High Heels: Sexuelle Verheißung? Feministische Todsünde? Ein Symbol der Macht?
Pfennigabsätze bringen Knistern ins Leben. Oder sollen alle nur noch Sneaker tragen?
Wer hochsteigt, wird tief fallen. Manche Höhen sind dennoch zu unwiderstehlich, um sie nicht zu erklimmen. Selbst wenn sie nur 10 Zentimeter vom Boden entfernt angesiedelt sind. High Heels sind vieles, aber sicherlich gerade das: kleine Gipfel, die lustvolle Höhepunkte, wenn schon nicht versprechen, dann immerhin verheißen – sprich: zu kleinen Toden führen. Sündhaft schön. Und unentschuldbar unbequem. Trotzdem unverbrüchlich verknüpft mit erotischem Begehren. Flotten Fußes fabrizieren sie fiebrige Fantasien, stimulieren staksend die sexuellen Sinne. Sorgen für Aufsehen und stiften Verwirrung. Was diese ganze Mann-Frau-Sache irgendwie noch ein Stück komplizierter macht.
In der Königsklasse – des Schuhwerks, wie auch der Schaulust – lustwandeln die Heels auf roten Sohlen daher: Vor 30 Jahren kam Christian Louboutin auf die beinahe grotesk simple Idee, die Unterseite der von ihm in Paris hergestellten Pumps rot anzupinseln. Eine Malerarbeit, die sich als Geniestreich entpuppte. Und bis dahin keinem anderen eingefallen war. Alle hatten sich bloß auf das Schuhwerk an sich konzentriert. Die Sohle war jedem wurscht.
Das Rot von Louboutin
Der Nagellack von Louboutins Assistentin war das erste Rot, das am ersten Schuh landete. Kein distinguiertes Weinrot, aber auch kein Rote-Nasen-Weihnachtsmann-Rot, nein, anders: tiiiefrot, beinahe blutig schön. Und ordentlich aufreizend. Louboutins erkennt selbst der Laie auf den ersten Blick. Sie gelten als Ferrari (ein roter Verwandter) unter den High Heels. Ein Statussymbol. Signifikant für Luxus und Sex-Appeal.
Als Teenager war Christian Louboutin fasziniert von den tanzenden Showgirls in den Pariser Varietés. Er wuchs unter Frauen auf, neben der Mutter noch mit vier Schwestern, das prägte. Ein Frauenversteher. Erfunden hat die Stilettos ein anderer, auch er Franzose, was wahrscheinlich kein Zufall ist.
Roger Vivier hieß der Mann, eine Vollwaise, dessen Schuhmodelle später Greta Garbo und Queen Elizabeth II. über ihre prominenten Füßchen streiften. 1952 brachte Vivier erste Stilettos auf den Markt: ein zehn Zentimeter hohes Wagnis, das kaum Erdberührung vorsah. Abgehoben. Wie es sich für die Göttinnen, die das tragen sollten, gehörte.
Doch was lässt uns denn nun so völlig die Bodenhaftung verlieren an High Heels, dass uns schon mal der Schwindel packt? Sind sie als exponiertes Objekt der Begierde zu betrachten oder als fetischiertes Puzzlestück des Gesamtkunstwerks Frau?
Ein Mysterium und doch ist klar: Das Bein wird durch die hohen Absätze gestreckt, ja der ganze Körper steht unter Spannung. Muskeln arbeiten. Kraft wird aufgewandt. Ein kompliziert orchestriertes Zusammenspiel konzentriert sich darauf, die durch die High Heels willentlich herbeigeführte Disbalance zu korrigieren und dabei – Kunststück! – möglichst unfallfrei zurück in eine Art Gleichgewicht zu manövrieren. Klingt nach Cirque du Soleil, aber das ist das wackelige Geschwanke mit Skischuhen, bei dem man ungelenk versucht, sich auf den rutschig-nassen Fliesen der Skihütte nicht das Genick zu brechen, auf gewisse Weise auch.
Welche Heels Marilyn liebte
Die Frage, ob das ganze Schuh-bi-du es wert ist, mag jede Grazie, die je auf halsbrecherischen Mörderhacken mit trippelnden Schritten übers Kopfsteinpflaster oder ähnlich undankbares Terrain gestakst ist, mit Berechtigung stellen. Gleichzeitig ist die Wirkung unbestritten. Die Betonung der Hüften, der schlingernde Gang, als gelte es, mit einem Cha-Cha-Cha einen Maharadscha zu hypnotisieren, währenddessen frau tatsächlich nur vom Kopierer zur Küche stolziert, all das verdankt die Welt den Heels.
