Arthur Arbesser

Arthur Arbesser im Interview: "Der Einheitsbrei beunruhigt mich"

Arthur Arbesser ist einer der erfolgreichsten Designer Österreichs. Im Interview erklrät er, was er sich von der Jugend in Sachen Mode wünschen würde.

Er ist in Wien-Hietzing aufgewachsen, hat in London studiert und eroberte von Mailand aus die internationale Modewelt. Seine Entwürfe haben einen unverkennbaren Stil. Starke Farben, einprägsame Muster und jedes Stück erzählt eine Geschichte aus der Kunst-, Theater- oder Opernszene: Arthur Arbesser (40) führt nicht nur sein eigenes Modelabel, sondern war Kreativchef beim italienischen Traditionslabel Fay und designt seit Neuestem eine Kollektion für Weekend Max Mara. Auch im Interior-Bereich ist er als Creative Council bei den Wittmann Möbelwerkstätten tätig und bringt seine Liebe zu grafischen und geometrischen Formen beim Designen von Teppichen und Sofas ein.

Die einprägsamen Muster sind Ihr Markenzeichen: Wie würden Sie selbst Ihre Designs beschreiben? 

Arthur Arbesser: Ich will mit Farben und Mustern eine Geschichte erzählen. In meinen Designs steht immer die Geschichte eines Künstlers oder eine bestimmte Erfahrung wie das Theater oder die Oper im Mittelpunkt. Das übersetze ich in Muster. Vielleicht fühle ich mich zu geometrischen und grafischen Dingen hingezogen, weil ich selbst so ein chaotischer und unordentlicher Mensch bin. Es hat sicher auch mit meiner Liebe zu Architektur und Interior Design zu tun. Mir gefallen Kacheln, Böden und Häuserfassaden – das übersetze ich auf meine Prints und Drucke.

Nach Fay kommt die Zusammenarbeit mit Max Mara. Wollen diese Marken gerne ein wenig von Arthur Arbesser abbekommen ?

Ich habe eine sehr persönliche Sprache und Message und davon fühlen sich diese Labels wohl angesprochen. In der Mode gibt es zwar viele Produkte, aber es gibt nicht viele Designer, die ihren ganz eigenen Weg gehen. Dazu gehört auch der Mut, sich sehr intim und persönlich mit seiner Arbeit auszudrücken. Denn je persönlicher man in seiner Arbeit ist, desto eher kann man kritisiert und angegriffen werden. Natürlich kann nicht immer jedem deine Arbeit gefallen. Max Mara wollte eine Kollaboration mit einer starken Identität. So jemanden ins Boot zu holen ist auch ein Zeichen von Größe und Mut. Das machen nur Marken, die sich ihrer eigenen Identität ganz bewusst sind.

Was fasziniert die italienischen Labels am Jugendstil und Ihren neu interpretierten Prints? 

Genau wie mich die Wiener Moderne und der Jugendstil nicht loslassen, so geht es auch anderen. Es gibt in dieser Stilrichtung Linien, Muster und Proportionen, die einfach heute noch sehr gut oder vielleicht sogar noch besser gefallen als damals. Es wurden Dinge für die Ewigkeit geschaffen. Je länger ich nicht in Wien lebe, desto mehr beziehe ich mich in meiner Arbeit auf Wien.

Sie entwerfen jetzt auch Tischtücher und für Wittmann Möbel und Teppiche: Was macht mehr Spaß: Mode oder Interior?

Mir macht es großen Spaß, kreativ sein zu dürfen. Ich habe schon Laminatoberflächen, Tabletts, Wolldecken und Teppiche designt. Aber im Prinzip geht es immer darum, eine Oberfläche zu gestalten. Die Farben und Proportionen müssen bei einem Teppich genauso stimmig sein wie bei einem Kleid. Das Gesamtbild muss passen und schön sein. Ich mag Dinge, die man nicht in eine Zeit einordnen kann. Meine Mode kann man auch nicht genau einer Zeit zuschreiben. Mich faszinieren Architektur, Design und Möbelstücke, die eine zeitlose Qualität haben und das versuche ich auch in meiner Arbeit einzubringen.

