Fresh opened oysters

Lust auf eine Wiener Auster? Ein überraschender Genuss

Die Wiener Auster erfreut sich zunehmender Beliebtheit, heißt es. Die Frage ist nur: Was steckt hinter dieser Köstlichkeit?

Diese herrlichen traditionelle Köstlichkeiten aus unsererm schönen Wien: Wiener Schnitzel, Wiener Apfelstrudel, Wiener Tafelspitz, Wiener Melange - man könnte sich praktisch reinlegen. Und zwar täglich! Aber wann hatten wir das letzte Mal eine Wiener Auster? Und: Was zum Henker könnte das sein?
Ein vielseitig beschlagener Kollege vermutete in der Redaktionssitzung dahinter einen alten Ausdruck für Speiseschnecken. Klingt plausibel, ist aber weit gefehlt. Dann vielleicht ein Pilz? Aber nein. "Mhhh, ich hätt wirklich mal wieder Lust auf eine Wiener Auster!", wer sich im 19. Jahrhundert von diesem Gedanken beseelt auf eine Reise in die Hauptstadt des Habsburger Reiches aufgemacht hat, war nur dem Anschein nach hinter kulinarischen Genüssen her.
 
Der Maler Peter Johann Nepomuk Geiger, immerhin Professor an der Kunstakademie und Schöpfer monumentaler Werke wie "Die Schlacht bei Lützen" oder der "Schlacht bei Pressburg" und einer der Lieblingskünstler von Erzherzog Ferdinand, schuf 1840 ein Aquarell gleichen Namens. Also "Wiener Auster". Und es ist zugegebnermaßen nicht ganz jugendfrei:

Johann Nepomuk Geiger, 1840

©Wikimedia Commons/Peter Johann Nepomuk Geiger
Diese Stellung, also eine Variation der "missionarischen", bei der die Dame ihre Beine auf die Schultern des Mannes legt - einer Anleitung eines aktuellen Sex-Ratgebers ist zu entnehmen, dass sie sie auch gerne hinter seinem Kopf kreuzen kann -, wurde rasch zur beliebtesten Position in den Wiener Bordellen. Praktisch eine echte Wiener Spezialität, wobei wir fast schon wieder bei den eingangs erwähnten Köstlichkeiten wären. Und von den Wiener Puffs aus eroberte sie die Welt.
 
Heute erlebt die Stellung laut internationaler Sexperten ein Revival, ist quasi angesagt wie damals im 18. Jahrhundert. Zu Recht, so heißt es unter den Auskennern, weil sie für beide Seiten einige vorteilhafte Effekte hat, in die wir uns jetzt nicht weiter vertiefen wollen. Aber ja, Tiefe hat auch damit zu tun.
 
Aber Wien ist nicht die einzige Stadt, die sich auf diese Weise einen Namen gemacht hat. Schon mal was von der Budapester Beinschere gehört? Oder von der Florentinischen Paxis? Der Chinesischen Schlittenfahrt? Ganz abgesehen von altbekannten Begriffen wie "französich" oder "griechisch", bieten sich auch "spanisch", "italienisch", "englisch" oder "schwedisch" an. Da eröffnen sich dem Abenteurer und der Abenteurerin in uns nahezu unbeschränkte Reisemöglichkeiten im eigenen Schlafzimmer, der Wohnzimmercouch oder der Waschmaschine - Lockdown hin oder her.
 
In diesem Sinne: Gute Reise! Und ich frage mich, ob nicht auch die Wiener Melange eine erotische Komponente haben könnte. Oder gar der Tafelspitz?
Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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