Afrikas Jungfußballer als Ware: Raymond Thiry spielt den Verbandsboss, Birgit Minichmayr die Aufdeckerin, Tom Wlaschiha den Agenturchef

Birgit Minichmayr: "Mich zieht dieser Ball nicht an"

Birgit Minichmayr spielt im internationalen Serienprojekt „Das Netz“ eine Anwältin, die auf üble Machenschaften im Fußball stößt. Die Serie „Spiel am Abgrund“ startet am Donnerstag (3.11.) in der ARD (20.15 Uhr).

„Du kannst nicht einfach so drauf losmarschieren“, sagt Lea Brandstätters Kollegin.

„Doch!“, sagt Lea Brandstätter

Sie ist eigentlich Strafverteidigerin. Doch von einem Tag auf den anderen wird sie in der achtteiligen Serie „Spiel am Abgrund“ zur Ermittlerin in eigener Sache.

Birgit Minichmayr legt in diese Rolle viel Impulsivität und Widerstandsgeist hinein, allerdings auch Verletzlichkeit. Denn es geht um das Vorleben von Leas Verlobtem David, der plötzlich bei einem Unfall stirbt – kurz nachdem er bei einem Matchbesuch einem Journalisten brisante Infos zustecken wollte.

Minichmayr erklärt: „Sie kann nicht verstehen, wie das passieren konnte und entdeckt Schattenseiten ihres Freundes, von denen sie keine Ahnung hatte. Im Versuch, aufzuklären, was er eigentlich wirklich gemacht hatte, wird sie immer mehr reingezogen in diese komplexen, korrupten, merkantilen Machenschaften des Fußballs.“

Das Netz - Spiel am Abgrund

Lea (Birgit Minichmayr) und ihr Verlobter, David Winter (Itay Tiran)

©ARD Degeto/Sommerhaus Serien Gmb / ArD

Da der Verstorbene ein erfolgreicher Talentesucher im Fußball war, begibt sich Lea auf ein Terrain, das ihr zuvor überhaupt nicht bekannt war.

„In dieser Hinsicht sind ich und die Figur relativ deckungsgleich“, sagt Minichmayr mit einem Lachen. „Ich suche die Rollen nicht danach aus, ob die Schnittmenge groß ist, aber ich fand es angenehm, dass sie auch keine Ahnung hat von Fußball.“

Fußball statt Schmusen

„Ich mach’ zwar total gern Sport, aber ich hab keinen Zugang zu Sport anschauen“, sagt sie. Dabei sei im Elternhaus nahe Linz oft Fußball gelaufen. „Nein, mich zieht dieser Ball nicht an. Ich wurde immer furchtbar grantig, wenn wir uns als Jugendliche im Wirtshaus oder im Kulturzentrum getroffen haben, und da ein Tischfußball herumstand. Weil ich wusste: Irgendwann sind alle weg und stehen um diesen g'schissenen Tisch und keiner redet mit mir und keiner will mit mir schmusen. (lacht)“

Es wird Minichmayr also nicht schwerfallen, die WM in Katar auszulassen. Aber: „Es ist für mich als Nicht-Fan umso fragwürdiger, wie es sein kann, dass man die WM in einem Staat austrägt, der mit unseren Vorstellungen von Menschenrechten nix am Hut hat. Und da frage ich mich, wie so etwas sein kann, außer, dass irrsinnig viel Bestechungsgeld in irgendwelche Taschen geflossen ist. Wie sollte das sonst gehen?“

„Das Netz“ stößt wenige Wochen vor dem Ankick am 20. November in die allgemeine Skepsis hinein, mitten im Winter eine WM in einem Land auszutragen, das kein allzu interessanter Markt für den Weltfußball sein kann.

Wüsten-WM

Lea Brandstätter (Birgit Minichmayr) bildet ein ungleiches Team mit dem grobschlächtigen Ex-Hooligan Marcel Fork (Max von der Groeben)

©Stephan Rabold

In der fiktiven Serie heißt der Weltverband WFA, und es findet ebenfalls in einem Wüstenstaat eine WM statt. Verbandsboss Jean Leco, gespielt von Raymond Thiry, betätigt sich nicht nur im deutschen Strang „Spiel am Abgrund“ als macht- und geldgieriger Strippenzieher, sondern taucht auch in den anderen „Netz“-Serien „Prometheus“ (Österreich, ServusTV) und „Power Play“ (Italien) auf.