„ Ich fühle mich zu geometrischen und grafischen Dingen hingezogen. Vielleicht weil ich so ein chaotischer und unordentlicher   
Mensch bin.

Was begeistert Sie an dieser Zusammenarbeit am meisten? 

Mich begeistert das alte Handwerk. Es ist einfach toll, zu sehen, wie präzise die Polsterer bei Wittmann arbeiten. Auch die Arbeit mit den Theaterwerkstätten Art for Art, mit denen ich zweimal die Kostüme für das Neujahrskonzert gemacht habe, hat mich sehr angeregt. Passion ist immer ansteckend. Mir geht es darum, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die Experten auf ihrem Fachgebiet sind. Menschen, die ihr Leben einer Kunst widmen, haben mich schon immer beeindruckt. Es gehört einfach so viel Disziplin dazu.

Wie gehen Sie bei der Entwicklung einer neuen Kollektion vor? Gibt es einen bestimmten Prozess?

Ja, und es ist ein total schöner Prozess. Man beginnt eine neue Kollektion immer aus der Erschöpfung nach einer abgeschlossenen Kollektion. Man wurde von der Presse durchgekaut und danach befindet man sich in einem ganz eigenen Gefühlszustand. Man beginnt wieder bei null. Es ist ein Zustand der Freiheit. Man hat noch keinen Fehler gemacht und kann völlig frei darauf los träumen. Mein Team und ich gehen dann in Ausstellungen oder erkunden eine neue Stadt. Wir lesen, sammeln Ideen und verwerfen sie wieder. Ein kreativer Austausch findet statt. Dann kristallisiert sich oft eine Idee heraus. Es geht immer um eine Geschichte oder ein Lebensgefühl. Mir ging es nie nur darum, einfach nur Kleider zu produzieren, sondern um eine Weiterentwicklung. Ich will mich immer weiter verbessern. Das ist wohl auch eine Krankheit von Kreativen. Dann werden erste Fotos, Stoffe, Farben gesichtet und die ersten Volumen entstehen an der Nähmaschine. Es wird nie fad.

Denken Sie beim Entwerfen an die Frau, die das Kleidungsstück tragen soll? Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Designs auch tragbar und alltagstauglich sind?

Das ist mir schon wichtig. Es gibt sicher Designer, die im Designprozess mehr an ihre Kundin denken als ich. Aber die sind in ihrem ganzen Handeln wohl kommerzieller. Ich will meinen Weg eben anders gehen und bin glücklich darüber, dass ich es schaffe, ihn so zu gehen. Aber natürlich habe ich auch die Trägerin oder Freundinnen im Hinterkopf, die meine Mode tragen werden. Ich nehme auch gerne Kritik an. Doch wir als kreatives Team müssen auch zufrieden sein. Ich möchte die sechs Monate, die eine Kollektion braucht, intelligent verbracht haben. Viele Ideen entstehen immer im Gespräch und im Austausch.

Welche sind für Sie die drei wichtigsten österreichischen Modedesigner?

An erster Stelle steht ganz unbestritten Helmut Lang, der das Bild einer Generation miterfunden hat. Er ist für die meisten modeaffinen und modeschaffenden Menschen ein Halbgott. Ich habe damals mein gesamtes Taschengeld und schwer Erspartes in seinem Geschäft im ersten Bezirk verpulvert. Aber ich habe alle Teile immer noch und sie fühlen sich auch heute noch als ein gutes Investment an. Dann das Duo Wendy & Jim, weil sie auf ihre Art und Weise ihren Weg gehen und immer an ihrer Sache dran bleiben. Susanne Bisovsky hat auch ihre ganz eigene Welt geschaffen. Ich finde ihre ausgeprägte unverkennbare Sprache absolut bewundernswert.

Starke Muster und Farben: Look aus der SS 2024-Kollektion von Arthur Arbesser.

©ICTM für Arthur Arbesser

Wie ist Österreich in der internationalen Modeszene positioniert?

