"Einfaches" Weihnachten: Die ältere Generation erinnert sich

Früher wurde mit Würfelzucker in Seidenpapier und Zinnfiguren gefeiert. Vorfahren von Redakteurinnen erzählen aus ihrer Kindheit.

Von Elisabeth Gerstendorfer und Christina Michlits

Theresia Michlits, Jahrgang 1933 aus Pamhagen

Bauernleben mit sieben Geschwistern  im Burgenland

„Als ich sieben Jahre alt war, blieb ich heimlich am 23. Dezember am Abend wach und habe gesehen, wie meine Mutter den Weihnachtsbaum geschmückt hat und nicht das Christkindl. Das ist meine eindrücklichste Erinnerung an Weihnachten. Behängt wurde der Baum damals mit Würfelzucker, der in Seidenpapier gewickelt war. Auch Brotrinden waren darin und ab und zu Schokostücke.

Es gab den Spruch, dass in einem reichen Bauernhaus Schokolade am Baum hängt, in einem armen Würfelzucker. Viel gab es nicht, das galt für alle. Einige wenige Kugeln hatten wir daheim, ansonsten wurden Nüsse silbern bemalt und aufgehängt.

Die Bäume waren allesamt Fichten und haben viel armseliger ausgesehen als heute. Meine Schwiegermutter hatte früher noch keinen Baum, sie hat einen Fichtenast in eine Zuckerrübe gesteckt.

Theresia Michlits (Mitte) mit zwei ihrer sieben Geschwister

©Privat

Ansingen

Der Heilige Abend war ein strenger Fasttag, erst nach der Mitternachtsmette wurden Bratwürstel gegessen.

Süße Bäckerei gab es schon, seit ich mich erinnern kann. Vanillekipferl oder Hirschenkrapfen – ähnlich wie Biskotten –, zu denen wir auch Gipskrapfen gesagt haben, weil sie so trocken waren.

Wichtig war das Räuchern am 24. Dezember und ist es für mich bis heute. Dabei wird Weihrauch auf die Glut von Kohle gelegt, durchs ganze Haus gegangen und der Engel des Herrn und der Freudenreiche Rosenkranz gebetet.

Geschenke gab es in meiner Kindheit keine. Beim sogenannten Ansingen – wenn Kinder zu Verwandten gehen und „Stille Nacht“ singen – gab es manchmal 50 Groschen. Das war was ganz Großes für uns.

Anfang der Sechzigerjahre wurde dann der typische Christbaumschmuck gekauft, oft in Bratislava. Unsere Kinder haben zu dieser Zeit schon kleine Geschenke bekommen, meist aber Kleidung.

In der Messe um Mitternacht wurde genau geschaut, wer welche neuen Sachen präsentiert. Das ganze Dorf war damals in der Kirche, auch die Kinder. Erst dann war Weihnachten für uns.“

Konrad Gerstendorfer, Jahrgang 1939, Wien

Fröhliche Stimmung trotz karger Nachkriegszeit

„Das erste Weihnachten, an das ich mich erinnere, war, als ich sechs Jahre alt war, 1945. Ich wohnte im dritten Bezirk, wo die Engländer regierten. Sie luden uns Kinder zu Weihnachten in den großen Hof der Rennwegkaserne ein. Dort konnten wir Ponyreiten, bekamen Kakao und Kekse, so viel wir wollten.
Das war sehr toll, denn zu essen gab es nicht viel, auch wenn Mütter mit Kindern bei der Lebensmittelausgabe bevorzugt wurden.

Mein Vater war in Kriegsgefangenschaft und kam erst 1949 zurück. Es war für mich normal, nur mit meiner Mutter zu leben, denn es ging fast allen Kindern so.

Und alle Mütter hatten das gleiche Problem: Zu Weihnachten etwas für das Fest aufzutreiben. Meine Mutter ergatterte einen kleinen Christbaum, der auf einem Tisch stand und mit wenigen Wachskerzen bestückt war. Großen Schmuck gab es nicht. Sie konnte sogar ein Geschenk darunterlegen – einen Matador-Baukasten. Als ich älter war, gab es bunte Glaskugeln, Zinnfiguren und in Papier gewickelte Stücke einer Tafel Schokolade. Geld, um anderen Verwandten Geschenke zu machen, gab es nicht.

Konrad Gerstendorfer im Volksschulalter

©Privat

Werkelmänner und Maroni

Trotz aller Entbehrungen war die Stimmung zu Weihnachten sehr fröhlich. Auf der Straße entstand oft großartige Weihnachtsstimmung. Es gab  Werkelmänner, die Weihnachtslieder spielten und einen Maronibrater. Man konnte die Lieder weit hören, da infolge des Krieges keine Autos  fuhren.

Das Essen am Heiligen Abend wurde von Jahr zu Jahr besser und mehr. Kurz nach Kriegsende gab es nicht viel und meine Mutter versuchte, aus  spärlichen Zutaten etwas zu zaubern. Manchmal stammten sie aus Carepaketen aus dem Ausland – eine Kostbarkeit. Sie waren gefüllt mit allem, das sich in Dosen abfüllen ließ: Erbsen, Pudding, Sirup, Fleisch.

Typisch damals war auch, dass  viel geteilt und getauscht wurde. Bei der Bescherung waren wir nur zu zweit. Auch später waren Verwandtenbesuche am Heiligen Abend nicht üblich, erst in den Tagen danach.

Als mein Vater heimkehrte, wurde der Tag der Rückkehr, der 29. Dezember, zu einem feststehenden Feiertag in unserer Familie. Für ihn bedeutete er sogar mehr als der Heilige Abend selbst.“

Elisabeth Gerstendorfer

Über Elisabeth Gerstendorfer

Redakteurin Gesundheit, Wissen Studierte Psychologie und Soziologie in Wien. Journalistenkolleg des Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg. Seit 2013 bei KURIER im Ressort Lebensart. Zuvor u.a. tätig für Presse, Schaufenster und Österreichische Ärztezeitung.

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