Vom Alien bis zum Weichtier: Österreichs Natur des Jahres 2022

Vom Alien bis zum Weichtier: Österreichs "Natur des Jahres 2022" stellt sich vor.

Sie hebt sich nicht nur optisch ab, sie hat auch außergewöhnliche Fähigkeiten: Die Posthornschnecke mit ihrem flachen, linksdrehenden Gehäuse ist Europas einzige Wasserschnecke, die – wie der Mensch – über Hämoglobin im Blut verfügt. Damit kann sie theoretisch ein Leben lang auf Tauchstation bleiben. Andere Gastropoden, meist rechtsgewunden, müssen immer wieder an die Oberfläche, um Luft zu schnappen.

"Die Posthornschnecke, die auch gerne in Gartenteichen oder Aquarien gehalten wird, ist eine sehr prominente Art", sagt Robert Patzner und begründet auch damit die Entscheidung der Malakologischen Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur; sie hat den 3 cm bis 4 cm kleinen Schleimer zum Weichtier des Jahres 2022 gekürt.

©Robert Platzner / Naturschutzbund

Warum Sie diese Arten kennen sollten

Alljährlich heben Naturschützer und Wissenschafter – von Birdlife über den Fischereiverband bis zum Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen – einen Vertreter "ihrer" Tier- bzw. Pflanzenwelt hervor, um die heimische Biodiversität zu beleuchten.

"Wir wollen den Arten zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen und gleichzeitig zeigen, welche Vielfalt unsere Natur zu bieten hat", sagt Carina Graf vom Naturschutzbund Österreich. Die Organisation ist Drehscheibe für die Auswahl der 17 Spezies.

©Josef Limberger / Naturschutzbund

Sie will heuer mit dem LuchsSäugetier des Jahres 2022 – einmal mehr Bewusstsein für das scheue, seltene Pinselohr schaffen. Der große Beutegreifer braucht für ein langfristiges Überleben zwischen Mühlviertel und Vorarlberg weitere Unterstützung.

©Katharina Bürger / Naturschutzbund

Auch die Kleine Hufeisennase ist keine Unbekannte. Die Fledermaus war bereits 2018 und 2019 Artenbotschafterin – gewählt von Batlife Europe; für 2022 bat sie nun der Verband der Höhlenforscher vor den Vorhang. Der Winzling mit dem charakteristischen Riecher ist in der Roten Liste Österreichs als "gefährdet" eingestuft.

©BENNY TRAPP / Naturschutzbund

Neu am Start sind u.a. Wechselkröten – die Meister der Tarnung zeigen ein intaktes Ökosystem an –, Schwarzhalsige Kamelhalsfliege – ihre Vorfahren waren Zeitgenossen der Dinos – und Trommelwolf; wer die bedrohte Spinne des Jahres entdeckt, möge den Fund melden.

Was Troja mit unseren Wäldern zu tun hat

©NATURSCHUTZBUND/UDO STEINHÄUSER

Doch nicht nur Tiere reihen sich auf die Liste der Arten des Jahres. Auch Pflanzen sollen die entsprechende Wertschätzung erhalten. So kürte der Naturschutzbund die Vierblättrige Einbeere zur Blume des Jahres.

Mit Paris quadrifolia, benannt nach dem sagenhaften Königssohn Trojas, soll "auf den Schutz von alten, wilden und naturnahen Wäldern als artenreichen Lebensraum aufmerksam gemacht werden", heißt es im Juryurteil.

©Siegfried Bernkopf / Naturschutzbund

Mit der Streuobstsorte des Jahres wird eine Sorte stellvertretend für alle gefährdeten Obstarten ins Rampenlicht gerückt: Hartwiß Gelbe Zwetschke ist die Botschafterin der Vielfalt 2022. Heute sind fast nur noch blau-violette Pflaumen- und Zwetschkensorten verbreitet.

Ragweed: Reißen Sie es aus

"Ragweed ist Alien des Jahres. Wir wollen, dass die Leute vor der Haustüre schauen, was sie dagegen tun können", sagt Graf. Die invasive Art aus Nordamerika, die oftmals Allergien auslöst, verdrängt vor allem auf Brachflächen heimische Vielfalt. Der krautige Korbblütler sollte also so schnell wie möglich entwurzelt und in einem dichten Sack entsorgt werden. Die Wahl für diesen Profiteur des Klimawandels fiel nicht leicht.

Allzu viele Neuankömmlinge richten hierzulande bereits Schaden an.

©Robert Krickl / Naturschutzbund

Die Kategorie Mineral des Jahres wurde erst 2020 eingeführt. Damals kam Wulfenit, Rohstoff und Schmuckstein für zwei Jahre zum Zug. Heuer rückt Spodumen in den Vordergrund. Chemisch rein, ist die Verbindung farblos, Verunreinigungen führen zu einer breiten Palette an Farben – bunt wie die Natur.

Hedwig Derka

Über Hedwig Derka

Hedwig Derka, geboren 1966 in Wien, seit 1996 Redakteurin beim KURIER. Spezialgebiet: Tiere. Lieblingsthemen: Wissenschaft und nutzloses Wissen. Lieblingsbeschäftigung außer Dienst: Meine kleine und große Familie. Noch Fragen? Interessante Geschichten? Nutzloses Wissen? eMail an mich: [email protected]

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