Filmkritik zu "John Wick: Kapitel 4": Killer im kugelsicheren Maßanzug
Keanu Reeves kämpft sich gewohnt stoisch und äußerst brutal durch das furiose Finale seiner Martial-Arts-Thriller-Reihe
Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet der nette Keanu Reeves reüssiert als grausamer Killer in einem extrem erfolgreichen Action-Franchise. Umso erstaunlicher, als sich der erste Neo-Noir-Rache-Thriller „John Wick“ mit Reeves in der Hauptrolle an den Kinokassen als „Schläfer“ entpuppte.
Der umwerfende Erfolg bahnte sich erst langsam an. Chad Stahelski, gelernter Kickboxer und Regisseur der „John Wick“-Reihe, war zuerst Keanu Reeves’ Stunt-Double in „Matrix“, ehe er in den Regiestuhl wechselte. Für das furiose Finale von „Kapitel 4“ legte er nun erneut sein gesammeltes Kampfwissen auf den Tisch. Wie nicht anders zu erwarten, beglückt er seine Fans mit überlangen, vorzüglich inszenierten Actionszenen – und deutlichem Hang zum Videospiel.
In „Kapitel 4“ taucht John Wick nach längerer Pause aus dem Untergrund auf. Er hat sich durch die Erschießung einer hochrangigen Persönlichkeit die Hohe Kammer, Leitstelle aller Geheimorganisationen, zum tödlichen Feind gemacht. Ein gewisser Marquis de Gramont wird damit beauftragt, ihn zur Strecke zu bringen.
Das Hongkong-Kino lässt grüßen, wenn ein stoischer Keanu Reeves als kaltblütiger John Wick, und der blinde Schwertkämpfer Caine – gespielt von Mixed-Martial-Arts-Superstar Donnie Yen – ihre Feinde in die Beinschere nehmen. Und das sind viele.
Logische Handlung oder geschliffene Gespräche waren noch die Stärke von „John Wick“. Die leblosen Dialoge dienen nur als kurzes Vorspiel zu ultra-brutalen und hochstilisierten Kampf-Choreografien in bizarrem Ambiente.
Techno-Club in Berlin
Kein Schauplatz ohne enormen Schauwert. Im Continental Hotel in Osaka servieren die Köche nicht nur Sushi, sondern auch gekühlte Schwerter. Die japanischen Innenräume glühen in den Neon-Farben Blau, Grün und Pink, ehe sie elegant zu Bruch gehen. In Berlin vibriert der Techno-Club im Rave-Rhythmus vor rauschenden Wasserfällen. In Paris bildet der Triumphbogen den gloriosen Mittelpunkt einer Autoverfolgungsjagd.
Und mittendrin Keanu Reeves, auf dessen Gesicht sich der milde Glanz seines untergehenden Ruhms legt. Im kugelsicheren Maßanzug macht er seine melancholischen Moves mit der undurchdringlichen Souveränität des gebeutelten Hollywoodstars.
Ob im strömenden Regen oder in der Gluthitze der Wüste; ob bei Sonnenaufgang oder in nächtlicher Dunkelheit; ob mit asiatischer Kampftechnik, Pfeil und Bogen, Maschinengewehren oder Messern – die Schlagzahl an Toten ist gigantisch, egal ob beim Zweikampf oder im Ensemble. John Wick erledigt seine Feinde idealerweise gleich doppelt: Zuerst mit Schnitt durch die Kehle, dann mit Kopfschuss. Und auch im größten Kugelregen erweist er sich als unverwundbar.
Bill Skarsgård, Sohn von Stellan, spielt John Wicks diabolischen Gegenspieler – den grausamen Marquis – mit der Unschuldsmiene eines psychopathischen Gymnasiasten.
Als französischer Adeliger hat er ein sehenswertes kulturelles Erbe im Rücken. Er schnabuliert Patisserie in Versailles, trifft wichtige Entscheidungen vor napoleonischen Gemälden im Louvre und fordert zum Duell vor dem Eiffelturm. Dank ihm, wird das Publikum nicht nur zum Schlachtenbummler, sondern auch zum europäischen Kulturtouristen.
INFO: USA 2023. 169 Min. Von Chad Stahelski. Mit Keanu Reeves, Donnie Yen.
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