
Schaufenster mit Signalwert: Primark präsentiert erste Modepuppe im Rollstuhl
Die englische Fast-Fashion-Kette wird ihre adaptive Mode künftig auf Schaufensterpuppe "Sophie" ausstellen. Mit dem Projekt geht eine langjährige Vision der britischen Aktivistin Sophie Morgan in Erfüllung.
In der Londoner Oxford Street bleibt der Blick derzeit ungewöhnlich oft im Schaufenster der Modekette Primark hängen. Denn zwischen Bootcut-Jeans und buttergelben Pullovern kann man eine bislang einzigartige Schaufensterpuppe auf: eine Frau im Rollstuhl.
Schaufensterpuppe „Sophie“ ist der nächste Schritt für das britische Fast-Fashion-Label, sein Geschäft (im physischen wie im übertragenen Sinn) barrierefreier zu gestalten. Mit verstärkter Schulterpartie, schmaleren Beinen und einem leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper ist Sophie an die Körperhaltung vieler Rollstuhlfahrerinnen angepasst.

Sophie Morgan präsentiert die neue Schaufensterpuppe.
©BDC Images / Brett D CoveIn insgesamt 22 Filialen, verteilt auf neun Länder (darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Tschechien, aber nicht Wien), wird sie künftig Primarks adaptive Modekollektion präsentieren; Kleidung, die speziell für Menschen mit Behinderungen entworfen wurden und die nicht nur funktional, sondern lässig, sportlicher oder elegant ist.
Erfinderin Sophie
Inspiriert und mitentwickelt wurde die Puppe von der britischen Fernsehmoderatorin und Disability-Aktivistin Sophie Morgan, die seit einem Autounfall vor 22 Jahren im Rollstuhl sitzt. „Als ich das Krankenhaus als Vollzeitbenutzerin von einem manuellen Rollstuhl verlassen habe, sah ich mich nirgendwo repräsentiert“, erzählte sie ihren rund 128.000 Followern auf Instagram.
„Schon gar nicht in der Einkaufsstraße, wo ich einkaufen ging, oder in den Zeitschriften, die ich gelesen habe.“ Weil sie damals Künstlerin war, beschloss sie, ihre kreativen Fähigkeiten zu nutzen: „Ich entwarf einen Rollstuhl für eine Schaufensterpuppe, der als Stilvorlage, aber auch als Symbol für Inklusion und Repräsentation dienen sollte.“ Trotz intensiver Bemühungen fand sie kein Unternehmen, das ihren Rollstuhl ausstellen wollte; enttäuscht ließ sie ihren Traum ziehen.
Doch dann meldete sich vergangenes Jahr Primark – und bot ihr eine Zusammenarbeit an. Die dabei entstandene Schaufensterpuppe ist nun eine Hommage an ihr früheres Ich, „das dachte, niemals dazuzugehören“ und an alle Rollstuhlfahrerinnen, für die es Zeit sei, gesehen und repräsentiert zu werden.
Pionierprojekt für die Branche
„Sophie“ ist nicht nur die Erfüllung eines langjährigen Traums, sondern ebenso ein Pionierprojekt für Primark, der noch vor einigen Jahren wegen mangelnder Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen in der Kritik stand, und ein wichtiges Etappenziel für die gesamte Branche.

Primark hat es sich auf die Fahnen geheftet, inklusiver zu werden.
©EPA/ANDY RAINZwar haben zuletzt auch andere Fast-Fashion-Ketten wie Zalando oder Asos ihr Sortiment an adaptiver Mode erweitert und junge Modemarken wie das Wiener Label MOB (aktiv bis 2023) den Fokus auf diese Kundengruppe gelegt. Doch wirklich offen sei die Tür für Menschen mit Behinderungen noch nicht, meinte die britische Paraolympionikin Chloe Ball-Hopkins unlängst zum Guardian. Sie scheitere immer noch oft daran auch nur die Hälfte der Kleidung von ihrem Rollstuhl aus zu erreichen.
Inklusion beim Reisen
Während Primark versichert, seine Einkaufserlebnis weiter inklusiver zu gestalten, arbeitet Sophie Morgan bereits an ihrer nächsten Kampagne. Bei der Branchenkonferenz „Icons of Inclusions“ im Londoner Dorchester Hotel appellierte sie vergangene Woche daran, Reisen für Menschen mit Behinderungen neu zu denken.

Sophie Morgan erklärte beim Branchenevent "Icons of Inclusion" in London, dass Reisen für Menschen mit Behinderungen neu gedacht werden muss.
©Bauer Anna-MariaDenn obwohl es sich um die größte Minderheitengruppe der Welt handle, seien die Bilder eines „Disability Urlaubers“ großteils negativ behaftet. Und so gelte es, physische Barrieren (wie fehlende Rampen) ebenso wie Informationsschranken oder unbewusste Vorurteile abzubauen; systemische Barrieren (etwa Vorschriften, die Rollstuhlfahrerinnen zwingen ihren Rollstuhl am Flughafen abgeben) müssten genauso diskutiert werden wie die finanziellen Hürden eines barrierefreien Urlaubs
Es ist eine Mammutaufgabe. Doch dass sich Sophie Morgan von so etwas nicht abhalten lässt, muss sie nicht länger beweisen.
Kommentare