller und Darstellerinnen: „Wie es den Teammitgliedern am Set geht, spürt man am Ende auch im Film. #MeToo war ein extrem wichtiger Anfang, aber wir müssen weitergehen.“

Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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