Warum küsst man sich zur Weihnachtszeit unterm Mistelzweig?

Das Lippenspitzen unterm Grün ist dieser Tage wieder sehr beliebt. Woher der Brauch kommt.

"Küss mich unterm Mistelzweig“, sagte die Herzensdame herausfordernd, als sie die Pflanze am Türrahmen montiert. „Du bist eh nicht abergläubisch.“ Immerhin soll die Pflanze übernatürliche Kräfte haben und es zustande bringen, die Lippenspitzer bald zu verheiraten. Ein Auskommen steht ohnehin nicht zur Debatte. Hat sich eine Dame fordernd unterm Gewächs platziert, darf ein Kuss nicht abgelehnt werden, besagt der Brauch. Dazu sollen Küsse in Mistel-Reichweite Glück bringen.

Aber warum soll das alles unter der Mistel passieren? Sie ist nicht unbedingt sympathisch. Sie klammert sich an Bäumen fest und holt sich deren Nährstoffe. Dass sie Cliff Richard im Weihnachtssong „Misteltoe and Wine“ explizit hervorhebt, tut ihr Übriges. Nicht zu vergessen die armen Legionärs-Zniachterln der Römer, die nach dem Mistelzaubertrank-Genuss der Gallier in Asterix ihre Zähne verlieren.

Druiden und nordische Götter

Theorien, woher der Brauch stammt, gibt es einige. Die Pflanze fasziniert, weil sie keine irdischen Wurzeln hat, schon lange. Tatsächlich war gallischen Druiden die Mistel heilig – sie schnitten sie mit einer goldenen Sichel und brauten Tränke gegen Krankheiten und für die Fruchtbarkeit. Andere Historiker sehen den Ursprung für den Kussbrauch in den Saturnalien. Am 17. Dezember gaben sich die Römer zu Ehren des Gottes Saturn dem gepflegten Exzess hin, aber beschenkten sich auch mit Mistelzweigen als Zeichen der Freundschaft.

Die schönste Erklärung liegt in nordischen Göttersagen. Der böse Gott Loki wollte Lichtgott Baldur, den Sohn der Liebesgöttin Frigga, ermorden lassen. Frigga rang jedem Tier und jeder Pflanze das Versprechen ab, ihr Kind zu verschonen. Weil die Misteln nicht auf der Erde wachsen, vergaß Frigga, die Pflanzen ins Gebet zu nehmen. Die fatale Folge: Eine Pfeilspitze aus dem Mistelzweig tötete das Kind. Friggas Tränen sollen sich dann in weiße Beeren des Mistelzweigs verwandelt haben. Aber sie wäre keine germanische Göttin, wenn sie Baldur nicht wiedererwecken könnte. Vor lauter Freude gab sie jedem einen Kuss, der unter jenem Baum ging, wo der Mistelzweig hing. Frigga verdonnerte die Pflanze außerdem dazu, dass sie Menschen, die unter ihr stehen, einen Kuss als Zeichen der Liebe schickt.

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Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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