Kritik

Plácido Domingo in Wien: Wenn ein Ausnahmekünstler nochmals zur Audienz bittet

Als Abschied von Wien will Plácido Domingo seine „Noche Española“ in der Wiener Staatsoper nicht verstanden wissen.

Bravorufe, Blitzlichtgewitter, Blumensträuße und minutenlange Standing Ovations – es war eine Art Ausnahmezustand, den Plácido Domingo im Haus am Ring verursachte. Denn der Jahrhundertkünstler bat nun auch in Wien zu einer „Noche Española“ und erhielt vom Publikum schon vor dem ersten Ton mehr Applaus, als wohl so manch anderer Sänger im Laufe seiner gesamten Karriere. Verdient, denn Domingo ist und bleibt einfach ein Phänomen.

Seit 60 Jahren steht der mittlerweile 80-Jährige auf den großen Bühnen der Welt und hat in diesen Jahrzehnten stets Maßstäbe gesetzt. Erst als Bariton, dann als einer der größten Tenöre aller Zeiten, zuletzt wieder als Bariton und danach vor allem als Plácido Domingo.

Eigene Liga

Denn der so agile Spanier singt längst in seiner eigenen Liga. Da gibt es immer noch den tenoralen Glanz, teils wunderschöne Phrasierungen und baritonale Tiefe sowie Domingos größtes Atout: unbändigen Ausdruckswillen! Auch bei diesem Zarzuela-Abend, zu dem er sich die Sopranistin Saioa Hernández und den Tenor Arturo Chacón-Cruz als Gäste eingeladen hatte. Am Pult des Bühnenorchesters der Wiener Staatsoper (der Graben war abgedeckt, man spielte auf der Bühne) bewies Dirigent Jordi Bernàcer, dass er in der Musikgattung der Zarzuela zu Hause ist.

Was alles gegeben wurde? Arien, Klagen, Liebesduette oder Zwischenspiele aus den berühmtesten Werken dieses Genres u. a. von Reveriano Soutullo und Juan Vert, José Serrano, Geronimo Giménez, Enrique Granada, Pablo Sorozábal, Manuel Penella bis hin zu Federico Moreno Torroba – dessen „Luisa Fernanda“ auch bei uns recht bekannt ist.

Liebe, Leid, Trauer, Natur, Folklore und Heimat waren die Themen, die in gesanglich wechselnden Besetzungen verhandelt wurden. Dank der Übersetzungsanlage konnte man die jeweiligen Inhalte gut verfolgen. Wobei Saioa Hernández mit ihrem mächtigen, aber doch leicht schrillen Sopran punktete, während Tenor Arturo Chacón-Cruz weder mit Lyrismen noch mit Spitzentönen geizte. Stets passend die Begleitung des Bühnenorchesters unter Jordi Bernàcer.

©Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Große Freude

Und Domingo? Der hatte ein intelligentes Programm zusammengestellt, das allen Mitwirkenden immer wieder Pausen einräumte und betätigte sich auf der Bühne mit sichtbarer Freude auch noch als eine Art vokaler Zeremonienmeister. Denn diese Ausnahmestimme (naturgemäß hört man hin und wieder das Alter), gepaart mit dem Spiel des Künstlers, ließ bei seinen zahlreichen Fans wohl kaum Wünsche offen.

Nach diversen Zugaben – jeder Interpret durfte seine Soloszene haben – kam dann der wohl lustigste Augenblick der Gala. Zu Franz Lehárs „Lippen schweigen“ aus der „Lustigen Witwe“ (gesungen im Terzett!) tanzte Domingo mit Hernández sogar ein bisschen Walzer.

Wird Domingo nochmals an die Staatsoper zurückkommen? Zuzutrauen ist es diesem Giganten allemal.

Peter Jarolin

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