
GTA 6 und Mafia: Warum Gangster in Videospielen faszinieren
Ein neuer Trailer gibt einen Einblick in das lang erwartete GTA 6. Zeitgleich sorgt Mafia: The Old Country für Furore. Darum spielen viele so gerne Verbrecher.
Mit bombastischer Grafik, Synthie-Klängen aus den 80ern und viel Action bringt der Trailer zu GTA 6 zurück in die Sonne von Vice City – dieser schillernd-verkommenen Metropole, die aussieht wie Miami auf Steroiden.
Mittendrin: ein Pärchen à la Bonnie und Clyde, das sich durch Tankstellenüberfälle, Verfolgungsjagden und Alligatorensümpfe schlägt, schnittige Autos kapert und auf der Verbrechensleiter hinaufsteigt.
Mal geht’s gegen goldbehängte Straßengangs, mal gegen Hinterwäldler mit Schrotflinten. Das Netz jubelt: Millionen Klicks in wenigen Stunden, Spekulationen über Figuren und Story aus dem Spiel, das im Mai 2026 erscheint.
Kurz darauf rollte der nächste Trailer für Mafia: The Old Country an. Es handelt in Sizilien um 1900, es gibt Patriarchat, Pistolen und Platz für Verbrechen. Zwei gegensätzliche Welten – doch eint sie das Thema: Gangstersein als Faszination. Und das funktioniert nicht nur in Neonlicht und im Nudelparadies: Der Outlaw im Wild-West-Spiel Red Dead Redemption wirkt reizvoll wie der japanische Yakuza in der Reihe Like a Dragon.
Darum sind Gangster so spannend
Dazu haben schwere Burschen abseits der Games Hochkonjunktur. Ob muskelbepackte Rocker in Kutten, Clanbosse aus Berlin mit Rolex oder Mafiosi im Wollpullover, die sich in süditalienischen Bergdörfern verstecken – das organisierte Verbrechen kommt an. In True-Crime-Dokus oder TikTok-Videos.
„Die Unterwelt folgt ihren eigenen Regeln, zeichnet sich durch starken Zusammenhalt aus – und wird dadurch romantisiert, obwohl sie moralisch fragwürdiges Verhalten zeigt“, erklärt John Haas, Psychologe von der AG Digitalisierung des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen. „Die Botschaft lautet: Auch mit abweichendem Verhalten kann man erfolgreich sein.“
„Gangsterfiguren verkörpern Macht, haben Zugang zu Jachten, teuren Autos und sie flößen anderen Angst ein.“
Das macht es dann auch so spannend, Verbrecher in Videospielen zu sein, sagt Christoph Klimmt: „Gangsterfiguren verkörpern auf eine gewisse Weise Macht. Sie verfügen – zumindest in der Vorstellung – über Einfluss, können über Leben und Tod entscheiden und haben Zugang zu Reichtum, großen Jachten, teuren Autos und dergleichen. Vor allem aber flößen sie anderen Angst ein. Das ist eine Form von Machterfahrung, die viele Menschen zumindest faszinierend finden.“ Klimmt ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und forscht zu Computerspielen.
Er würde zwar nicht behaupten, dass jeder insgeheim den Wunsch hat, allmächtig zu sein. „Aber viele erleben im Alltag das Gegenteil: Sie fühlen sich ohnmächtig, fremdbestimmt, etwa durch Arbeit oder gesellschaftliche Zwänge. Deshalb übt diese fiktive Allmacht eine Anziehungskraft aus.“
GTA und Co. bedienen die Angstlust
Und noch eine Sache macht das Spielen reizvoll, wie Haas sagt. „Es wird dabei auch eine gewisse Angstlust befriedigt. Manche haben auch Freude daran, bedroht zu werden“, sagt der Psychologe. Und ja, manche fürchten sich davor, dass sie selbst etwas tun könnten, das nicht legal ist.
Vorwiegend sind es Männer, vor allem in ihrer ersten Lebenshälfte, sagt Haas und verweist auf eine Studie: Bei GTA 5 lag der Frauenanteil bei nur 14 Prozent. Besonders junge Menschen werden damit besonders gut abgeholt, wie Klimmt sagt: „Sie setzen sich intensiv mit Fragen der eigenen Identität auseinander: Was ist mein Platz in der Welt als Mann? Was bedeutet ‚gute‘ Männlichkeit? Was sollte mich als Mann auszeichnen? Wie möchte ich als Mann sein? Diese Fragen sind komplex – und durch gesellschaftliche Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten noch schwieriger geworden.“
Spiele sind ein männliches Identitätslabor
Daher könne man ein Spiel wie GTA auch als eine Art „männliches Identitätslabor“ sehen. Es ermögliche mit verschiedenen Facetten von Männlichkeit zu spielen: Stärke, Mut, Widerstand, Macht – aber auch soziale Anerkennung. Wer im Spiel ein „Supergangster“ ist, wird bewundert: von anderen Figuren im Spiel, von attraktiven Frauen in Nachtclubs und so weiter. „Solche Erfahrungen wirken besonders auf junge Männer eindrucksvoll, die ihre eigene Männlichkeitsdefinition noch suchen. Sie machen Selbsterfahrungen, die im echten Leben so kaum möglich wären“, sagt Klimmt.
