Nicht verwandte Doppelgänger ähneln sich in DNA und Verhalten

Manche Menschen sind nicht verwandt, aber könnten Zwillinge sein. Eine Studie zeigt: Die Ähnlichkeiten beschränken sich nicht auf das Äußere.

Charlie Chasen und Michael Malone lernten einander 1997 bei einem Konzert in Atlanta kennen. Die beiden verstanden sich auf Anhieb, aber bemerkten nicht, was andere Leute um sie herum sahen: Die beiden Männer könnten glatt als Zwillinge durchgehen. „Nur unsere Mütter erkennen die Ähnlichkeit nicht“, erzählen sie Jahre später schmunzelnd.

Charlie Chason und Michael Malone sind Doppelgänger. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich, aber sind nicht miteinander verwandt. Die beiden haben an einem Fotoprojekt des kanadischen Künstlers François Brunelle teilgenommen. Für seine Bildserie „I’m not a look-alike“ (dt. „Ich bin kein Doppelgänger“) fotografiert er seit über 20 Jahren Doubles. Rund 250 nicht verwandte Paare hat er bereits gefunden – und damit nun sogar der Wissenschaft geholfen.

Professor der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Auch an eine – ethisch umstrittene – Anwendung in der Kriminalistik denkt er: Aus am Tatort hinterlassenen DNA-Spuren könnte das Gesicht eines Täters für die Fahndung rekonstruiert werden. Etwa, wenn das Gesicht von Personen mit ähnlichen genetischen Sequenzen bereits bekannt ist.

François Brunelle sucht in der Zwischenzeit noch nach weiteren Doppelgängern für seinen Bildband. Wer teilnehmen möchte, kann sich unter [email protected] melden. Der Künstler selbst fand übrigens einmal, er habe Ähnlichkeit mit Mr. Bean – und so kam die Idee ins Rollen.

Künstliche Intelligenz

So haben Forschende um den spanischen Genetiker Manel Esteller 32 von Brunelles Pärchen ausgewählt, um ihrem verblüffend ähnlichem Erscheinungsbild auf die Schliche zu kommen. Ihre Analyse, die im Fachblatt Cell Reports veröffentlicht wurde, zeigte, dass Menschen, die sich extrem ähnlich sehen, häufig auch ähnliche Erbgut-Merkmale haben – ohne tatsächlich verwandt zu sein. Sogar gemeinsame Verhaltensmuster weisen die Duos auf.

Aber der Reihe nach: Die Forschenden des Josep-Carreras-Leukämie-Forschungsinstituts (Barcelona) ließen Brunelles 32 Paare zunächst von drei verschiedenen Gesichtserkennungsprogrammen auf ihre tatsächliche Ähnlichkeit analysieren. Die künstliche Intelligenz befand 16 Paare für gleichermaßen ähnlich wie eineiige Zwillinge. An diesen Doubles führte das Team danach Detailuntersuchungen durch. Die Teilnehmenden füllten dafür einen umfangreichen Fragebogen zu Lebensumständen, Gesundheit und Gewohnheiten aus und wurden für eine genetische Analyse um eine Speichelprobe gebeten.

Das Ergebnis: Die sichtbaren Ähnlichkeiten der 16 Paare haben ihre Entsprechung tatsächlich in den Genen. Neun von ihnen beschrieben die Wissenschafter gar als „Ultra-Doppelgänger“. Sie glichen sich in 3.730 Genen (von insgesamt etwa 20.500, die der Mensch hat).

Viele Paare hatten ähnliche biometrische Merkmale, wie Nasenform und einen ähnlichen Fingerabdruck. Gemeinsamkeiten gab es auch bei Körpergröße und Gewicht. Aber auch das Bildungsniveau und Gewohnheiten wie Rauchen waren bei den untersuchten Paaren ähnlich – obwohl diese Menschen einander nicht kannten und teils weit voneinander entfernt lebten. Die Forschenden folgern: Ähnliche Gene haben nicht nur Einfluss auf das Erscheinungsbild, sondern führen auch zu einem ähnlichen Lebensstil mit ähnlichen Gewohnheiten.

Zusätzlich zum Genom verglichen die Forschenden auch das Epigenom und das Mikrobiom, die deutlich stärker durch die Umwelt beeinflusst sind. Hier fanden sie bei den Duos keine Übereinstimmung. Das deute wiederum darauf hin, dass das ähnliche Aussehen der Paare mehr mit ihrer DNA zu tun hat als mit der Umgebung.

Zur Alzheimer-Erkennung

Schwächen der Studie sind die geringe Zahl an Testpersonen und dass überwiegend Menschen mit europäischen Wurzeln berücksichtigt wurden. Dennoch zeigen sich die Forscher zuversichtlich. „Eines Tages könnten DNA-Analysen den Ärzten Auskunft über verborgene Risiken für Erkrankungen, etwa Diabetes oder Alzheimer geben, die nicht schon eindeutig genetisch definiert sind“, sagt etwa Helmut Schatz,

Elisabeth Kröpfl

Über Elisabeth Kröpfl

Seit Dezember 2021 beim KURIER. Zuerst im Ressort Lebensart, jetzt am Newsdesk. Spanisch- und Englischstudium in Graz, danach Journalismus-Master an der FHWien.

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