Andreas Vitásek schaut zurück auf ein Komödiantenleben

„Ich bin der Andere“ unterhält, ohne kompliziert zu sein: Mit Nietzsche gesprochen, ist das die Oberflächlichkeit der Tiefe.

Immer wenn er sich zwischen Neugier und Moral entscheiden musste, gewann die Neugier. Ein abenteuerlicher Ritt über die Buckelpiste des Lebens ohne Wehmut und mit viel Platz für Ironie ist Andreas Vitáseks Selbstporträt „Ich bin der Andere“.

Eine „Sentimental Journey“ durch die Kindheit und Jugend in Favoriten und die Wiener Nachtszene der 70er-Jahre.

Ein Rückblick des Post-68ers, der für die Hippiezeit ein Eizerl zu spät dran war, aber die Ausläufer – Stichwort Arenabesetzung – noch miterlebt hat.

Eine Erinnerung an seinen früh verstorbenen Jugendfreund Niki List, durch den er 30-jährig zum Film kam und als Schauspieler mit „Müllers Büro“ einen Hit landete.

Ein humoriger Zustandsbericht über das Ich auf einem Selbstfindungstrip durch Europa und eine Schnupperstunde in der Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris, die ihm einen Rat fürs Leben gab: „Suche nicht dich selbst, du wirst niemanden finden.“ Und die das Fundament legt für die ersten Bühnenauftritte des Kabarettisten und Schauspielers.

Der stellt sich immer wieder Fragen, die den Geist geschmeidig halten: Was hätte sein können? Wie wäre meine Lebenslinie verlaufen, hätte ich zu bestimmten Zeitpunkten andere Entscheidungen getroffen?

„Oder: Würde man alles wieder so machen? Die meisten Leute sagen: Ja, natürlich“, so Vitásek im KURIER-Gespräch. „Ich sage: Natürlich nicht! Wenn ich die Wahl hätte, würde ich es ganz anders machen, einfach nur um zu schauen, wie das wäre.“

So wie damals bei der spontanen Idee, seine Hochzeitsnacht im Hotel Orient zu verbringen. „Am nächsten Morgen warteten wir einigermaßen derangiert vor dem Hotel auf ein Taxi, als gegenüber Michael Schottenberg, der einem Besucher aus Vorarlberg Wien zeigte, mit den Worten vorbeiging: „Das hier ist das älteste Stundenhotel Wiens … und davor steht ein Schauspieler von mir.“

Jetzt ist Vitásek 65. Kein Alter, sagen die einen. Ein Alter, sagen die anderen. „Aber so alt fühle ich mich nicht“, sagt er selbst, „weil ich mich jünger denke“ und kümmert sich rührend um seinen Mops Oskar – mit 15 Jahren wirklich ein Methusalem.

„Er sieht und hört nichts mehr und kann nur mehr eine kleine Runde gehen.“ Ein Bild, das ein wenig traurig macht.

Wie es uns auch einmal gehen wird? „Das ist schon ein bisschen eine Projektion“, sagt Vitásek. Aber man könne von Hunden viel lernen. Im Hier und Jetzt zu sein. Und in Würde alt zu werden. Dass das Leben als Mops freudlos sei, dem widerspricht er entschieden. Oskar führt ein langes, schönes und erfülltes Hundeleben. Hat Oskar ihm jedenfalls gesagt.

Die Rolle des Sympathlers verlässt der Kabarettist nie. „Relativ ehrlich“ habe er seine Biografie verfasst. Und diskret. Obwohl: „Auf ein paar Leute hätte ich schon hinhauen können. Einige Rechnungen sind offen geblieben. Aber vielleicht kommt das noch. Wer weiß, beim nächsten Buch.“

Derzeit befindet er sich im Modus Altersmilde.

Erinnerungen

Auch unter dem Aspekt, dass Freunde jüngst gestorben sind: „Reinhard Schwabenitzky war verbittert, weil sie ihn im ORF nicht wertgeschätzt, nicht gut behandelt haben. Er hat halt Unterhaltungsfilme gemacht. Aber es war gute Unterhaltung. Wien ist für Künstler manchmal schon ein hartes Pflaster.“

Oder der Schriftsteller Gerhard Roth. „Der war ein toller Mensch, ein wunderbarer Gastgeber“, sagt Vitásek. „Vor meiner Herzoperation im Jahr 2018, da ging es ihm auch nicht gut, saßen wir – zwei kranke Männer – beim Backhendelessen. Und er hatte einen Super-Weinkeller, aber durfte nichts mehr trinken.“

Mit 65 wollte sich Vitásek ein Sabbatical, vielleicht kein ganzes Jahr, doch eine Aus-Zeit nehmen: „Das wurde mir durch den Lockdown erfüllt. Nur wie das so ist: Man würde es gern selber entscheiden.“

Sein Plan war „herumzufahren und einen Monat lang in einer Wohnung oder einem Häuschen in einer französischen Kleinstadt zu leben und sich anzuschauen, was dort so passiert.“

Die blöde Pandemie hat’s vermasselt. Es kann ja vielleicht noch werden.

„Man macht im Leben manchen Fehler, manches hätte man gern ausgelassen“, sagt der Humorist im Rückblick, „aber eigentlich hat eh alles gepasst“.

Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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