Filmkritik zu Alex Garlands Schocker "Men": Mörderische Männerrollen

Der Brit-Regisseur Alex Garland („Ex Machina“) provoziert mit seinem blutigen Horror-Film männliche Geschlechterstereotypen

Seit Eva im Garten Eden in den Apfel gebissen hat, ist das Verhältnis zwischen Männer und Frauen schlecht. Die Frau hat den Mann verführt. Sie ist schuld am Sündenfall.

Haha, nur Spaß.

Doch der Mann, der den Witz über die verbotene Frucht macht, sieht nicht unbedingt so aus, als würde er scherzen. Sein grimmiges Gelächter klingt eher furchterregend als lustig.

Er ist der Vermieter eines idyllischen Landhauses, in dem eine junge Frau namens Harper Entspannung sucht.

Harper hat gerade eine schreckliche Trennung hinter sich und sucht die Einsamkeit in der englischen Provinz. Dort möchte sie ihre verwundete Seele heilen – mit langen Spaziergängen und friedvollen Ausblicken in den Garten.

Apropos Ausblick: Was macht der nackte Mann in ihrem Garten?

Harper gerät in Panik und ruft die Polizei. Doch auch der Dorfpolizist ist alles andere als vertrauenserweckend. Und erst der schleimige Pastor: Gutgläubig berichtet ihm Harper von ihrem ehelichen Unglück, schon grapscht er mit der Hand nach ihrem Knie. Selbst der Bub, der mit Harper Verstecken spielen möchte, erweist sich als Ekel – wie auch der Rest der Männer, die sich in dem kleinen Dorf befinden. Sie alle wirken irgendwie ... gleich: bedrohlich, übergriffig, unheimlich.

Kein Wunder, denn Regisseur Alex Garland lässt sämtliche skurrile Männerrollen von nur einem einzigen Schauspieler verkörpern. Der treffliche Shakespeare-Darsteller Rory Kinnear rückt in unterschiedlichen Erscheinungsformen der traumatisierten Harper zu Leibe.

Toxische Tiefe

Alex Garland, der seit seinem kühlen Sci-Fi-Debüt „Ex Machina“ vielfach verehrter Brit-Regisseur, interessiert sich für das (horrible) Verhältnis zwischen Männer und Frauen. Unvermutet stößt er die kämpferische Jessie Buckley (zuletzt gesehen in „Die Frau im Dunkeln“) in seine unberechenbare Folk-Horror-Raffinesse hinein und lässt sie in toxische Tiefen männlicher Bösartigkeit abtauchen.

Garland liebt die Transgression und sorgt mit nervöser Kamera und gespenstischer Soundmalerei für beklemmende Grundstimmung. Schon ein Spaziergang bei hellem Tageslicht wirkt unheimlich, in der Nacht aber bricht der Horror so richtig los. Allein im einsamen Landhaus, belagert von mörderischen Männern, durchlebt Harper ein surreales Slasher-Spektakel in fetten Farben und blutigen Bildern. Genüsslich greift Garland tief in die Symbol-Kiste archaischer (Geschlechter-)Mythen.

Rory Kinnear in einer seiner Mehrfachrollen: "Men"

©Filmladen

„Men“ zählt zu jenen kunstsinnigen Horror-Schockern á la „Hereditary – Das Vermächtnis“, die mit ihrem Anspruch auf gehobenen Arthouse-Grusel ihr Publikum spalten. Was für die einen gelungener, düster-ironischer Horror-Trip mit scharfsinniger Feminismus-Kritik sein mag, erscheint den anderen vielleicht als allegorisch überspannter Quatsch.

Effektvoll ist er allemal.

Denn eines muss man Alex Garland lassen: Body-Horror kann er. Am spektakulären Höhepunkt beginnt einer der Männer seinen Bauch aufzublähen und einen Männerkörper zu gebären, der wiederum einen Mann gebärt – was ziemlich unglaublich aussieht. Gefinkelt spielt Garland die ewige Wiederkehr destruktiver Geschlechterverhältnisse im Rahmen einer originellen Genre-Übung durch – als schaurig-komische Provokation des alten Vorurteils „Männer sind alle gleich“.

INFO: GB 2022.100 Min.Von Alex Garland. Mit Jessie Buckley, Rory Kinnear. Pappa Essiedu

Kämpferisch: Jessie Buckley in "Men"

©Filmladen
Alexandra Seibel

Über Alexandra Seibel

Alexandra Seibel schreibt über Film, wenn sie nicht gerade im Kino sitzt.

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