Was sagt es über uns aus, wie wir uns in E-Mails verabschieden?

Viele Grüße? Hochachtungsvoll? Es steckt viel Botschaft darin, wie wir uns verabschieden.

Viele Grüße. Nie habe ich eine Verabschiedung weniger verstanden als diese. Ich verstehe nicht, warum es Grüße besser machen soll, wenn man sie dem anderen vervielfacht hinterherschickt. Ich halte „viele Grüße“ im Kern sogar für einen passiv aggressiven Akt. Der Absender versucht, mir auf unaufgeregt unauffällige Weise vor Augen zu führen, dass er mich zwar grüßt (weil die Höflichkeit es gebietet), aber keinesfalls mehr als das. Zu einem „liebe“ oder „herzliche“ hat es bewusst nicht gereicht, war sich da jemand sicher.

Für sich genommen ist es ja schon unsinnig, „Grüße“ überhaupt auszuschreiben. Denn man grüßt dann ja nicht wirklich, sagt nicht „Auf Wiedersehen“ oder „Tschüss“, sondern benennt die Geste, ohne sie aber auszuführen. Eigentlich täuscht man vor, zu grüßen. Genauso wie man vortäuscht, sich zu entschuldigen, wenn man sagt, „Ich möchte mich entschuldigen“ anstatt zu schluchzen: „Es tut mir leid.“

Kafka und sportliche Grüße 

Es steckt viel Botschaft darin, wie wir uns verabschieden. Übertriebene Formalität hielt ich in E-Mails immer für komisch. Bei „Hochachtungsvoll“ fühle ich mich wie ein Beamter des Kaisers, „Mit freundlichen Grüßen“ steht mit Garantie unter der Hiobsbotschaft aus der Bürokratie-Hölle Kafkas. Aufdringlich und zwanghaft originell dagegen die Verwurstung der eigenen Tätigkeit in die Grußformel. „Mit sportlichen Grüßen“ liest man da in der E-Mail vom Fitnesscenter, „mit kommunikativen Grüßen“ schreibt die PR-Agentur. Beides keine Glanzlichter.

Doch wie sieht das der Kommunikationsprofi? Tatjana Lackner von „Die Schule des Sprechens“ empfiehlt, immer im Blick zu behalten, wer am anderen Ende der digitalen Leitung sitzt. Heißt: „Beste Grüße“ ist formeller Mainstream und weist uns auch als solchen aus. Dennoch ist es beim Schreiben an den Vorstand vermutlich passender als wilde Sprachakrobatik. Wer sich vom Gros der E-Mails abheben will, zumal er mit einem Anliegen an seinen Adressaten herantritt, darf sprachlich allerdings ruhig wendig bleiben. Das geht ganz leicht: einfach ein „schönes Wochenende“ wünschen, oder „sonnige Grüße“ senden. Einen netten Gedanken finde ich diesen: nach dem Namen ein „und Team“ zu setzen. Unterstreicht den Gemeinschaftsgedanken. Und ist viiiel besser als noch so viele Grüße.

Frage der freizeit

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Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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