Lust geht, Lust kommt: Älterwerden und guter Sex schließen einander nicht aus
Promis, die über Sex im Alter schwärmen: Was man daraus lernen kann – und was nicht. Und warum es so wichtig ist, sein Liebesleben zu verändern, während sich der Rest des Lebens ebenfalls verändert. Ein Plädoyer für prickelnde und weise Wechseljahre.
Es ist immer recht animierend, wenn VIPs über tollen Sex im Alter sprechen, im Wohnzimmer ihrer tollen Villa, am Rande ihres tollen Pools, mit einem tollen Smoothie in der Hand, während backstage tolles Personal Wohlfühlatmosphäre zaubert: die Menopausen-Fachkraft des Vertrauens, Masseure, Friseure, ein Qi-Gong-Meister.
Vor Kurzem plauderte Schauspielerin Naomi Watts, 54, über ihr Liebesleben mit dem frisch angetrauten Ehemann Billy Crudup. Bei einer Wellness-Veranstaltung mit dem Titel "Unlocking Intimacy: Navigating Passion in Midlife“ sagte sie, dass Sex mit zunehmendem Alter besser würde. Was aus ihrer Sicht vermutlich mit dem Honey-Moon-Effekt zu tun haben könnte, aber auch mit der Tatsache, dass sie nicht mehr schwanger werden kann. "Fürs Geschäft geschlossen, fürs Vergnügen geöffnet“, scherzte die Gute.
Schön, so ein Leuchtturm der Libido. Und ja, da schließe ich mich an: Älterwerden und guter Sex schließen einander nicht aus.
Eine komplexe Realität
Man sollte das Thema allerdings einen Hauch realistischer und differenzierter angehen, damit man nicht eines Tages aufwacht und sich als Außenseiterin wähnt – Motto: "Alle anderen haben’s lustig, nur ich sitze im Trockenen – was ist nur mit mir los?“ Abseits des Glamours und jenseits der 50 sieht die Realität mitunter komplexer aus, und da meine ich nicht nur den veränderten Hormonstatus. Vor allem die Seele hat in dieser Phase des Lebens einiges zu verarbeiten: Da packen die Kinder die Koffer und sagen "Das war’s, Leute, ich mache jetzt mein Ding.“ Dort könnte es sein, dass die eigenen Eltern zunehmend gebrechlich und hilfsbedürftig werden.
Abseits des Glamours und jenseits der 50 sieht die Realität mitunter komplexer aus, und da meine ich nicht nur den veränderten Hormonstatus.
Vielleicht steckt auch der Partner in der Midlife- und Sinnkrise. Möglicherweise wurde man in der Firma aussortiert, wegen des jüngeren Workflows. Manche Freunde und Freundinnen, die bisher topfit waren, werden krank, man selbst registriert den Rücken, das Knie und erstes Grau auf dem Haupt. Irgendwas im Kopf raunt: Lustiger wird’s nimmer. Da kommt einiges zusammen: Abschiede, wohin das Auge blickt – von jugendlicher Geschmeidigkeit, von einer Party-Laune ohne dreitägigen Nachhall im Schädel, von Menschen, Lebenskonzepten und einem Forever-young-Selbstbild. All das kann die Lust schmälern, ganz abgesehen von den körperlichen Veränderungen, die mit den Wechseljahren verbunden sind.
Sexbox
Vor Kurzem startete die Wiener Aids-Hilfe die Kampagne "Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit“. Die Idee: Sexuelle Gesundheit muss aus der Tabuzone und vermehrt thematisiert werden, damit mehr Menschen über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Probleme sprechen. Dazu wird es am 1. Dezember, dem Welt-AIDS-Tag, in der Klinik Floridsdorf eine eigene Fachkonferenz geben. Info: aids-hilfe-wien.at
Erotische Selbstführsorge
Damit diese Zeit auch jenseits so mancher Wallung "heiß“ wird, gilt es, mit einigen Glaubenssätzen und damit verbundenen eingefrorenen Bildern von Sexualität aufzuräumen. Naomi Watts hat in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Gedanken geäußert. Nämlich, dass man im zunehmenden Alter selbstbewusster wird und man dann eher bereit ist, etwas für sich selbst zu tun, im Sinne erotischer Selbstfürsorge. Dazu gehört, dass man nicht mehr jeden Blödsinn pornomäßig mithechelt, sondern ehrlich äußert, worauf man Lust hat und worauf nicht.
Mehr denn je darf nun über sexuelle Bedürfnisse gesprochen werden. Was geht, was geht nicht mehr, was kommt stattdessen, wie tun wir einander gut? Stimmt, über Sex zu sprechen, fällt vielen Paaren nicht leicht, ein heikles Terrain, man hat sich über die Jahre arrangiert. Doch gerade, weil sich in dieser Phase des Lebens so vieles verändert, sollte man auch in Sachen Intimität Veränderungen wagen. Dann kann’s echt noch einmal richtig gut werden. Das betonte auch Watts: Kommunikation sei erst dann "hot“, wenn man ehrlich ist und das Gespräch an jenen Punkt kommt, an dem man sagen kann: Okay, das war zwar jetzt ein bisserl peinlich, aber dafür haben wir wieder Spaß miteinander.
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