Für ein relativ kleines Land gibt es eigentlich sehr viel. Man darf das nicht nur auf der Designerebene sehen. Es gibt auch viele kreative Österreicher, die in Top-Jobs bei großen Häusern arbeiten. Österreichische Fotografen, Stylisten und Modedesigner leben in New York bis London, kommen aber immer wieder gerne nachhause nach Wien, wo Kunst und Kultur hoch angesehen ist und gefördert wird. Die Labels, die es in Wien gibt, bewundere ich sehr. Denn es ist schwieriger, von Wien aus einen internationalen Weg einzuschlagen. In London gibt es zum Beispiel eine sehr reiche Landschaft an Modemagazinen, in Italien wird viel Mode produziert und in Paris gibt es nonstop eine Fashion Week. Das sind logischerweise ganz andere Ausgangspunkte.

Welche ist momentan die angesagteste Modemetropole der Welt und warum?

Das ist ganz klar Paris. Hier ist die nicht zu stoppende Superpower – im Guten wie im Schlechten – der großen Gruppen wie Kering und LVMH beheimatet. Paris ist aufregend, die Jungen bekommen mehr Aufmerksamkeit und werden ernster genommen. In Mailand geht es mehr ums Kommerzielle und die Herstellung. Paris steht für die Kreativität und den großen Traum. Das war immer so und das wird immer so bleiben.

Die Modewelt wandelt sich gerade. Fast Fashion geht zurück, Second Hand boomt, durch die Teuerung werden weniger, aber qualitativ hochwertigere Stücke gekauft: Wie geht es weiter in der Modebranche?

Das war auch meine Hoffnung. Denn ich konnte den Trend ebenfalls während der Covid-Pandemie beobachten. Aber es gibt noch immer zu viele Menschen, die sehr viel von sehr billiger Mode kaufen. Ein anderer, kleinerer Teil macht viel selbst, kauft Vintage und näht Sachen um. Das gibt einem Hoffnung. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Fast Fashion so einen großen Rückgang hat.

Ist das Geschäft härter geworden?

Ja, es ist alles schwieriger geworden, auch weil sich die Stoffe und die Produktion verteuert haben. Entgegen meinem Geschäft bin ich aber selbst dafür, weniger zu kaufen und diese Dinge dafür länger zu tragen, neu zu kombinieren und ihnen so ein neues Leben einzuhauchen. Ich selbst kaufe auch viel weniger ein.

Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit, und wie setzen Sie diesen Faktor in Ihren Kollektionen um?

Kleine Labels, wie meines, sind flexibler und können leichter anders handeln. Wir haben noch nie zu viel produziert und sitzen dann auf einem Kleiderhaufen. Bei uns wird alles sehr genau kalkuliert. Stoffe, die von älteren Kollektionen übrig geblieben sind, werden eingefärbt oder neu verarbeitet. Es ist eine Dauerbewegung im guten Sinne. Ich kenne jede Näherin und weiß genau, wer unsere Stoffe produziert. Das ist eine extreme Verbundenheit, wenn du die Menschen kennst, die deine Stoffe herstellen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Mode?

Ich hoffe, dass die Menschen intelligenter werden und sich mehr für den Hintergrund eines Kleidungsstücks interessieren. Dass sie hinterfragen, wofür ein Designer steht und natürlich, dass insgesamt weniger gekauft wird. Die Manager in den Konzernen wiederum müssen verstehen, dass sie nicht nur dann toll sind, wenn sie mehr Umsatz machen. Mehr ist nicht gleich besser. Wir brauchen ja nicht mehr. Wer braucht schon zehn Jeans im Kasten. Das ist meine Hoffnung für die Mode. Und: Ich wünsche mir mehr Individualität bei der Jugend. Sie sollen sich wieder mehr trauen. Manchmal bin ich besorgt, wenn ich diesen stilistischen Einheitsbrei sehe. Sich durch Kleidung auszudrücken, einen eigenen Stil zu haben, hat mich immer fasziniert. Es muss einem nicht alles gefallen, aber es ist spannend zu sehen, wenn jemand mit Kleidung seine Persönlichkeit hervorhebt. In letzter Zeit ist das ziemlich flach geworden und das finde ich beunruhigend.

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