Weltkulturerbe: Woher kommt eigentlich das Laugen-Brezel?

Die Breze als Weltkulturerbe? Warum nicht - immerhin fungiert sie seit Jahrhunderten als Zunftzeichen der Bäcker. Aber: Wer hat sie eigentlich erfunden? Und wie kam die Lauge ins Spiel?

Wenn das Baguette als Weltkulturerbe gilt, warum dann nicht die Breze? Was die Franzosen können, das können wir schon lange, dachte man sich also in Baden-Württemberg, von wo ein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde.
Das wirft nun andererseits die Frage auf: Wer hat sie eigentlich erfunden, die Breze oder Brezn,  das Brezl, Bretzl oder Brezet? Waren das wirklich die Schwaben, die sie jetzt für sich beanspruchen? Oder die Bayern? Oder vielleicht gar wir Österreicher?
Die klassische Brezel-Form ist seit dem Mittelalter nachgewiesen, wahrscheinlich eine Abwandlung des davor für Brote beliebten "Kelten-Knotens", nachdem auf einer Kirchensynode im Jahr 743 n. Chr. "heidnische Backwaren" verboten worden waren. Ja, tatsächlich, mit solch schwerwiegenden Themen beschäftigten sich die Kirchenfürsten damals.
Der Name kommt übrigens aus dem Lateinischen. Brachiolum bedeutete im Mittelalter "Ärmchen", daraus wurde Brezila und schließlich Brezel. Damit bezieht man sich auf die unteren dünnen, vor dem "Bauch" verschränkten Arme. Mehr oder weniger dünn übrigens, aber dazu kommen wir später noch.
Die älteste bildliche Darstellung einer Breze findet man auf einer Abendmahlszene aus dem 11. Jahrhundert im Kloster St. Peter in Salzburg. Und wenn wir über den Umstand, dass Salzburg damals nicht zu Österreich gehörte, großzügig hinwegsehen, hätten damit wir Österreicher die Nase vorn. ABER: Das typische für die Breze ist ja heute, dass sie aus Laugengebäck gemacht ist. Und woher kommt das nun wieder? Beziehungsweise: Was ist das denn eigentlich überhaupt?
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Bayerisch-österreichische Brezen haben "starke Arme"

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Also: Ein Brotteig - üblicherweise ein weißbrotartiger Weizen-Hefeteig - wird vor dem Backen in Natronlauge getaucht. Das setzt Aminosäuren frei, die reagieren mit dem Zucker des Teigs, dadurch kommt es zur glänzenden braunen Farbe und dem kräftigen Geschmack.
 
Grundlegende Unterschiede bestehen zwischen der schwäbischen und der bayerisch-österreichischen Variante der Breze. Während bei dieser die Ärmchen ausgewachsene, kräftige Arme sind, sind bei den schwäbischen Brezeln die Ärmchen dünn und sitzen sehr tief. Der Bogen - von Experten "Bauch" genannt - ist bei den Schwaben dagegen deutlich dicker. Hier wird er eingeschnitten, damit er "ordentlich" aufklafft, in Bayern und Österreich lässt man ihn traditionell einfach "g'schlampert" aufplatzen. 
 
Wesentlich ist auch ein Unterschied in der Rezeptur: In der schwäbischen Brezel ist bis zu 10 % Fett enthalten, in der bayerisch-österreichischen maximal 3 %. Das macht die schwäbischen Brezeln weicher und unsere ein wenig rescher.

Und wer um alles in der Welt kam eigentlich darauf, Brotteig in Natronlauge zu tunken?

Dazu gibt es schwäbische und bayerische Entstehungsmythen, beide Bundesländer streiten sich ja auch um die "Erfindung" der Laugenbreze. Bei den Schwaben hätte im 15. Jahrhundert eine Katze das Backblech eines Bäckers vom Tisch gekippt und die Brezen damit ein einem Laugeneimer versenkt, bei den Bayern hat ein Bäcker im 19. Jahrhundert seine Brezeln statt mit Zuckerguss mit dem fürs Reinigen des Blechs bereitstehenden Laugenwasser eingepinselt. Beides sind genau das: Mythen eben.

Brezen-Expertin Irene Krauß, eine Historikerin, die das Museum für Brotkultur in Ulm leitete und „Das große Buch der Brezel“ geschriebe hat, geht davon aus, dass man Brot bereits mindestens seit dem 12. Jahrhundert in Lauge tunkt. Dafür hat man früher Buche­nasche, Zwiebel- und Eierschalen in Salzwasser ausgekocht.
 
Warum? Vielleicht ist ja wirklich jemandem einmal ein Brötchen in den Putzeimer gefallen, wer weiß das schon... Jedenfalls birgt diese frühe Datierung der Laugengebäck-Erfindung einen interessanten Aspekt: Wer weiß, vielleicht essen Jesus und seine Jünger auf der ältesten bekannten Darstellung der Welt im Stift St. Peter zu Salzburg ja tatsächlich auch schon Laugenbrezeln!
 
Und dann wären weder die Schwaben noch die Bayern die ersten, trotz ihrer weitverbreiteten Mythen - sondern wir Österreicher. Prost und Mahlzeit!

Die schwäbische Breze hat dünne Ärmchen, der Bauch wird vor dem Backen eingeschnitten, damit die Öffnung eine "ordentliche" Form hat

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Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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