Lena Hoschek setzt in ihrer aktuellen Herbst/Winterkollektion u. a. auf Bordeauxrot

Dirndl-Trends: "Das mit dem Holz vor der Hüttn kann niemand mehr hören"

Wie das Dirndl heuer getragen wird, wie es um sein Image steht und warum allzu tiefe Dekolletés derzeit weniger angesagt sind.

Es ist natürlich ein Widerspruch, im Zusammenhang mit Tracht von Trends zu sprechen. Das Kleidungsstück mit jahrhundertealter Tradition, bestehend aus tailliertem Rock, Mieder, Bluse und Schürze, ist per se keinen modischen Strömungen unterworfen. Doch in den vergangenen Jahren gewann das Dirndl vor allem bei jungen Trägerinnen zunehmend an Popularität und rückte damit auch in den modischen Fokus. „Wir können uns glücklich schätzen“, sagt die Designerin Lena Hoschek, „in anderen Ländern sieht man Tracht nur noch beim Trachtenumzug oder im Museum.“

©Lena Hoschek

Die Entwürfe der Grazerin zählen zu den begehrtesten bei Dirndl-Fans. In ihrer neuen Trachtenkollektion dominieren dramatische Gothic-Einflüsse auf der einen und klassische britische Country-Elemente wie Cord und Tweed auf der anderen Seite. „Ich liebe die gedeckten Farben des Herbsts. Ein Dirndl muss nicht nur ,quietschen’“, sagt Hoschek, die sich schon lange gegen die politische Vereinnahmung von Tracht starkmacht.

„Ich habe das Instrumentalisieren von Kleidungsstücken immer abgelehnt“, sagt sie. Tracht sei weltoffen und für alle da. „Für mich gibt es keine cultural appropriation (kulturelle Aneignung), sondern nur cultural appreciation (kulturelle Wertschätzung). Man sollte die Kirche im Dorf lassen.“

Umdenken

Vor allem die junge Generation sei in Sachen Trachtenmode „politisch und emotional total unbelastet“, berichtet Anna Tostmann, Inhaberin des Traditionsgeschäfts Tostmann Trachten. „Früher war Tracht tragen für Teenager eine Strafandrohung, jetzt gehen ganze Schulklassen geschlossen in Tracht zur Maturafeier.“

Ein Tostmann-Dirndl kostet tausend Euro aufwärts, nicht gerade ein Schnäppchen für Heranwachsende. „Wir beobachten ein Umdenken, gerade bei der Jugend“, erzählt Tostmann, die eine Filiale in der Wiener Innenstadt und am Attersee führt. „Sie machen sich Gedanken, woher etwas kommt, sei es beim Essen oder bei der Kleidung. Insofern sind wir mit unseren handgemachten Dirndln am Puls der Zeit.“

Anna Tostmann mit ihrer Mutter Gexi

©Kurier/Gilbert Novy

Die Inflation kurbelt die Nachfrage nach Second-Hand-Tracht an. Nie wurde öfter nach dem Begriff „Dirndl“ gesucht als diesen Juli, meldete der Online-Flohmarkt Willhaben. Wer kann, stöbert im Familien-Fundus: „Viele kommen mit dem alten Dirndl ihrer Großmutter, um es umarbeiten zu lassen“, sagt Tostmann.

Der Kostendruck zeigt sich auch in der Auswahl der Modelle und Farben. „Die Leute greifen eher zu flexibleren Dirndln in dezenten Taupe- oder Naturtönen, die sich mit verschiedenen Schürzen kombinieren lassen.“ Generell werden Dirndl wieder schlichter, beobachtet die Expertin. Carmen-Blusen und (zu kurze) Polyester-Kleider aus Fernost strapazierten zuletzt das Image des Trachtenkleids. „Das war alles schon zu viel. Durch die Pandemie hat es bei Billiganbietern eine Marktbereinigung gegeben.“

Feminismus

Das Dirndl mag zeitlos sein, den Zeitgeist spiegelt es dennoch. Spätestens seit dem berüchtigten Sager des deutschen Politikers Brüderle zu einer jungen Journalistin („Sie könnten ein Dirndl auch ausfüllen“) ist das Trachtenkleid auch in der Sexismus-Debatte angekommen. Möglich, dass die gesellschaftliche Diskussion die Trachtenmode beeinflusst – schließlich sind hochgeschlossene Dirndl und Blusen bei jungen Trägerinnen derzeit angesagt wie nie.

Tostmann kann diesen Trend nachvollziehen. Ihre Mutter Gexi Tostmann hat tief dekolletierte Dirndl bereits in den Siebzigern aus Gründen der Emanzipation abgelehnt, wie sie dem KURIER einmal erzählte. „Das mit dem ,Holz vor der Hüttn’ kann niemand mehr hören.“

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