Sternsinger

Blackfacing, Likör und knallende Türen beim Sternsingen

Als Schminke Pusteln hervorrief und Hausbewohner nicht daheim waren, wie sie höchstselbst mitteilten. Eine Rückschau.

"I bin ned dahoam!" Solch wundersame Sätze hören junge Menschen schon einmal aus einem Fenster im ersten Stock, wenn sie in Richtung Haustür stapfen, um Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln.

Erkenntnisse wie diese, dass nicht anwesende Menschen trotzdem vor Ort sprechen können, machen gerade wohl wieder einige, die gerade als Sternsinger unterwegs sind - heuer unter Einhaltung der Corona-Regeln. Wer in der Vergangenheit als Kind als Caspar, Melchior, Balthasar oder Sternträger selbst von Haus zu Haus zog, musste zwar nicht mit Masken singen, aber beschwerlich war das mitunter auch. Und es folgte die Einsicht, dass auch reiche Könige schwer schuften müssen. Jetzt gibt es sicher einige, die sagen: "Ha, Fake News, das waren doch gar keine Könige, sondern Sterndeuter." Stimmt, aber so eng wollen wir das nicht sehen und schön gewandet sind sie allemal - Könige und Sterndeuter.

Viele Abfuhren

Aber gülden-glänzende Umhänge und farbenprächtige Turbane sind kein Garant, überall auf Begeisterung zu stoßen. Der ausgeflogene Daheimbleiber war in den Neunzigern in einer oberösterreichischen Landgemeinde nicht der Einzige, der keine Lust auf die Gesänge und Verse der drei Weisen aus dem Morgenland hatte. In einem Haus mit drei Parteien gab es gleich drei Mal eine prächtige Abfuhr.

Bei der ersten Wohnung stand eine Dame im Peggy-Bundy-Gedächtnislook - lockiges Haar und mit Zigarette im Mundwinkel - in der Tür. Wohl weil beim Kochen gestört, hielt sie ein Messer in ihrer Hand. "Ich bin heute noch nicht zur Bank gekommen", sagte sie, nahm einen Zug von der Zigarette und schloss ihre Pforte. Der junge Herr an der nächsten Tür war sehr freundlich: "Läutet doch da drüben an", riet er in nettem Ton, deutete auf die nächste Tür und verzog sich wieder in seine Wohnung. In freudiger Erwartung wurde bei der nächsten Pforte ein herrliches "Halleluja, Halleluja, die Heilig`n drei Kenig san do" angestimmt. Derweil öffnete eine Dame, während des Öffnens kam ihre ein "ah" über die Lippen - und die Türe flog zu. 

©APA/dpa/Rolf Vennenbernd

Anderes Mehrparteienhaus, aber nicht mehr Glück. Eine Dame im Pyjama öffnete. Sie hörte sich ein paar Akkorde des Gesangs an. Ihr Gesichtsausdruck zeugte nicht von großer Begeisterung. Sie sah verzwickt und verschlafen aus. Die Dame rieb sich dafür umso intensiver die Augen - und schlug die Tür mit einem Elan zu, den man ihr bei diesem Anblick nicht unbedingt zugetraut hätte. 

Rassismus-Vorwurf

Jene, die das Türrumsen auslösten, hatten in den 90ern noch beschmierte Gesichter. Sie glänzten in Lackschwarz, in Braun und Knallgelb. Seit geraumer Zeit verzichtet man großteils auf diese Schminke, der Vorwurf von Blackfacing und Rassismus steht im Raum. In den USA  bemalten weiße Menschen im 18. und 19. Jahrhundert ihre Gesichter schwarz, um sich in "Minstrel Shows" über Schwarze Menschen lustig zu machen. Die Initiatoren der Sternsinger-Aktion haben das Schminken überdacht, weisen jedoch den Rassismus-Vorwurf zurück. „Der Brauch ist entstanden, da die Heiligen Drei Könige alle Menschen auf der Welt darstellen sollen. Damals gab es drei bekannte Erdteile“, sagte er Vorsitzende der Katholischen Jungschar, Martin Hohl, im Vorjahr dem ORF.