Man denke nur an Marilyn Monroe: ihren unwiderstehlich grazilen Gang, so heißt es, verdanke sie zu einem Gutteil der Magie aus der Werkstatt eines Italieners. An die 40 Paare, allesamt Sondermodelle, passte Salvatore Ferragamo der glamourösesten aller Diven, an. Marilyn liebte die zeitlose Eleganz des Florentiners. Wie merkte sie doch an: "Wenn man einem Mädchen die richtigen Schuhe gibt, kann es die Welt erobern."
Sind Stilettos anti-feministisch?High Heels hauchen auch Floridsdorf Hollywood ein, wenngleich man ihre Wirkkraft doch verwissenschaftlichen kann: 2013 stellte eine Studie von Psychologen der Universität Portsmouth ganz offiziell den Zusammenhang zur weiblichen Sexualität fest. Biomechanische Analysen ergaben, dass das Tragen der Stöckelschuhe zu einer erhöhten Weiblichkeit des Ganges führte.
Ein Ergebnis, das Feministinnen eher grollen lässt. "Unsere Füße gehören uns!", propagierte Alice Schwarzer bereits 1979. "Ist denn Leiden erotisch?", fragte sie. In der Psychoanalyse, schrieb sie, stehe der Schuh für die Vagina, der Fuß für den Penis. Stilettos empfand sie als Fessel des Patriarchats – weil sie zu körperlich erzwungener Passivität verpflichten. Doch nicht alle im Feminismus sehen das so. Das Selbstvertrauen und die Stärke, die eine Trägerin ausstrahlt, werden auch als emanzipatorisches Signal wahrgenommen. Das wurde besonders in den Achtzigerjahren deutlich: Power-Dressing hieß das Gebot der Stunde. Neben Hosenanzügen und Schulterpolstern zeigten Absätze vor allem eines an: weniger Lady, mehr Löwin. Heute strahlen diese Souveränität Amal Clooney und Michelle Obama aus. Niemand würde diesen Frauen ihre Kompetenz absprechen, nur weil sie Absätze tragen.
Gesundheitlich zu empfehlen ist es auf Dauer jedoch nicht. Carrie Bradshaw in "Sex and the City", die in den Neunzigern einen Manolo-Blahnik-Boom entfachte, kümmerte das zwar keineswegs. Dennoch gilt: Das Körpergewicht verlagert sich auf die Zehen statt den gesamten Fuß, gleichzeitig werden diese ordentlich zusammengestaucht. Überbein, Hammerzehe, verkürzte Achillessehne – klingt plötzlich alles gar nicht mehr so sexy, oder? Auch die Knie und die Wirbelsäule ächzen bei Überbelastung.
Sonnenkönig in hohen Schuhen
Doch wie immer gilt: Schönheit muss leiden. Oder: Sie möchte leiden. Schließlich, so tickt der Mensch nun mal, möchte man zeigen, wer man ist und was man hat. Und hohe Schuhe standen schon im 15. und 16. Jahrhundert für Reichtum und Macht und höheren Stand. Gerade in Venedig trugen gut situierte Frauen die berühmten Chopinen, deren Sohlen bis zu 60 Zentimeter hoch sein konnten. Modisch einst der letzte Schrei. Erfunden haben den Stelzschuh mit der Korksohle, der etwa mit Ziegenleder überzogen sein konnte und vielleicht mit Brokatstoff oder Edelsteinen verziert, die Spanier.
Bis zum 18. Jahrhundert schlüpften übrigens auch die Männer in hohe Schuhe. Ludwig XIV. demonstrierte damit seine Macht. Auf einem Gemälde von Hyacinthe Rigaud posiert er sichtlich berauscht von seiner Herrschaftlichkeit in weißen Strumpfhosen, einem opulenten Mantel – und hohen, roten Schuhen. Was der "Sonnenkönig" wohl zum Turnschuh-Trend der Gegenwart sagen würde? Die Generation Homeoffice schwört oft eher auf bequemeres Schuhwerk. Dass Sneaker dennoch sexy sein können, davon ist aber auch der Meister persönlich überzeugt. "Definitiv", meint Christian Louboutin dazu. "Ein Schuh alleine kann nicht sexy sein. Es ist die Frau, die den Schuh macht – und nicht umgekehrt."
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