Blumen als Botschafter: Wie sie auch im Garten helfen, die Welt zu retten
Sie gehören mit zu den schönsten Vertretern unseres Planeten. Im Bildband „Floral“ entfalten Blumen ihre Sprache: denn es ist Zeit für einen Weckruf, um die Artenvielfalt unserer Erde zu erhalten.
Blumen gehören zu den beliebtesten Motiven in der Kunst. Schaut man sie an, werden Glückshormone freigesetzt, zudem stehen sie für Freude und Dankbarkeit, in manchen Kulturen sind sie dagegen Symbole für Trauer und Mediation. Jetzt haben sie eine neue Aufgabe dazu bekommen: als Botschafter, um die Welt zu retten. Zumindest wenn es nach dem asiatischen Fotografen Richard Fischer geht, der mit Fotografien aussterbender Pflanzenarten in seinem Bildband Floral die Welt wachrütteln will.
„Ich sage es lieber durch die Blume: Wir müssen dringend etwas für unsere Nachwelt tun. Wir haben schädliches im Überfluss, dafür aber nicht mehr genug Medizin, die aus der Natur gewonnen wird.“
Blumenpoesie für den Planeten
Dabei geht es ihm nicht um die genaue botanische Bezeichnung, im Buch wurde absichtlich darauf verzichtet. Für die freizeit hat ein Mitarbeiter der Botanischen Universität Wien das Blumenrätsel der poetischen Fotos entschlüsselt. Fotograf Fischer: „Ich will ausschließlich durch die Schönheit der Blumen Menschen animieren, etwas für den Planeten zu tun.“
Seine fantastisch beleuchteten Blütenblätter und zarten Blütenstempel, die Bienen einladen auf ihnen zu landen, haben Farben, die an Gemälde von Matisse oder Emil Nolde erinnern. Richard Fischer sieht sich als Künstler und Fotograf, der als Teil einer ökologisch neuorientierten Kultur die Welt mittels Kunst retten will. Er selbst ist umgeben von seltenen Orchideenarten auf den Philippinen aufgewachsen und hat die Blüten, die jetzt vom Aussterben bedroht sind, quasi im Blut.
Botschafter der Blumen
Sein fantastisches Kunstprojekt in Close-up-Technik soll Menschen anregen, gegen Klimawandel und Artensterben aktiv zu werden. Blumen sind essenzielle Nahrungsquellen, in der Medizin sind bestimmte Heilpflanzen unersetzlich – aber viele Pflanzenarten sterben aus.
„Wir brauchen Kunst in der Natur, um zu überleben denn nie zuvor hat die Menschheit so viel gewusst und nie zuvor war sie so hilflos wie jetzt“, so Fotograf Fischer. Deshalb sind statt botanischer Expertisen poetische Zitate von Künstlern und Philosophen neben Porträts seltener Pflanzen zu lesen. „Alle Blumen tragen die DNA von Albert Einstein bis Hermann Hesse oder Andy Warhol in sich, die sie in ihrer Einzigartigkeit beschreiben. Über den Weg der Kunst möchte ich die Artenvielfalt dokumentieren, denn schon in den nächsten zehn Jahren wird sich die Pflanzenvielfalt nahezu um fünfzig Prozent reduzieren“, so der Fotograf. „Pflanzen haben keine Stimme. Es liegt an uns, den Lebensanspruch für die Menschheit und den Fortbestand von Mensch, Tier und Pflanze, zu sichern“.
Um diese Artenvielfalt zu erhalten, haben es sich vor allem botanische Gärten rund um die Welt zur Aufgabe gemacht, bedrohte Pflanzen zu schützen und zu züchten. Auch Fischer entnahm die exotischen Exemplare für sein Projekt nicht direkt aus der Natur, sondern arbeitete sorgfältig mit den Wissenschaftlern botanischer Institutionen der Universitäten Heidelberg, Berlin, Potsdam, Frankfurt und Karlsruhe zusammen. Die einzelnen Blüten, ausgewählt je nach Jahreszeit, wurden unter Aufsicht in sein Studio gebracht, wo der Künstler sie im Moment der Blüte oder des Absterbens fotografierte.
Hilfe gegen das Artensterben
Auch Wien hat eine Gartenanlage, in der exotische und seltene einheimische Pflanzenarten nach verwandtschaftlichen geografischen und ökologischen Aspekten gepflanzt werden.
„Wir erforschen in unseren Sammlungen etwa die tropischen Orchideen der Gattung Bulbophyllum. Sie sind nicht einheimisch, viele davon stammen aus Madagaskar und ihre Lebensräume sind von Abholzung bedroht“, sagt David Bröderbauer, Mitarbeiter des Botanischen Gartens der Universität Wien. „Wir schützen auch eine der seltensten Arten Österreichs, Artemisia laciniata, den Schlitzblättrigen Wermut, der in Europa nur noch im Nationalpark Neusiedler See vorkommt. Auch in unserer Flora von Österreich-Anlage haben wir viele seltene einheimische Arten aus dem pannonischen Osten Österreichs ausgepflanzt um sie der Nachwelt zu erhalten.“
Im heute südlichsten Teil des Botanischen Gartens wurde bereits zwischen 1793 und 1834 die umfangreiche „Flora Austriaca“ angelegt, in der die Pflanzensammlung damaliger Kronländer wuchs. „Wir kultivieren in unseren Sammlungen auf etwa 8 Hektar Fläche 12.000 Pflanzenarten mit 25.000 Einzelpflanzen, rund die Hälfte davon im Glashaus, die andere im Freiland.“ Zusätzlich läuft im Botanischen Garten der Universität Wien ein Versuch, um seltene und schwer anbaubare Salzpflanzen aus den Lacken des Seewinkels am Neusiedler See im Garten zu kultivieren und zu zeigen. „Das ist eine Besonderheit im Garten, allerdings noch im Versuchsstadium“, so Bröderbauer.
Vielfalt im eigenen Garten
Neben dem Kultivieren gefährdeter Arten ist besonders der Erhalt der Artenvielfalt im Garten wichtig. Jährlich im April findet, heuer vom 19. bis 21. April, im Botanischen Garten Wien eine Raritätenbörse statt, bei der neben Zierpflanzen auch einheimische Arten verkauft werden.
„Jeder einzelne kann zur Artenvielfalt beitragen“, sagt der Experte. „Im privaten Garten geht es eher darum, dass Gartenbesitzer ihre Gärten mit viel mehr einheimischen Arten bepflanzen und naturnah kultivieren, Wildwuchs zulassen und keine Pestizide verwenden.“ So werden Wildtiere angelockt und Wildpflanzen können im Garten gedeihen, die wichtige bestäubende Insekten wie Wildbienen, Fliegen, Käfer und Schmetterlinge anlocken.
Bröderbauer rät weiters, ungepflegte Ecken und alte Bäume im Garten stehen zu lassen, Totholz ist ein wichtiger Lebensraum und fördert die Artenvielfalt. Ein radikaler Kahlschlag im Garten schadet Insekten, Vögeln und Pflanzen.
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