Auch abseits dieser Debatte hätte man sich die Verwendung der Schminke abschminken können. Die Farbe verklebte die Poren, war tagelang - trotz der intensiven Verwendung von Nivea und Wattepads zu sehen. Sie ließ das Gesicht anschwellen und sorgte für Pusteln - als ob man bei beginnender Pubertät nicht ohnehin mit Pickeln zu kämpfen hätte. Und das prachtvolle Gewand der Sterndeuter musste auch regelmäßig in die Reinigung. Ein Windstoß von hinten - und der Umhang flatterte nach vor, wo er im pickigen Gesicht hängenblieb und einen farbigen Abdruck bekam.

Besonders in Erinnerung blieben jene, die gleich mehrere picksüße Liköre kredenzten.

Es gab aber auch Erfreuliches. Likör, zum Beispiel. In den finalen Jahren des Sternsingens waren viele in einem Alter, in dem Alkohol eine gar wundersame Faszination auszuüben begann. So mancher Bauer packte seinen Nussgeist aus: "Na, wollt's ein Stamperl?" Wer wollte da nein sagen? War doch cool, vor allem wenn das erlaubte Trinkalter von 16 Jahren noch einige Jährchen entfernt war. Besonders in Erinnerung blieben jene, die gleich mehrere picksüße Liköre kredenzten (und das Herumziehen sogleich beschwingter machten). Die Vorfreude auf einen Besuch war groß, umso größer die Enttäuschung, als der Herr über das picksüße Zeug gerade nicht daheim war (der war wirklich nicht da). Glücklicherweise wusste dessen Tochter, wo die edlen Tropfen standen. Die Erleichterung schien den jungen Burschen ins Gesicht geschrieben. "Die ganze Zeit reden sie nur davon", seufzte die einige Jahre ältere Begleitperson, die sich ohnehin schon über frühpubertäres Burschengehabe ärgerte, entnervt in Richtung der edlen Spenderin.

Symbolbild

 

©Getty Images/iStockphoto/Matejay/iStockphoto

Eine adoleszente männliche Begleitperson wurde lange bis aufs Blut sekkiert. Einer der Sternsinger, konnte einen Blick auf seine SMS an seine Liebste erhaschen. Seitdem wurde er Schnudler genannt. Das und einiges mehr brachte dann sein Blut so sehr in Wallung, dass er einem Sternträger den Stern aus der Hand riss und ihn damit quer über eine Einfahrt jagte. Unterdessen ging im Haus dahinter die Tür auf. Würdevoll werden die Bewohner das Treiben, das sich vor ihnen abspielte, eher nicht gefunden haben.

Der Herr Pfarrer war aber Diabetiker und hätte das eigentlich gar nicht genießen sollen. "Nichts der Mutter sagen", bat er dann.

Beim Herrn Pfarrer, der zwar keine große Autorität war, hätte man sich so etwas trotzdem nicht getraut. Dieser packte die drei Könige, den Sternträger und den Stern in sein Auto und fuhr damit zu den Bauerhöfenn am Ortsrand. Was das Stamperl für die Sternsinger, war der Most für den Geistlichen Rat. Der bekam den vergorenen Fruchtsaft in Bauernstuben vorgesetzt. Und auch kalter Schweinbraten wurde oft dazu gereicht. Der Herr Pfarrer war aber Diabetiker und hätte das eigentlich gar nicht genießen sollen. "Nichts der Mutter sagen", bat er dann. Denn seine Frau Mama, die auch die Rolle der Pfarrersköchin einnahm, war  eine große Autorität. 

Aber die Gastfreundschaft war eben groß. Und so durfte man auch ins Innere der Häuser. Für geruchsempfindliche Jungnasen war so ein Odeur, das in manch feucht-warmer Stube herumwaberte, eine Herausforderung. So konnte es passieren, dass das Aufsagen oder Singen des Textes von Würgegeräuschen begleitet wurde. Und dann war man selbst einer von denen, die beim Hinausgehen gerne die Tür zuschlagen.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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