"Fragen der Freizeit": Warum freuen wir uns wie ein Schneekönig?

Eine Redewendung, eine Vogelzählung, ein Freudengefühl: Wie passt das alles zusammen? Ganz einfach, bitter weiterlesen.

Gestern Abend im Supermarkt. Ich schnappe mir glücklich das letzte Glas Pfirsich-Maracuja-Joghurt aus dem Regal. Und muss mich wohl etwas zu enthusiastisch gefreut haben, höre ich doch hinter mir den Kommentar: „Da freut sich jetzt einer wie ein Schneekönig!“

Na, sicher, Pfirsich-Joghurt ist offenbar besonders im Winter begehrt. Bei der Besorgung von Nachschub nicht leer auszugehen, darf da ruhig gefeiert werden. Dass ich unter der Maske auch noch wie ein Honigkuchenpferd grinste, war für andere ja nicht erkennbar. Aber freuen wie ein Schneekönig? Der Schnee in der Stadt ist doch schon fast wieder geschmolzen.

Egal, zum einen ist der rundliche Vogel mit dem hochgestellten Schwanz ebenso als Zaunkönig bekannt. Zum Schneekönig wurde er, da er auch im Winter lebhaft singt. Die Freude wurde ihm angedichtet, weil er dabei so fröhlich wirkt. Zum anderen hat diese Formulierung redensartlich immer Saison: als Ausdruck für eine besondere Begeisterung. Genauso wie es eben außergewöhnlich ist, dass ausgerechnet der kleinste Singvogel in unseren Breiten sich so kräftig Gehör verschafft.

Ganz schön laut

Susanne Schreiner von BirdLife Österreich: „Der Zaunkönig hat im Verhältnis zu seiner Körpergröße die lauteste Stimme. Mit seinem schmetternden und trillernden Gesang kommt er auf bis zu 90 Dezibel und ist damit fast 500 Meter weit zu hören.“

Dass er dazu noch obergescheit sein soll, geht auf einen griechischen Dichter zurück. In einer seiner Fabeln erzählte Äsop, dass die Vögel einst beschlossen, jenen zum König zu machen, der am höchsten flöge. Der Adler sah sich im Aufwind, machte aber die Rechnung ohne dem „Höhlenbewohner“ Zaunkönig. Dessen Schmäh: Sich auf den Schultern des Adlers in die Lüfte tragen zu lassen und erst dann, wenn dieser müde wird, selbst „flügge“ zu werden. Laut Äsop adelte diese Hinterlist das Vögelchen zum „König“.

Wie der Schneekönig bei der jährlichen Wintervogelzählung abgeschnitten hat, erfährt Susanne Schreiner am Montag. Trifft sich gut, Montag ist der Tag, an dem ich im Supermarkt gewöhnlich zum Schneekönig werde.

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Bernhard Praschl

Über Bernhard Praschl

Bernhard Praschl, geboren 1961 in Linz. Als Stahlstadtkind aufgewachsen zwischen Stadtwerkstatt und Brucknerhaus. 1978 erster Manager der Linzer Punk-Legende Willi Warma. 1979 Studium der Politikwissenschaft und Publizistik an der Uni Wien. Zivildienst im WUK; 1986 Institut für Höhere Studien, Wien. 1989-1992 in der Die Presse, seit 1992 Redakteur im KURIER, 1994 Statist in Richard Linklaters "Before Sunrise", seit 1995 in der FREIZEIT. 2013 "Das kleine ABC des Geldes. Ein Lesebuch für Arm und Reich" (Czernin Verlag). Nach frühen Interrailreisen durch Europa (Portugal bis Irland) und Autofahrten entlang der California State Route und dem Overseas Highway nach Key West jetzt wieder Bahnfahrer - und E-Biker.

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