Warum kommt man mit Improvisieren manchmal besser zum Ziel?
Kreativer Umgang mit dem Vorhandenen wurde zur Erfolgsformel für "Nachos" und das "The Köln Concert".
Wer über etwas Lebenserfahrung verfügt, weiß: Vorsicht vor hungrigen Frauen. So viel Streicheleinheiten lassen sich gar nicht aufbieten, einen darbenden Magen zu beruhigen, wenn so rein gar nichts zu knabbern vorhanden ist.
Lebte Ignacio Anaya noch, könnte er jetzt vor Freude mit einem Sombrero winken. Der Gastronom ist Erfinder der Nachos, der mexikanischen Antwort auf Kartoffelchips. Und das nur dank zehn hungriger Frauen, die eines Abends im Jahr 1943 in sein Restaurant in der Grenzstadt Piedras Negras gestürmt waren. Ihr Pech: Ausgerechnet an diesem Tag hatte der Koch frei.
Nach kurzem Check in der Küche, wusste Ignacio (Nacho ist die Koseform davon), dass nun kreativer Umgang mit dem Vorhandenen gefragt ist. Er schnappte sich ein paar frittierte Tortillas, überbuk sie mit geriebenem Käse und dekorierte das Ergebnis mit der einheimischen Paprikasorte Jalapeño. Fertig war das neue Tex-Mex-Gericht. Der Damenrunde mundete es ganz speziell; sie taufte es spontan „Nacho’s Especiales“.
Improvisation als Erfolgsrezept: Bei einem Stegreiftheater wie der Tschauner Bühne in Ottakring gehört das zum Geschäftsmodell. Aber auch bei Jazzern unterhalb der gefürchteten Free-Jazz-Spielart bewährt sich mitunter der Genius eines Improvisators.
Als Keith Jarrett Anfang 1975 in Deutschland einen Konzerttermin wahrnahm, sprach alles gegen ihn. Der versprochene Bösendorfer-Konzertflügel entpuppte sich als Stutzflügel – noch dazu verstimmt und mit einigen klemmenden Tasten. Andere hätten den Auftritt abgesagt. Der Newcomer nahm die Herausforderung an, beschränkte sich auf mittlere und tiefe Tonlagen und spielte ein Programm aus sich wiederholenden Mustern.
Sein Rezept, sich der misslichen Lage zu stellen, ähnelt jenem des Nachos-Erfinders. Jarrett später dazu: „Wenn alles schief läuft, vergisst man auf das, was man eigentlich machen wollte. Das ist eines der Geheimnisse der Improvisation.“ Diese Courage wurde belohnt: „The Köln Concert“ gilt mit über vier Millionen verkauften Stück bis heute als das meistverkaufte Jazz-Soloalbum.
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