Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe: Hymnische Begleitung

Sie bastelt im Do-it-yourself-Verfahren ein Trainingsgerät für die Schulter-Reha. Und der Coach gegenüber mutiert zum Motivations-Champ.

Sie

Zugegeben, der Mann gegenüber schaute irritiert, als ich ihn mit dem Ergebnis meiner intensiven Überlegungen konfrontierte: ein selbst gebasteltes Fitnessgerät, das die Heilung meines Schultergelenks fördert. Inspiriert von meiner Physiotherapeutin, bastelte ich eine Art Hebevorrichtung, die meinen beleidigten Arm in lichtere Höhen hieven soll. Ich platzte vor Stolz, das muss der Gute gespürt haben.

Denn flugs klopfte er mir auf die kaputte Schulter und säuselte: Good Job, Mrs. MacGyver! Nun führte ich vor, was wir zwei können, das Ding und ich. Sagen wir so: Er war beeindruckt. Zumal er weiß, was mich auszeichnet: ein Übermaß an Verbissenheit, im Sinne eines "Da geht noch mehr!“.  

 

Gnadenlos

Das mag mein Sportsgeist, also zauberte er auch gleich einen  Tipp aus dem Genre "höher, weiter, schneller“ herbei. Da musst du Musik dazu hören, die dich so richtig pusht, riet er. Ich fragte: „Bach, Mozart oder Pointer Sisters?“ Kopfschütteln. Nein, etwas, das deine ganze Gnadenlosigkeit symbolisiert, ich denke da an das Thema von "Rocky“, weißt eh. Klar, weiß ich, schließlich hat der gute Mann diesen Film an die zehnmal gesehen und stets feuchte Augen bekommen, wenn sich Sly Stallone –  alias Rocky Balboa – im gelben Muscle-Shirt verausgabt. 

Dazu Sonne, Meer und Männer mit dicken Zigarren. Seitdem "trainiere“ ich tatsächlich zu literarisch wertvollen Textpassagen wie diesen: "Ich gebe mir jetzt große Mühe. Es ist jetzt so schwer. Ich gebe mir jetzt große Mühe.“ Aber  vielleicht hilft’s ja. Schlimm ist, dass der Coach seither (O-Ton) dieses Lied nicht aus dem Kopf kriegt. Und so pfeift er gnadenlos "Ich gebe mir jetzt große Mühe“ vor sich hin, während wir auf dem Christkindlmarkt schlendern und  dort "Frosty, the Snowman“ erklingt. 

Oder während Rocky Hufnagl den Hund bürstet,  ich ihm den lädierten Nacken massiere, er Zwiebel fürs Gulasch schneidet. Ich nehm’s gelassen, zumal es in dem Song  auch  heißt: "Ich werde fliegen, fliegen.“ Darauf hoffe ich. Sehr. 

Er

Meine Frau  war sehr aufgeregt und rief: Komm schnell, ich muss dir etwas Großartiges zeigen! Ich war tatsächlich gespannt und sah vor meinem geistigen Auge schon die Überreichung einer DVD mit allen 821 Toren, die Lionel Messi im Lauf seiner Karriere geschossen hat. Stattdessen deutete die Entertainerin stolz auf ein Gestell: Da schau’, jetzt sagst nix mehr, oder? Sie hatte recht. 

Mitten im Raum stand ein alter Kleiderständer. Über dessen Verbindungsstange hatte die rekonvaleszente Improvisationskünstlerin ein großes Halstuch geschwungen, mit einer Schlaufe, in die sie  enthusiasmiert wie eine dieser aufgekratzten Damen im Teleshopping-Kanal ihren Arm legte. So nämlich trainiert sie, um bald wieder die Reflexstärke des Schulterzuckens zurückzuerlangen. Ich sagte nur: "Sehr clever.“ Den Nachsatz, dass es in Anbetracht dieser Konstruktion vermutlich zu einem großen Rumoren in den Patentämtern des Landes kommen würde, ersparte ich mir.

Rockys Power

Stattdessen öffnete ich die Ermutigungsschublade. Auch deshalb, weil ich von meinen Comebackkämpfen nach Knieoperationen wusste: Schmerzen sind leichter zu ertragen, wenn man die Trainingssessions aus Rocky I, II, III, IV und V jederzeit geistig abrufen kann – samt hymnischer Begleitung. Die erste Frage von gnä Kuhn zu meiner Inspiration war jedenfalls nicht: Ok, Coach, und du meinst, das hilft mir auf dem Weg zum Olymp? Sondern: Rocky … ist das nicht der Vietnam-Typ, der einen ganzen Film lang herumballert? 

Ich ignorierte die Missachtung von Rambo, spielte die Titelmusik von Rocky und überzeugte sie. Und damit sie nicht vom Weg abkommt, pfeife, summe und brumme ich den Song bei jeder Gelegenheit. Sie sagt: Bitte hör’ auf, es ist grausam. Ich antworte mit den Worten des Champs: "Keiner kann so hart zuschlagen wie das Leben … aber es zählt nur, wie viele Schläge man einstecken kann und trotzdem weitermacht.“ Und dann: „Hoppauf, der Kleiderständer wartet!“  

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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