Wem wir die heutige Form des Bleigießens verdanken

Erwin Perzy revolutionierte 1900 in Wien mit einem Zinngemisch eine mittelalterliche Tradition.

Erst ein silbernes Schwammerl, dann eine zähe Flüssigkeit und schließlich ein unförmiger Klumpen mit Spitzen und Kugeln dran, von dem niemand so recht weiß, was er darstellen soll. Und dann ganz viel Freude am Interpretieren. Der Hype ums Bleigießen ist trotz Verbots (siehe Infobox ) ungebrochen – neuerdings gießt man eben Zinn oder Wachs.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Tradition, die schon im Mittelalter en vogue war, neu erfunden wurde. Für eine regelrechte Innovation sorgte im Jahr 1900 der Chirurgieinstrumentenmechaniker Erwin Perzy. Wien-Kennern ist er als Schöpfer der international bekannten „Original Wiener Schneekugelmanufaktur“ ein Begriff.

Perzy beobachtete seine Schwestern, wie sie versuchten, für das silvesterliche Ritual Bleikugeln zu schmelzen, ein damals übliches Material.

„Der Schmelzpunkt bei diesen Kugeln lag bei 327 Grad. Um sie über einer Kerze zum Schmelzen zu bringen, musste man sich also schon wirklich anstrengen“, erklärt Erwin Perzy, – natürlich nicht der Erfinder selbst, sondern sein Enkel.

Erwin Perzy III. produziert im 17. Bezirk nicht nur Schneekugeln, sondern führt auch das Geschäft seines Großvaters fort – mittlerweile sind die Figuren aber aus reinem Zinn   

©FREMD/Deutsch Gerhard

Bleigieß-Verbot

EU-Richtlinie
Bleigießen ist wegen einer EU-Richtlinie seit 2018 nicht mehr erlaubt. Damals wurden Grenzwerte für Produkte mit Blei festgelegt. Diese dürfen nur noch 0,3 Prozent Blei enthalten. Dieser Wert wird bei Bleigieß-Sets um ein Vielfaches überschritten. Laut Stiftung Warentest beinhalten diese nämlich 71 Prozent Blei  

Alternativen
Mittlerweile wird auf Zinn oder Wachs zurückgegriffen. Bei der Interpretation, was man nach dem Gießen in Händen hält, darf man nach wie vor kreativ sein. Ein Schiff soll für eine Urlaubsreise stehen, Kränze und Ringe für eine anstehende Hochzeit und bei Sternen ist einem im kommenden Jahr in allen Bereichen das Glück hold 

Perzy (der Großvater) erfand nicht nur eine leichter schmelzbare Blei-Zinn-Mischung, sondern hatte zudem die Idee, diese vor dem Gebrauch in Form eines Glückssymbols zu bringen. Das erste verschenkte Symbol, eben für die Schwestern Perzys, war ein Stollen, also ein Hufeisen-Nagel für Pferde. Früher glaubte man, dass es Glück brächte, wenn man einen solchen auf der Straße fand.

Begeisterte Freunde

Auch dass die Figuren dank Perzy innen hohl sind, trägt wesentlich zum (kurzen!) Schmelzvergnügen bei. Er verschenkte weitere Blei-Zinn-Glückssymbole an seine Freunde. „Diese waren so begeistert, dass sie sagten ’Heast, Erwin, das musst du verkaufen’“, erzählt Enkel Perzy.

Der genaue Wortlaut der Unterhaltung ist allerdings nicht überliefert. Der Erfinder vertraute jedenfalls dem Rat seiner Freunde. Die Gießfiguren (mittlerweile aus reinem Zinn) und andere Glücksbringer wie Gummischweine werden bis heute von der Firma „Silvester Peter“ hergestellt.

Das Hauptgeschäft ist in Österreich, aber jährlich „verschicken wir auch ein paar Sackerl nach Los Angeles“, sagt Erwin Perzy. Dort gibt es eine österreichische Gemeinschaft, die auf den heimischen Brauch nicht verzichten möchte.

Bei Anruf Glück

Die Perzys haben sogar einen eigenen Silvesternotdienst für Wiener Standler eingerichtet, denen die Glücksbringer ausgehen: Dieser ist ab sofort bis zum 31. Dezember unter 01/216 43 83 zu erreichen. Für genug Glück muss schließlich gesorgt sein.

Agnes Preusser

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