Ältere Frau, jüngerer Mann: Was hinter dem Beziehungsphänomen steckt
Ein neuer Kinofilm überwirft das gängige Beziehungsbild.
25 Jahre, eine ganze Generation, liegen zwischen dem Arzt Pierre und der pensionierten Architektin Shauna im französisch-belgischen Film "Im Herzen jung" (seit 2. August im Kino).
Nicht die klassischen Voraussetzungen für ein Leinwand-Liebespaar – dennoch fühlen sich die beiden vom jeweils anderen sofort "überwältigt" und verlieben sich ineinander. Es ist bereits der zweite Film in diesem Jahr, der am Beziehungsklischee ältere Frau, jüngerer Mann rüttelt. 55 Jahre alt ist Nancy (gespielt von Emma Thompson) in "Meine Stunden mit Leo", als sie sich in die Arme eines jungen Callboys begibt und – noch so ein Tabu – in der zweiten Lebenshälfte ihre Sexualität neu entdeckt.
Alltäglich ist diese Alterskonstellation in Liebesbeziehungen noch immer nicht (siehe re.). Erscheint ein neues Prominenten-Paar auf der Bildfläche, bei dem sie älter ist als er, sorgt das daher meist für mediale Aufregung. Diese Erfahrung machten auch Emmanuel und Brigitte Macron, als er 2017 sein Präsidentenamt antrat. Ihr Altersunterschied – 25 Jahre – wurde landauf, landab analysiert, während das Altersgefälle der Trumps (24 Jahre) zur selben Zeit kaum jemanden interessierte.
Machtverhältnisse
Die evolutionspsychologische Erklärung ist bekannt: Frauen suchen in Partnerschaften eher nach ökonomischer Absicherung, Männer wollen sich fortpflanzen. Und das geht nun einmal auf biologischem Weg mit einer 25-Jährigen besser als mit einer 50-Jährigen. "Das ist sicher ein Grund, warum Frauen mit jüngeren Partnern immer noch auffallen", erklärt Sandra Teml-Wall, psychologische Beraterin und Familien-Coach. Sie hat erst vor Kurzem selbst einen jüngeren Mann geheiratet, zuvor war sie mit einem sechs Jahre älteren zusammen.
Für das Gelingen einer Beziehung sei das Alter aber nicht entscheidend, sagt sie. "Erfolgreiche Paare sind fähig, Autonomie und Verbindung auszubalancieren. Gelingt es mir, in der Beziehung ich zu bleiben? Oder muss ich mich überanpassen, damit die Beziehung hält?"
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©APA/AFP/STEFANO RELLANDINILaut einer Studie des Sozialpsychologen Justin Lehmiller könnte sich die ungewöhnliche Alterskonstellation sogar positiv auswirken. Seine Umfrage umfasste 200 heterosexuelle Frauen, die mit wesentlich älteren, wesentlich jüngeren und gleichaltrigen Männern liiert waren. Ergebnis: Am glücklichsten und engagiertesten in der Beziehung waren jene Frauen, die mehr als zehn Jahre älter waren als ihre Partner. Lehmiller erklärte dies damit, dass sich die Machtverhältnisse in der Beziehung hin zu mehr Gleichberechtigung verlagern.
Eine andere Untersuchung zeigte hingegen, dass Liaisonen mit älterer Frau und jüngerem Mann mehr Skepsis entgegenschlägt. Die Vorurteile spiegeln sich in der Bezeichnung "Cougar" (Puma), die in den 2010er-Jahren aufkam und ältere Frauen mit jüngeren Sexualpartnern als gierige Jägerinnen darstellt.
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©APA/AFP/YANN COATSALIOUMutterkomplex
Paar-Coach Teml-Wall begrüßt es, dass in Filmen nun vermehrt mit Stereotypen gebrochen wird. Und sie rät davon ab, Beziehungen à la Macron pauschal einen Mutterkomplex anzudichten. "Das ist mir zu küchenpsychologisch. Wir verlieben uns immer in die richtige Person, in die, die unser Wachstum ankurbelt. Dabei spielt es keine Rolle, wie alt sie ist."
Shauna (Fanny Ardant) verliebt sich im Film „Im Herzen jung“ in Pierre (Melvil Poupaud)
So sieht das auch Fanny Ardant (74), die in "Im Herzen jung" die 70-jährige Shauna mimt. "Ich denke nicht, dass man sich in einen Menschen wegen seines Alters verliebt", sagte die Französin anlässlich des Filmstarts im Interview mit uns. "Egal ob jung oder alt, mehr oder weniger attraktiv, Aus- oder Inländer, das ist egal – die Liebe passiert einfach. Das ist Chemie, die muss stimmen.“ Der Originaltitel des Films lautet übrigens schlicht "Les jeunes amants" – Die jungen Liebenden.
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