Mit der Himmelsleiter ging es für Billi Thanner nach oben

Die Künstlerin prägte mit ihrer Installation am Stephansdom das nächtliche Wiener Stadtbild. Welche Reaktionen sie bekommt, seitdem das Stück fort ist und was sie plant.

Mehr als ein Jahr leuchtete die zweiteilige Kunstinstallation Himmelsleiter neongolden am und im Wiener Stephansdom. Im Sommer wurde sie entfernt, was nicht wenige bedauerten. Die Leiter machte ihre Schöpferin Billi Thanner zur Stadtberühmtheit.

Ihre Himmelsleiter ist nun im deutschen Münster. Welche Reaktionen bekommen Sie, seitdem die Installation weg aus Wien ist? 
Billi Thanner: Es muss etwas Magisches in dem Licht sein, wenn man melancholisch und traurig wird. Menschen fragen gerade jetzt in der Weihnachtszeit, warum die Leiter weg ist. Ich kann mich erinnern, als in Salzburg Menschen über die Mozart-Statue von Markus Lüpertz schimpften und sie weghaben wollten. Kunst darf und soll provozieren. Aber umgekehrt ist das eher selten, dass man schreit: Kunst muss bleiben.
Warum waren die Menschen in Wien so fasziniert davon?
Ich kann nicht erklären, warum die Menschen die Leiter so gemocht haben. Aber ich vermute, es ist der Blick nach oben, die Suche nach Hoffnung. Und die Suche nach Wärme. Wir zünden uns auch eine Kerze an, wenn es im Winter finster ist. Ich hörte einmal, wie ein kleiner Bub von seinem Vater wissen wollte, wie die leuchtende Leiter auf den Turm gekommen ist. Der Mann sagte: Das ist das Licht, das war schon immer da. Licht war vor uns hier und wird immer Positives in uns Menschen wecken.

Billi Thanner vor dem Wiener Stephansdom mit der Himmelsleiter

©PHOTO-ART-DESIGN/ @Sandra
Sie bekamen in Münster wieder große Aufmerksamkeit. Und dann kam der Gipfel der G7-Außenminister noch dazu.
Ich dachte, die Himmelsleiter soll weiterleuchten. Es war eine glückliche Fügung, dass Münster angefragt hat. Die Geschichte der Stadt war mir gar nicht so bewusst. Aber sie ist seit mehr als 300 Jahren eine Friedensstadt. Hier wurde der Westfälische Frieden geschlossen, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Der Oberbürgermeister zeigte die Leiter beim G7-Gipfel im November her und bezeichnete sie als Symbol des Friedens. Die G7 wird ja auch kritisiert. Ich konnte nichts dagegen sagen. Wenn es um den Frieden geht, sage ich sicher nichts.
Es wurde Kritik an der Himmelsleiter laut. In Zeiten steigender Strompreise sei sie das falsche Symbol.
Auf Social Media ging es viel um die Energiekosten. Das ist natürlich ein großes Thema. Jetzt wollen die Münsteraner die Leiter nicht mehr hergeben. Wir haben ausgerechnet, dass sich die Stromkosten für die LED-Leisten in einer Nacht auf 55 Cent belaufen. Das kostet so viel wie am Abend fernsehen. Ein Kunstsammler aus Wien bot sich an, die 350 Euro Stromkosten zu bezahlen.

Die Himmelsleiter im Wiener Stephansdom

©APA/HERBERT NEUBAUER
Die Himmelsleiter hat Sie berühmt gemacht. Bei der Vernissage zu Ihrer Ausstellung „Future & Symbolism“ waren hunderte Besucher. Wie fühlt man sich als neuer Star am Kunsthimmel?
Ich sehe mich überhaupt nicht als Star. Ich bin so dankbar, dass sich so viele Zeit für mich nehmen. Um ein Star zu sein, muss ich noch viel arbeiten, besser werden. Aber wenn 500 Gäste da sind, würde ich am liebsten alle umarmen. Und das tu ich dann auch. Zumindest viele. Aber für eine Stadt wie Wien waren die Dimensionen schon sehr gigantisch und surreal. Und es ist schön, dass man mir auch von Kunstkollegen Respekt zollt. Ein Erwin Wurm war hier, der sonst nicht Ausstellungen anderer Künstler besucht.
Warum haben Sie sich entschieden, mit Licht zu arbeiten?
Eigentlich hatte ich schon lange viele Ideen für Lichtinstallationen. Die Frage war eher, wer zahlt das? Ich konnte es mir nicht leisten, Galeristen es nicht zahlen. Bei der Himmelsleiter gab es glücklicherweise einen Sponsor. Ganz ehrlich, was gibt es Schöneres als Licht? Man ist gezwungen, ständig hinzusehen. Licht fasziniert in der Kunst seit jeher. Klimt, van Gogh, Monet waren alle Meister des Lichteinfangens.
Welche Ideen haben Sie für die Zukunft?
Ich bin gerade dabei, eine leuchtende Doppelhelix fürs Rudolfinerhaus, ein Krankenhaus im 19. Bezirk, zu machen. Sie ist neun Meter hoch, zwei Meter breit. Die Skulptur steht im Wasser, weil wir Menschen Wasserwesen sind. Das wiegt wahnsinnig viel. Statisch war das wahnsinnig schwierig.
©Jenni Koller
Was passiert mit der Himmelsleiter?
Ich hoffe, sie kommt zurück, nachdem sie zum Friedenssymbol geworden ist. Sie passt in ein neutrales Land. Die Leiter muss nicht am Stephansdom prangen. Das wird sie wohl auch nicht mehr. Aber in Wien gibt es genug andere große, schöne Gebäude.
Zur Person

Zur Person

Billi Thanner wurde 1972 in Wien geboren. Sie ist seit den frühen 1990er-Jahren als bildende Künstlerin tätig. Ihre Werke umfassen Genres wie Malerei, Skulptur, plastische Intervention. Aber sie veranstaltet auch Performances – Mischungen aus Theater, Musik und Tanz. Im Zentrum ihres Werkens steht das Verhältnis  zwischen Mensch, Natur, Kunst und Gesellschaft.  Aktuell zeigt Billi Thanner Werke in der Ausstellung „Future & Symbolism“ im Palais Herberstein in der Wiener Herrengasse.

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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