Chromjuwelen: Oldtimer-Experte zeigt seine rollenden Schätze

In Gramatneusiedl in Niederösterreich befindet sich ein Fuhrpark auserlesener Oldtimer: Ihr Hüter ist Jackob Barnea, begeisteter Hochzeiter und Hüter eines Automobilmuseums bei Wien.

Mmhhh, wie das duftet! Eine Melange aus Benzin, Öl, altem Leder, poliertem Chrom und prall gefüllten Pneus kitzelt die Nase. Aber, was heißt "eine"? Dieser anregende Geruchscocktail wird im Oldtimertreff Wien und im Automobil- und Motorradmuseum in Gramatneusiedl in Niederösterreich gleich hundertfach ausgegeben. Autos mit dem Charme des alten Blechs, wohin das Auge blickt. Dort ein elfenbeinfarbener Jaguar E-Type aus den sexy Seventies, hier ein Rolls-Royce Silver Wraith aus dem Jahr 1949 und, was ist das da, ein Rosengart, Baujahr 1938? Nie davon gehört.

Wer hat denn diese Schätze zusammengetragen? Wohl dieser Herr mit dem sorgsam gepflegten Spitzbart: Jackob Barnea, ein studierter Mediziner, notorischer Sammler und sympathischer Geschichtenerzähler. Mögen manche Automobil-Enthusiasten sich über einen Neuwagen für den Alltag und einen Oldie für die besondere Ausfahrt freuen, verfügt er über viele Dutzend Fahrzeuge, die Liebhabern automobiler Extravaganz ein Lächeln auf die Lippen zaubern. "Ich sage immer: Am Anfang kauft man zwei, einen männlichen und einen weiblichen Oldtimer, und die vermehren sich dann", erklärt der stattliche Hüter vergangener Fahrkultur verschmitzt.

Historisch mobil im Film

"240 Stück werden es schon sein", so Barnea. "Etwa 80 davon sind angemeldet, für Hochzeitsfahrten und besondere Anlässe." Filmaufnahmen zum Beispiel. Vier seiner Sammlerstücke durften jetzt für die sechsteilige ORF-ARD-Serie "Kafka" unter Scheinwerferlicht vorfahren. Die von David Schalko inszenierte Miniserie wird im kommenden Jahr aus Anlass des 100. Todestages des Autors ausgestrahlt. Zu sehen wird dabei auch ein Mann mit Spitzbart sein, gekleidet in eine Uniform aus der Kaiserzeit.

Oldtimertreff in Gramatneusiedl

©Kurier/Gilbert Novy

"Anfang März durfte ich dafür in der Wiener City einen Cadillac aus dem Jahr 1908 lenken“, berichtet der Benzinbruder aus Leidenschaft und Profession. Was ihm dabei besonders auffiel: "Wieder einmal wurde ich davon überzeugt, dass Oldtimer eine besondere Magie auf unsere Mitbürger ausüben." Das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Studie des Kuratoriums Historische Mobilität Österreich zu der Einstellung zu historischen Fahrzeugen. Neunzig Prozent der Österreicher, so der Befund über die Bedeutung des "rollenden Kulturguts", "freuen sich, wenn sie einen Oldtimer auf der Straße sehen".

Abschleppen für ein Foto

Jackob Barnea würde sich jetzt auch gerne freuen, aber der V8-Motor des elegant zweifärbig lackierten Cadillac, Bj. 37, den er aus der Halle der ehemaligen Seidenfabrik auf die grüne Wiese chauffieren möchte, will und will nicht anspringen. "Der wurde so gebaut, dass man mit Zylinder einsteigen konnte", erzählt er. Jetzt aber brauchen wir keinen Zylinder, sondern ein Abschleppseil. Die Batterie streikt. Kein Problem. Das charmante alte Blech wird von einem Alltagsfahrzeug ins Freie gezogen, das Shooting der automobilen Schönheit kann beginnen.

Dem bevorstehenden Aus für neue Verbrenner sieht der Oldie-Experte jedenfalls gelassen entgegen. Autos wird es immer geben, ist er der Ansicht. "Früher", so Barnea, "ging es auch nicht ohne Pferde." Und vielleicht erhellt die totale Neuorientierung der Mobilität ja auch den schwindenden Glanz des alten Blechs. "Irgendwann gibt es diese Autos nicht mehr auf der Straße, dann denken sich die Leute vielleicht: Ich schaue mir das im Museum an." Oder bei berühmten Oldtimer-Ausfahrten wie der Mille Miglia. Die letzte Ausgabe geht gerade heute, am 17. Juni, zu Ende.

Luxus im zweiten Lack: "Dieser Cadillac fährt sich wie ein moderner Wagen"
 

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Mit dabei auch die österreichische Kfz- und Oldtimer-Sachverständigen-Legende Franz Steinbacher – mit einer Alfa Romeo Giulietta Sprint aus dem Jahr 1956. Nicht nur als ehemaliger Mechaniker der Squadra Abarth kennt er die Szene wie aus dem Effeff. Vor Kurzem hat er ein Seminar zum Thema "Oldtimer – Forensik – Moderne Technik zur Wertsicherung automobiler Geschichte" in seiner Oldtimerhalle im niederösterreichischen Wolkersdorf veranstaltet. Und er meint: „Es sind immer mehr Replikate auf dem Markt, denn je höher die Preise, desto mehr Fälschungen tauchen auf.“

Ein Ledl! Der Austro-Flitzer wurde von 1981 bis 1987 in Tattendorf produziert

©Kurier/Gilbert Novy

Im Fonds von Barneas mobilen Preziosen tauchen hingegen gerne andere Täter auf, Wiederholungstäter. Ein Brautpaar, das 1995 im weißen Rolls-Royce zur Hochzeit chauffiert wurde, deponierte nach 25 Jahren den Wunsch, zur Silbernen Hochzeit in derselben Luxus-Limousine gefahren zu werden. "Sie bekamen nicht nur das gleiche Auto", schmunzelt der beste Mann für nostalgische atmosphärische Ausfahrten, "sondern auch den gleichen Chauffeur."

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"Emily – Spirit of Ecstasy": legendäre Kühlerfigur von Rolls-Royce
 

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