Er vergleicht GTA in seiner Strahlkraft mit Star Wars oder Harry Potter. Die Reihe ist ein popkulturelles Phänomen, das mehrere Generationen begleitet.

Eine Verfolgungsjagd aus dem Trailer zum Spiel GTA 6. Die Sümpfe erinnern an Florida, Alligatoren gibt es natürlich auch. Nur die Tiere sind bissig, auch die Menschen sind mit Vorsicht zu genießen.
©Rockstar GamesDoch auch bei den Frauen tut sich einiges. „Immer mehr junge Frauen brechen aus den ihnen zugeschriebenen Rollen aus. Sie interessieren sich für Aktivitäten, die traditionell als männlich gelten.“ Diese Veränderungen spiegeln sich in der Welt der Videospiele wider, wie Klimmt feststellt: „Die Zahl der weiblichen Spieler wächst, und das wird immer sichtbarer. In den neuesten GTA-Trailern sehen wir eine Protagonistin, die genauso als harte Gangsterin auftritt wie der Mann an ihrer Seite.“
Weitere bekannte Gangsterspiele
- The Getaway: Sony baute 2002 virtuell London nach. Der Nachfolger wurde Vorbild für die brutale Sky-Serie „Gangs of London“
- Saints Row: In dieser Spielreihe ist man der Anführer einer Verbrecherorganisation. Ähnelt GTA, ist aber viel unrealistischer und trashiger.
- Yakuza: In dieser Spielereihe, die nun Like a Dragon, heißt, geht es – richtig – um die japanische Mafia.
- City of Gangsters: Kein reines Action-, sondern ein Strategiespiel. Man erschafft ein Verbrechersyndikat.
- Watch Dogs: In dieser Spielewelt wird man nicht zum klassischen Gangster, sondern zum Hacker.
Doch Gangsterspiele erzählen nicht nur von Macht und Ruhm – sie zeigen auch die Abgründe. Denn nicht jeder virtuelle Verbrecher ist einfach nur cool, clever und kalkuliert. Manche, wie der Charakter Trevor aus GTA 5, sind tickende Zeitbomben: brutal, unberechenbar, kaputt. Der geht nicht nur gegen „gleichwertige“ Fieslinge oder die Staatsmacht vor, sondern foltert sogar in einer höchst umstrittenen Sequenz: „Man kann einem Bösewicht auch ein gewisses Maß an Bosheit zugestehen“, sagt Klimmt.
Kaputter Charakter im Spiel GTA 5
Klar, das könne man auch als moralisch nicht mehr akzeptabel sehen. Aber gerade bei der berüchtigten Folterszene sei Gesellschaftskritik eingebaut gewesen. Denn der Charakter sagt danach sinngemäß: Die Leute glauben immer, Folter sei ein nützliches Mittel, um Informationen zu bekommen. Aber dem ist nicht so. Trevor, so Klimmt, ist „einer, der vom amerikanischen Kapitalismus richtig rasiert wurde“. Seine Gewalt sei nicht grundlos, sondern Resultat einer Biografie voller Brüche, sozialer Entwertung und Zorn. „Diese Zwischentöne machen das für Ältere interessanter.“
„Die Ironie in solchen Spielen macht das Extreme besser erträglich. Das ist wie bei manchen Horrorfilmen.“
Das zeigt, wie vielschichtig das Genre sein kann. Und nicht selten gibt es Spielen wie GTA ironische Brechungen, lustige Einschübe. Hier wird mit Klischees gespielt, Influencer werden durch den Kakao gezogen, Markennamen verbrämt. „Die Ironie in solchen Spielen macht das Extreme besser erträglich. Das ist wie bei manchen Horrorfilmen“, sagt Haas. „Das spricht aber nicht jeden an – man muss diesen Stil mögen.“
Spektakuläre Schauplätze
Doch nicht nur Ton und Tempo machen den Reiz aus – auch der Schauplatz zählt. Haas: „Sie sind oft kulturell verankert: Meist handelt es sich um US-amerikanische Städte oder exotische Umgebungen wie Fernost oder Mexiko – Orte, zu denen viele bereits Vorerfahrungen oder Bilder im Kopf haben.“ Diese Spiele greifen auf einen kulturellen Apparat zurück, der eine gewisse Lebensrealität abbildet – sie erscheinen dadurch logisch und nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu wirken klassische Brettspiele oft abstrakter und weniger lebensnah.

Bleibt die Frage, ob all das – die Gewalt, das Gangstertum, die Machtfantasien – im echten Leben Spuren hinterlässt. Können Menschen zwischen fiktiven und realen Szenarien unterscheiden? Beide Experten verweisen auf wissenschaftliche Studien: Bei der großen Mehrheit psychisch gesunder Menschen ist das der Fall.
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