Ehemaliger Dienstwagen der Wiener Bürgermeister wird restauriert
Im 19. Jahrhundert bestellte der Stadtchef Wiens eine Kutsche, die jenen des Adels in nichts nachstand. Jetzt wird sie restauriert.
Dem Wiener Bürgermeister wird gemeinhin ein gesundes Selbstbewusstsein nachgesagt – egal, wer gerade das Amt innehat. Das dürfte auch schon bei Johann Kaspar von Seiller so gewesen sein, dem im Jahr 1851 ersten frei gewählten Bürgermeister Wiens.
Dieser gab nämlich einen großen Galawagen in Auftrag, um – wie auch in anderen Großstädten üblich – bei feierlichen Anlässen glänzen zu können. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: In Bauweise, Farbenpracht und Ausstattung stand die Kutsche den aristokratischen Galacoupés nicht nach.
Nur die kaiserlichen Wägen sind noch prunkvoller gewesen, sagt Michael Formanek. Der Restaurator bringt die Kutsche gerade auf Vordermann. Sie soll eines der Highlights werden, wenn das Wien Museum am Karlsplatz 2023 wieder eröffnen soll.
Auch die Inszenierung des circa 1,2 Tonnen schweren Gefährts soll spektakulär werden. Es wird an Seilen von der Decke hängen, die Besucher können dann auch darunter durchgehen.
Umso wichtiger sei es, die Kutsche in einen respektablen Zustand zu versetzen, so Formanek: „Schließlich muss alles gesichert sein.“ Nach rund 80 Jahren Lagerung in unterschiedlichen Depots sei einiges reparaturbedürftig.
Überall Verzierungen
Dass das viel Arbeit ist, sieht man bei näherer Betrachtung: Vom Rad bis zu der Innenausstattung, überall sind Ornamente oder Zierelemente zu sehen.
Metall, Stoff, Holz und sogar Teile aus Elfenbein – das Restauratorenteam muss sich auf viele unterschiedliche Materialien einstellen und sie in Kleinstarbeit bearbeiten.
Zur Person: Johann Kaspar von Seiller
Seiller war von 1851 bis 1861 der erste frei gewählte Bürgermeister Wiens. Zuvor war der konservative Liberale im Zuge der Revolution von 1848 in den Gemeinderat gewählt worden.
Einige städtebauliche Maßnahmen in seiner Amtszeit: der Bau der Ringstraße, der Abbruch der Wiener Stadtmauer und die Planung der Donauregulierung und des Zentralfriedhofs
Aber auch die Geschichte des Wagens wird gerade ergründet, sagt Sándor Békési, Historiker beim Wien Museum, der sich gemeinsam mit Mario Döberl von der Wagenburg Schönbrunn auf die historischen Fakten gestürzt hat.
Zu Sisis Ehren
Demnach sei der Wagen das erste Mal 1854 im Einsatz gewesen, zu keinem geringeren Anlass als dem Einzug von Kaiserin Elisabeth.
Fertiggestellt sei er schon ein halbes Jahr zuvor gewesen. „Ich vermute, dass Seiller auf einen passenden Anlass gewartet hat, um einen so prunkvollen Wagen vorzuführen.“
Die Sehnsucht nach Prunk sei anhand zweier Faktoren zu erklären, so Békési. Zum einen sei Seiller wohlhabend gewesen und wollte seinen aristokratischen Vorbildern in nichts nachstehen.
Zum anderen symbolisierte der Wagen die erstarkte kommunale Selbstverwaltung. Die Konstituierung des Gemeinderats nach der Revolution 1848 und die Stadterweiterung von 1850 führten zu mehr Selbstbewusstsein und höheren repräsentativen Bedürfnissen.
Festumzüge im Austrofaschismus
Auch Karl Lueger verwendete die Kutsche in seiner Amtszeit (1897-1910) noch, bald gab er aber dem bequemeren Dienst-Automobil den Vorzug. Nach dem Ersten Weltkrieg kam der Galawagen ins Museum.
Während des Austrofaschismus wurde er für die Repräsentation von „Alt-Wien“ allerdings mehrmals bei Festumzügen als Leihgabe verwendet.
Übrigens: Sollte Michael Ludwig (SPÖ) mit einer Fahrt im Galawagen liebäugeln, wäre das rein theoretisch möglich, sagt Restaurator Formanek: „Ich denke, rollen würde die Kutsche noch.“
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