Dass Ex-Burgtheaterchef Matthias Hartmann das Konzept entwarf, war für die Burgschauspielerin nicht der Impuls, den ersten Schritt in den Serienkosmos zu wagen. Es war Regisseur Rick Ostermann, der auf sie zukam.

Minichmayr erzählt: „Am Anfang war das so konzipiert, dass ich eine Fußballtrainerin spielen hätte sollen. Als ich das meinen Freunden erzählt habe, haben die schallend gelacht, weil ich wirklich sehr dünne Beinchen habe. Die haben gesagt: Das glaubt man dir nie!“ Erst dann sei ihre Rolle als Strafverteidigerin entworfen worden, „und dass sie Menschenhandel zum Thema machen. Es geht um Fußball-Agenturen, die Kinder nach Europa locken, um in ihnen den neuen Messi zu finden und die dann schnell wieder fallen gelassen werden. Das ist leider keine Fiktion, das ist alles gut belegt.“

Theaterkrise

Auch keine Fiktion ist, dass die Theater derzeit an Besuchermangel leiden. Minichmayr, die ab 25. November in Dostojewskis „Dämonen“ am Burgtheater zu sehen ist, meint: „Es gibt auch Sachen, die ausverkauft sind. Aber ich glaube, dass wir die Konsequenzen der Pandemie spüren. Viele haben ihr Kino zu Hause und sich dort Serien reingezogen. Viele haben sich vielleicht daran gewöhnt.“

Sie verstehe absolut eine Form von Versammlungsangst, die Pandemie sei „auch nicht vorüber“. Daher trage sie Maske, wenn sie selbst ins Theater gehe, wie zuletzt zu „humanistä!“ im Volkstheater. Sie fand den (ausverkauften) Abend „unfassbar toll“ und plädiert dafür, mit dem für geringe Auslastung kritisierten Volkstheater-Chef Kay Voges Geduld zu haben: „Man sagt immer, es braucht zwei, drei Jahre, bis am Theater etwas zusammenfindet.“

Und: „Natürlich überlegen die Leute jetzt: Kaufe ich mir Theaterkarten oder zahle ich damit die Stromrechnung? Das wird wahrscheinlich auf uns alle zukommen.“

Darum geht es in der Serie

Die Welt von Lea Brandstätter, einer Berliner Rechtsanwältin, wird auf den Kopf gestellt, als ihr Verlobter David vor ihren Augen in seinem Jaguar verbrennt. Lea findet heraus, dass David, ein gefragter Spieler-Scout, von korrupten Vorgängen im internationalen Fußball-Business wusste – und dafür offenbar mit seinem Leben bezahlen musste. Ein weiterer Todesfall scheint damit in Zusammenhang zu stehen: Der Freund des Hooligans und Ex-Knackis Marcel wurde beim selben Match von Union Berlin (derzeit pikanterweise im Spitzenfeld der Deutschen Bundesliga) getötet.

Die Suche nach der Wahrheit schweißt Lea und Marcel zu einem ungleichen Team zusammen – Birgit Minichmayr und Max von der Groeben glänzen in ihren Rollen. Ihre Ermittlungen zeigen, dass Davids Agentur Talente aus Afrika unter widrigsten Umständen nach Europa bringt.

Agentur-Chef Richard Felgenbauer (Tom Wlaschiha) taucht übrigens in allen drei Serien auf, ebenso „WFA“-Verbandsboss Jean Leco (Raymond Thiry), der für die Schaffung der lukrativen „World League“ offenbar über Leichen geht.

INFOS: Die achtteilige Serie startet am Donnerstag, 3. 11. (20.15 Uhr) in der ARD. Auf ServusTV bereits ab 1. 11. (21.50 Uhr) und alle Folgen im Stream auf Servus On

Peter Temel

Über Peter Temel

Seit 2009 beim KURIER. Zunächst Entwicklung des Kultur-Themenangebots auf kurier.at. Später bei härteren Themen der Innen- und Außenpolitik angelangt, dann Aufbau und Gestaltung des Satire-Portals "KURIER mit Schlag". Aktuell wieder im Kulturbereich verankert und mit Freude TV-Tagebücher schreibend. Habe eigentlich immer "was mit Medien" gemacht, Geschichte und Philosophie studiert. Privat stehen Fußball, Skifahren, Wandern hoch im Kurs.

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