Es gibt noch eine Neuheit: Sie singen demnächst erstmals in Wien an der Staatsoper.
Ja, es ist unglaublich. Ich habe schon so oft in Wien gesungen, im Musikverein, sicher 25 oder 30 Male. Aber noch nie an der Staatsoper, jetzt nach 35 Jahren meiner Karriere ist es soweit und ich freue mich riesig darauf.
Wieso kommt es erst jetzt dazu?
Der damalige Direktor Ioan Holender und ich hatten, wie soll ich das sagen, vielleicht nicht die richtige Chemie miteinander.
Mit Bogdan Roščić aber schon?
Ja, wir sprachen darüber, dass wir Rossini in Wien feiern sollten. Denn so viele lieben seine Musik, die junge wie die ältere Generation. Überall, wo er hinkam, drehten die Leute durch. Also kamen wir auf die Idee zu einem Rossini-Festival, mit Aschenputtel oder „Il turco in Italia“. Ich freue mich sehr darauf.
Sie sind einmal als Conchita Wurst aufgetreten, mit einem Bart.(lacht)
Ja. Sehen Sie, ich bin doch auch ein Mann! Für uns alle war das eine Überraschung. Ich sang „Ariodante“ in Salzburg, das ist ein männlicher Charakter. Man wollte mich in einem männlichen Erscheinungsbild, also klebten wir einen Bart auf – ab diesem Moment war das der Spaß des Monats, dass ich wie Conchita aussehe. Aber das Ganze hat auch einen geschichtlichen Hintergrund, es ist nämlich Teil des Barocks, wenn Männer weibliche Charaktere darstellen. Farinelli etwa sang Cleopatra. In der Barockzeit hatte man da viel mehr Freiheiten.
Meinen Sie, das ist etwas, das wir aus dem Alten für das Neue lernen können?
Oh, ja. Wir können daraus viel lernen über Freiheit in der Art des Auftritts. Im Barock gibt es noch ein wesentliches Element: Improvisation. So wie man es in der Jazzmusik oft erlebt. Auch das gibt einem Freiheit. Man braucht starke Musik, um Improvisation überhaupt möglich zu machen, und eine gute Ausbildung. Im 18. Jahrhundert haben Sänger nicht nur gesungen, sie konnten oft auch mehrere Instrumente spielen und Musik komponieren. In der Romantik ist vieles vorgegeben. Auf der einen Seite ist das gut, weil es eine klare Struktur gibt, doch auf der anderen Seite verliert man dadurch Freiheit.
Ob Barock oder Romantik: Die große Oper braucht immer eine große Inszenierung, was braucht man dafür?
Einen Regisseur, der die Menschen entdecken lässt und ihnen eine neue Dimension des Stücks eröffnet. Wenn man es schafft, das Publikum zum Nachdenken zu bringen. Gerade das kann Oper einem geben: Gedanken miteinander zu teilen. Das ist Nahrung für die Seele.
Was ist mit Glamour? Auch das fasziniert das Publikum.
Schon, aber Glamour ist heutzutage überall – in der Mode, in der Technik, in der Gesellschaft. Wir sind in der Oper Performer und stehen zwischen Komponist und Publikum. Wir müssen also lesen und verstehen, was der Komponist im Sinn hatte. Wenn man Mozart hört, denkt man sich, das ist nicht von einem Menschen gemacht, sondern von Gott. Das ist keine menschliche Dimension, sondern wie von einem anderen Planeten.
Brauchen wir in Zeiten von Krisen mehr Stücke mit Optimismus?
Ja, wir haben das in Salzburg gesehen: Beim „Barbier von Sevilla“ von Rossini, es ist eine komische Oper, explodierten die Emotionen beim Publikum. So eine Art von Oper gibt einem das Gefühl, das Leben kommt wieder zurück. Es war überwältigend.
Was geben Sie jungen Menschen mit, die in die Opernwelt einsteigen möchten?
Nicht über die Karriere nachzudenken, das ist nämlich etwas, das sein kann, aber nicht unbedingt kommen muss. Der Grund für so einen beruflichen Weg muss immer die Leidenschaft zur Musik sein. Will man reich sein, sollte man Popstar werden. (lacht)
Auch das persönliche Glück kann reich machen. Wie ist das in Ihrem Leben, wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Mit meiner Familie zu Hause zu sein, das mag für manche Menschen langweilig klingen (lacht), für mich ist es Luxus! Simple Dinge machen mich glücklich. Wir reisen so viel. Daheim zu sein, zum Markt zu gehen, frische Lebensmittel zu kaufen und sie dann anschließend auch zu kochen ist für mich ein Genuss.
Ihr Lieblingsgericht?
Jedenfalls saisonal, Gemüse und natürlich Pasta – eh klar.
Zur Person
Cecilia Bartoli wurde 1966 in Rom geboren, ihre Eltern waren Opernsänger. Ihren ersten Auftritt hatte sie in Puccinis Tosca als Neunjährige, der internationale Durchbruch gelang 1988 an der Pariser Oper bei einer Hommage an Maria Callas. Seit 2012 leitet sie die Salzburger Pfingstfestspiele, ab 2023 auch das Opernhaus in Monte-Carlo.
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