Ed Sheeran live in Wien: Faszinierender Solist, versierter Entertainer
Der 31-jährige Brite trat im Wiener Ernst-Happel-Stadion erstmals auch mit Band auf, konnte aber mehr mit seiner Gitarre und der Loop-Station begeistern.
Schon beim Ankommen im Ernst-Happel-Stadion ist die Atmosphäre elektrisierend. Denn die Bühne von Ed Sheeran sieht auch ohne den Star schon spektakulär aus. Sie ist rund, steht in der Mitte des Stadions, bietet von allen Seiten freie Sicht auf das Zentrum, das - noch - hinter einem ringförmigen LED-Schirm versteckt ist. An sechs schrägen Pfeilern drumherum hängen wie auf Angeln die Videoschirme in Form von Plektrums (Plastikplättchen, mit denen man Gitarre-Saiten anschlägt). Die ganze Bühne leuchtet in den munteren Farben des Artworks des jüngsten Sheeran-Albums „=“, und schon seit zehn Minuten bringen sich die 65.000 Zuschauer mit „La Ola“-Wellen in Stimmung. Sie kreischen und raunen, wenn irgendwo Rauch aufsteigt, weil die Nebelmaschinen zum letzten Mal getestet werden. Und natürlich werden die letzten zehn Sekunden vor Beginn der Show gemäß dem Countdown, der auf dem auf dem LED-Schirm angezeigt wird, bis Null hinunter gebrüllt.
Später wird Sheeran sagen, dass er all das gehört und deshalb gleich gewusst hat, dass das eine toller Abend wird. Aber jetzt rockt er erst einmal los, während sich der LED-Ring in die Höhe hebt. Und zwar richtig laut – mit dem Song „Tide“, mit Gitarren, Bass, Drums, mit einer richtigen Band eben.
Berühmt geworden ist der Brite damit, dass er auch die großen Konzerte bisher immer als Solist mit einer Loop-Station bestritten hat. Doch für diese „Mathematics“-Tour wollte er für einige ausgesuchte Songs eine Band mitnehmen. Das hat jetzt zwar schön viel Energie, aber schon beim zweiten Song wird klar, dass dieses runde Bühnen-Setup dafür nicht ideal ist und der Sound bei der vollen Band-Power stark verhallt klingt, weil er von allen Seiten des Stadions zurückgeworfen wird.
Aber da ist die Band, die auf kleinen Podesten bei den schrägen Pfeilern positioniert ist, auch schon wieder weg, und die Zuseher bekommen Ed Sheeran wie sie in kennen und lieben. Nach dem mit der akustischen Gitarre vorgetragenen „I’m A Mess“ erklärt er, wie das mit der Loop-Stadion funktioniert, dass jeder Ton, den man zu hören bekommt, live gespielt, von der Loop-Station aufgenommen und wiederholt wird. Mit „Shivers“ demonstriert er das, spielt erst ein paar Takte eines geklopften Rhythmus ein, dann die Rhythmus-Gitarre darüber, dann noch ein Keyboard-Riff. Schon klingt es, als wäre es eine Band, zu der er zu singen beginnt.
Dabei springt er vom Hebepodest in der Mitte der Bühne auf einen sich darum herum drehenden Ring, so dass er beim Singen so nah wie möglich beim Publikum ist und das durch die Drehung im ganzen Rondeau des Stadions. Als er dann mit „A-Team“ und „Castle On The Hill“ zwei seiner größten Hits anstimmt, erreicht die Stimmung einen ersten Höhepunkt.
Die flacht dann zwar bei ein paar weniger bekannten Songs wieder leicht ab, aber Sheeran beweist, dass er nicht nur ein brillanter Musiker, sondern auch ein versierter Entertainer ist, der weiß, was jetzt gefragt ist: Bei „Give Me Love" bringt er die Massen dazu, zweistimmig einen „Gospel-Chor“ zu imitieren.
Die Band kommt wieder, und gemeinsam spielen sie ein Medley von Sheerans rhythmischeren Songs. Zwischendurch erzählt der 31-Jährige, was ihm die Songs bedeuten, die er bei der Geburt seiner Töchter gehört hat. Er erinnert an die Zeiten, als er zu Beginn der Karriere vor fünf Leuten gespielt hat, und erklärt grinsend, nachdem er mitten in einem Song niesen musste, dass das bestimmt das Erste ist, was in den Sozialen Medien auftauchen wird.
Neben der Musikalität von Sheeran, ist es auch diese liebenswert unaufgeregte Bühnenpräsenz, die seine Konzerte immer zu einem speziellen Abend machen. Und natürlich die Welthits, die jetzt kommen – pur und wieder ohne Band: Bei „Photograph“, „Perfect“ und „Afterglow“ ist die Stimmung erneut elektrisierend.
In der Zugabe zeigt der sympathische Rotschopf mit seinem größten Hit „Shape Of You“ und dem Rap-Song „You Need Me, I Don’t Need You“ dann noch einmal, dass er nicht nur mit melodiösen Balladen mitreißen, sondern auch ganz ohne Band nur mit Loop-Station und Akustik-Gitarre furioses Rockfeeling verbreiten und 65.000 Leute in einem Stadion in Bann halten kann - und zwar wie fast immer an diesem Abend bis in die letzten Reihen am obersten Rang.
Für das zweite Wien-Konzert im Ernst-Happel-Stadion am Freitagabend gibt es noch Karten.
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