Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe: Weihnachtswundern

Die dunkle Jahreszeit macht den Mann gegenüber unrund, da hilft auch nicht die lustige Rentierbettwäsche. Aber vielleicht tut’s ein Familien-Pyjama, wer weiß ...?

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Seine Begeisterung blieb dezent. Nein, der Mann gegenüber schlitterte nicht ins Endorphinhoch, als ich ihm verriet, dass ich soeben das Bett frisch überzogen habe. Mit der guten Weihnachtsware – springende Elche auf weißem Flanell. Sorry, gerade war noch Sommer, jetzt gilt es, das Haupt auf Rudolphs zu betten, fragte er irritiert. Und jammerte, dass es bereits zur Jausenzeit stockfinster sei. 

Meine Diagnose: Der Gute braucht Trost. Nun, ich kann ihm nicht die Sonne vom Himmel holen, daher probiere ich es mit Gemütlichkeit  –  von A wie Adventgesteck über E wie Elchbettwäsche bis Z wie Zimtschnecke. Von T wie Teelicht gar nicht zu sprechen.

Erleuchtung? Naja.

Ergänzend garniere ich meine Bewältigungsstrategie mit allerlei Weisheiten, etwa: „Wenn’s draußen finster ist, muss man halt drin für mehr Licht sorgen.“ Da wackelt er bedächtig mit dem Kopf, legt seine Hand auf die meine und raunt: Lieb! Überzeugt klingt das nicht. Was also tun? Nun, vielleicht hilft ein Pyjama, und zwar einer „der so weich ist, dass es sich anfühlt, als würde man nichts tragen“, wie es in der Werbung hieß, über die ich im Netz gestolpert bin. Konkret handelt es sich um das Modell „Roter Weihnachtstraum“ für die ganze Familie: Kaminrote Schlafanzüge, darauf kleine Santas. 

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O-Ton: "Das ideale Modell, um gemeinsam Weihnachtsfilme anzuschauen oder eine Pyjamaparty mit leckeren Weihnachtsplätzchen zu veranstalten." Super, einziges Problem: Weder schätzt Herzkönig Weihnachtsfilme noch tanzt er gerne auf lustigen Pyjamapartys herum. Ködern könnte ich ihn einzig mit der Tatsache, dass es das Modell „Roter Weihnachtstraum“ auch für den Partnerlook mit dem Familienhund gibt. Dann heißt’s „Plätzchen!“ statt „Platz!“, denn für Gusti tut er alles. Wenn’s sein muss, würde er, in kollektives Pyjama-Flanell gehüllt, mit Tochter, Teelicht, Tier und mir sogar „Ein Hund rettet Weihnachten“ schauen. Und wahrscheinlich sehr staunen, wie froh ihn das macht. 

Er

Alle Jahre wieder. Kaum steht Lebkuchen in den Supermarktregalen, dudelt "Rockin’ Around The Christmas Tree" aus den Punschhütten-Boxen und wird allerorts die Umsetzung der Lichterkettenpflicht sichtbar, wachsen meiner Frau goldene Flügel. Sie erfährt eine Transformation, wird quasi über Nacht zu einer Art Adventilator – und mir bläst ein Sturm von Besinnlichkeit und Heimeligkeit um die Ohren, dass ich mich warm anziehen muss. 

Während ich vermummt und verstimmt dem Sommerspritzer nachtrauere, macht sie ein Weihnachtsmarkt-Treffen nach dem anderen aus, legt CDs Marke "Die besten Zehnmillionen Christmas-Songs" ein, kauft große Kerzen und kleine Fenstersterne, Filz-Engerln und Moos-Nikolos, Orangenschalenkränze und Rentierservietten. Und wehe, ich äußere vor Entzücken nicht augenblicklich "Ho-Ho-Ho, endlich ist es wieder so weit". Bringe stattdessen meine Glühwein-, Bummel- und "Last-Christmas"-Allergie ins Spiel. Fantasiere von Fernreisen mit Palmen statt Tannen. 

Verkostung und Vision

Dann startet sie verlässlich ihre Verklärungsmission, oder wie sie sagt: mein traditionelles Resozialisierungsprogramm für den Muffel-Michi. Mit Hinweisen auf Feierlaune, Familienidylle und …. den letzten Trumpf: Vanillekipferl (die ich ehrlicherweise auch zu Ostern reizvoll fände). Dieses Jahr offenbarte mir gnä Kuhn mit der Begeisterung eines Kindes, welches vor dem Fenster das Christkind gesehen hat, die Entdeckung weihnachtlicher Schlafanzüge. 

Sie steigerte sich dabei in einen Rausch der Visionen hinein, als wäre sie zuvor eine Nacht lang bei einer Waldbeeren-Turbopunsch-Verkostung gewesen – begleitet von Hihihi und Stell’ dir vor und Hahaha. Wissend, dass ich als Vierjähriger meinen letzten Pyjama trug. Und ich muss gestehen, dass mich ihre Interpretation von Lasst uns (justament) froh und munter sein durchaus erheiterte. Vielleicht ziehe ich mir das Ding tatsächlich an. Als Beweis der Bekehrung am besten zur Bescherung.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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