Psychofalle Homeoffice: Das Arbeiten von Zuhause ist oftmals belastend
Das Arbeiten von zu Hause hat auch Schattenseiten: Die soziale Isolation und der fehlende Austausch mit den Kollegen wird für immer mehr Menschen zum Problem.
Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Nach den Lockdowns im Frühjahr 2020 arbeiten derzeit laut Arbeitsministerium noch immer rund 25 Prozent der in Österreich Beschäftigten gelegentlich oder ganz von zu Hause aus.
Was zu Beginn bei vielen einen Freudensturm auslöste – länger schlafen, keine Wegzeit zum Arbeitsplatz und ganz einfach im Pyjama vor den PC setzen – hat drei Jahre danach ganz andere Seiten: Viele Arbeitnehmer leiden unter den fehlenden sozialen Kontakten und klagen über Konzentrationsprobleme, Unruhe und Schlafstörungen aufgrund der fehlenden Trennung zwischen Arbeit und Privatleben.
36 Prozent der Arbeitnehmer geben außerdem an, keinen geeigneten Arbeitsplatz in den eigenen vier Wänden zu haben. Ihr Computer steht am Küchentisch oder im Wohnzimmer. Technische Probleme und fehlende Kommunikation sorgen für zusätzlichen Ärger. Laut Umfrage von "Statista Q" ist der Stressauslöser Nummer eins bei 35,3 Prozent der Beschäftigten der fehlende Austausch mit den Kollegen.
Fehlender Austausch mit Kollegen
Die soziale Isolation beschreiben jene, die zur Gänze im Homeoffice arbeiten, als zunehmend belastend. Das bestätigt auch Arbeitspsychologin Anna Lammert-Hejl: "Die soziale Eingebundenheit und Zugehörigkeit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Fällt dies weg, entsteht ein Nährboden für Depression und Angststörungen."
Ehrliche und tragfähige Beziehungen – auch zu Kollegen – seien ein wichtiger Puffer in Krisen oder wenn es einmal schlecht läuft. Doch im Homeoffice gibt es keinen kurzen Tratsch in der Kaffeeküche oder ein gemeinsames Mittagessen, um sich auszutauschen oder ganz einfach mal Dampf abzulassen. Frauen leiden laut Lammert-Hejl mehr unter der sozialen Isolation als Männer. Und für Singles bestehe die Gefahr, dass der gesamte Tag vor dem Bildschirm verbracht werde. "Nach der Arbeitszeit oder in der Mittagspause wird Netflix geschaut und auch in der Freizeit treten viele Singles dann noch via Technologie in Kontakt", so Lammert-Hejl.
Ermüdung und Depression
Und dann sind da noch die etlichen Videokonferenzen. Laut Studien verbringen 93 Prozent der Beschäftigten täglich mindestens zwei Stunden in virtuellen Meetings. Bei einem Drittel machen die Videokonferenzen sogar die Hälfte des Arbeitstages aus. Die Folgen sind Ermüdungserscheinungen, die unter dem Begriff "Video-Fatigue" zusammengefasst werden.
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Laut einer Studie der Stanford-Universität sind wir Menschen nicht dafür gemacht, per Video zu kommunizieren. Bei einer Besprechung im Büro richtet sich die Aufmerksamkeit auf eine Person, in einer Videokonferenz sind durchgehend alle Teilnehmer am Schirm zu sehen und darüber hinaus sieht man sich noch selbst. Das überfordert das Gehirn und macht den Körper kraftlos und matt. Die Folge sind Kopf- und Nackenschmerzen sowie müde Augen. Experten empfehlen deshalb weniger und kürzere Meetings sowie gezielte Pausen.
Kein direkter Kontakt mehr
Beschäftigte klagen auch darüber, dass die Verfügbarkeit der Kollegen und des Vorgesetzten im Homeoffice weniger transparent ist. "Es ist belastend, wenn man nicht weiß, ob man sich beim Chef oder der Kollegin melden kann oder darf", so die Psychologin. Weitere Herausforderungen der Telearbeit: Mitarbeiter fühlen sich der Firma weniger stark verpflichtet, werden leichter übersehen und haben dadurch schlechtere Karrierechancen. Virtuelle Teams stehen also vor enormen Herausforderungen.
Experten empfehlen daher eine Mischform von Präsenztagen im Büro und Homeoffice. Das sieht auch Anna Lammert-Hejl so: "Aus arbeitspsychologischer Sicht empfehle ich, zwei Tage im Homeoffice und drei Tage im Büro zu arbeiten. So kann man die Vorteile der ungestörten Arbeit zu Hause genießen, ohne die sozialen Kontakte im Büro aufzugeben." Viele Betriebe haben diese Regelung eingeführt. Die Experten empfehlen, für hybrides Arbeiten klare Richtlinien festzulegen und sich regelmäßig Feedback der Mitarbeiter einzuholen.
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