Milliarden-Geschäft: Mit Sneaker handeln wie mit Aktien

Sneaker sind die Aktien der Generation Z: Der Trend zum Luxus-Turnschuh ist ein lukratives Geschäft geworden.

Vergessen Sie das Gold. Oder alte Gemälde-Schinken. Whisky als Investment? Dann lieber trinken. Und bei einem guten Glas Single Malt anstoßen auf das neue Paar Sportschuhe, das man gerade an der Börse erstanden hat. Tschuldigung, Sneaker heißen die schicken Treter selbstverständlich mittlerweile, und ja, Sie haben richtig gehört: Börse.

Für alle, die jetzt nur Bahnhof verstehen, wenn von Sneaker Drops oder Raffles die Rede ist, und denken, bei Air Jordan würde es sich um eine Fluglinie handeln: Sneaker sind mittlerweile nicht bloß modisches Statement oder Mittel zum Zweck (Sport). Für Sammler sind sie zum teuren Objekt der Begierde geworden, auf die oft ein regelrechter Run herrscht. Eine Community ist entstanden, die der Vorstellung eines neuen Modells von Firmen wie Nike oder Adidas aufgeregt entgegenfiebert.

Sneaker Drop nennt man diesen Tag, für den auch eine exakte Uhrzeit festgesetzt ist. Öfter kommt es dabei zu Kollaborationen zwischen Schuhmarken und Prominenten. Kanye West half einst mit dem Launch des Yeezy Boost, Adidas zu hypen. Aktuell hätte etwa am 16. Dezember mit dem Air Max 1 x Cactus Jack Sneaker von Nike ein Hochkaräter das Licht der Welt erblickt. Allein, die Kooperation mit Travis Scott wurde verschoben: Der Rapper ist in Ermittlungen um eine tödliche Tragödie bei einem Festival verwickelt.

Josh Luber, Gründer von StockX: Die Online-Börse für Sneaker, aber auch Kleidung, Handys, Gaming, hat ihn zum Millionär gemacht

©Patrick McMullan via Getty Images/Patrick McMullan/Getty Images

Milliarden-Geschäft

Sneakerheads nennt man jene Menschen, die wie verrückt nach solchen Sportschuhen sind, um sie zu sammeln oder an ihnen zu verdienen. Ihr El Dorado ist ein Marktplatz im Internet: Bei der Online-Börse StockX kann man seltene (und ausschließlich ungetragene) Modelle kaufen und wiederverkaufen. Die Börse weist Sneaker-Kurse aus, denen man wie ein Aktienhändler sonst dem Dow Jones folgen kann, es gibt Preisentwicklungen, man kann Gebote abgeben, es geht um Angebot und Nachfrage. „StockX hat das Prinzip vom Turnschuh als Renditeobjekt auf die Spitze getrieben“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Der Solid Gold OVO x Air Jordan mit 24-Karat-Gold. Gekauft hat ihn der Rapper Drake

©Hersteller

Lust auf ein paar Zahlen? Mit 3,8 Milliarden Dollar wird das Unternehmen aus Detroit von Geldgebern seit Kurzem bewertet. Ein Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine kuriose Anlaufstelle für ein paar verschrobene Sammler ist die Tradingplattform längst nicht mehr. Streetwear boomt. Wer heute einen Schuh um 1.000 Euro ersteht, kann ihn morgen vielleicht schon um das Doppelte weiterverkaufen. Geschicktes Marketing hilft dabei: Auf niedrige Stückzahlen limitierte oder von Künstlern designte Sneaker steigern Begehrlichkeit und Preise. Ebenso, wenn Influencer und Stars auf Social-Media-Plattformen Bilder davon posten.

StockX jedenfalls wächst und wächst – und die Pandemie befeuert das digitale Geschäftsmodell zusätzlich. „Unser Fokus“, so Geschäftsführer Scott Cutler zur FAZ, „liegt derzeit auf weltweiter Expansion.“ Vor Börsen wie Grailed, Goat, Rares oder Solesavy ist StockX die größte der Welt. Gegründet wurde sie 2015 von Josh Luber. Schwerreich zog der sich vergangenes Jahr aus der Firma zurück. Nicht schlecht für jemanden, der einst vom Gehalt seiner Frau lebte.

Die Nike Air Yeezy 1 trug Kanye West bei den Grammys. Mit 1,8 Mio. Dollar sind sie die am teuersten versteigerten Turnschuhe der Welt 

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Wie man mitmischt

Als Bestseller nennt das Wirtschaftsmagazin Capital den Nike Air Jordan 1, den Nike Air Force 1 in limitierten Kollaborationen und den Adidas Yeezy Boost 350 V2. Die Nike x Ben & Jerrys Kollaboration „Chunky Dunky“ konnte ihren Wert kurz nach Veröffentlichung verzehnfachen, heißt es da.

Als Einsteiger an diverse edle Stücke zu gelangen, ist allerdings gar nicht so einfach. Bots, also Computerprogramme, die online automatisiert Sneaker kaufen, sind eine beinahe übermächtige Konkurrenz geworden. Wer dennoch in das Spiel einsteigen will, meldet sich am besten für einen sogenannten Raffle bei einem Sneaker-Geschäft an. Wird man bei der Verlosung gezogen, erhält man dann am Tag der Veröffentlichung das Kaufrecht, den neuen Turnschuh zu erstehen. Die Marktentwicklung seiner Treter sollte man dann stets im Auge behalten. Entschließt sich ein Hersteller bei einem Modell für Nachschub, senkt das den Wert limitierter Schuhe schnell wieder. Bei all dem Nervenkitzel frisst die Revolution ihre Kinder: Die einst die Jugendkultur symbolisierenden Sneaker haben sich in ein lukratives Millionengeschäft verwandelt. Mitmachen tun alle, quer durch die Gesellschaft: Fans wie Investoren, Jugendliche – und ihre Eltern.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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