Psychologe: Mit diesem Trick werden Sie schlechte Gewohnheiten los

Es ist nicht fehlende Willenskraft, die uns in alte Muster verfallen lässt, sagt Axel Koch. Worauf es stattdessen ankommt.

Mehr Sport machen – oder gesünder essen: Gute Vorsätze gibt es viele. Besonders nach dem Lockdown haben sich manche Gewohnheiten eingeschlichen, die wir gerne ändern würden. Doch meist fällt man in alte Verhaltensmuster zurück.

Der Wirtschaftspsychologe Axel Koch ist überzeugt, dass nicht fehlende Willensstärke die Ursache für Rückfälle ist, sondern, dass vielen das richtige Handwerkszeug fehlt, um aus dem alten Trott herauszukommen.

Axel Koch

©Julia Walker
Wollen Sie als Wirtschaftspsychologe die Menschen so optimieren, dass sie ihren Job besser machen?
Axel Koch: Nein, mir geht es um etwas Grundsätzliches, nämlich darum, dass die Menschen veränderungsstärker werden und nicht mehr an sich selbst scheitern, nur weil sie von der falschen Annahme ausgehen, dass man nur die Willenskraft steigern muss, wenn man sich schlechte Gewohnheiten abgewöhnen will. Diese können sowohl privater als auch beruflicher Natur sein.
Es fehlt also an der Technik?
Meine Botschaft: Wenn ich dabei bin, mir etwas abzugewöhnen, gibt es immer Vorboten, die mir zeigen, dass ich in alte Muster verfalle. Ich vergleiche das mit einer Fahrt auf der Autobahn, auf der ich immer die gleiche Strecke genommen habe, aber jetzt woanders hinfahren will. Die Schilder sind die Vorwegweiser, die mir anzeigen, dass in 2000 Meter, in 1000 Meter etc. die Ausfahrt kommt – im übertragenen Sinne heißt das: Ich muss jetzt eine neue Trasse fahren, mir also etwas Neues angewöhnen. Ich nenne diese Schilder Vorboten, weil sie mir ankündigen, dass ich jetzt ganz bewusst darauf achten muss, nicht der alten Gewohnheit zu folgen.
Was könnte so ein Vorbote sein, wenn ich z. B. weniger Zucker essen will?
Das ist bei jedem anders. Das kann der Moment sein, in dem ich nach Hause fahre und mir vorstelle, wie ich erschöpft in die Süßigkeitenlade greife. Diese Vorstellung ist ein Vorbote. Ich vergleiche das gern mit einer Reise zum Nordpol: Wenn ich weiß, dass ein Eisbär kommen kann, muss ich vorher wissen, wie ich reagiere. In dem Moment, wo er vor mir steht, ist es zu spät – da findet mein Hirn nicht so schnell eine Lösung. Zur Veränderung braucht es zwei Dinge: Ich muss mich selbst beobachten und merken, wie ich in alte Muster rutsche. Und ich muss mir in Ruhe notieren, wie Vorboten nacheinander ablaufen und was ich dann tue, um mein neues Verhalten mit großer Sicherheit hinzubekommen. Ich muss also einen Notfallplan machen.
Kann ich diese Vorboten immer selbst erkennen?
Anfangs sagen Menschen oft, das sei gewöhnungsbedürftig – was soll denn ein Vorbote sein? Da ist es leichter, wenn ein Coach sie zur Antwort hin manövriert. Eine Frage, die oft hilft: „Stell dir vor, du stehst morgens auf. Was ist das Erste, woran du heute merkst, dass es wieder passieren wird?“ Dann stellt man sich vor, dass man schon wieder Zoff mit den Kindern hat, genervt ist – und dann passiert es.
Manches wie das Essverhalten ist schon eine Sucht.
Die Grundzüge der Technik kommen aus der Suchttherapie. Der Betroffene muss sich immer die Frage stellen: Was zeigt mir ein bestimmter Vorbote? Es könnte z. B. sein, dass ich mich völlig leer fühle und als Ersatzhandlung etwas Süßes brauche. Dann muss ich mir überlegen: Was brauche ich, um statt zur „Droge“ zu etwas anderem zu greifen? Diese Beziehung mache ich mir sonst nie bewusst, die Technik schärft den Blick auf die Frage: Wie rutsche ich in dieses Muster?
Wie reagiere ich, wenn ich einen Vorboten registriere?
Bleiben wir bei dem Beispiel, wo ich müde nach Hause komme. Da merke ich „Aha, Vorbote“ und weiß, das ist ein Risikofaktor. Dann bremse ich bewusst und sage „Stopp“, was allein schon eine Intervention ist. Ich stelle mir die Frage, worum es eigentlich geht. Die Antwort ist: Ich bin müde, also überlege ich, wie ich meine Batterien anderweitig aufladen kann. Die Maßnahme, die ich mir vorher überlege, indem ich mir einen Rückfallplan schriftlich erstelle, muss sich stimmig und handhabbar anfühlen. Nur dann funktioniert es.
Dennoch wird es immer wieder Rückfalle geben.
Die Rückfallquote liegt nach vier Wochen im Durchschnitt bei 50 Prozent. Ausrutscher passieren meist in Situationen, über die ich noch nicht nachgedacht habe. Nach durchschnittlich 66 Tagen habe ich die alte Gewohnheit abgelegt, manches dauert länger, besonders dann, wenn Verhaltensmuster von Kind eingeübt wurden.
Kann ich mehrere Gewohnheiten gleichzeitig ändern?
Nein, das klappt nicht, weil die Entschlossenheit, sich geistig umzuorientieren Zeit und Energie kostet.

Buchtipp: Axel Koch:„Logbuch Gewohnheiten nachhaltig verändern. Die Technik des Rückfallmanagements“, Beltz-Verlag.103 Seiten. 25,60 Euro.

Ute Brühl

Über Ute Brühl

Meist schreibe ich über so ernste Dinge wie Schule und Wissenschaft. Daneben widme ich mich immer wieder den schönen und heiteren Dinge des Lebens - dem guten Essen oder dem Gärtnern zum Beispiel.

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