Spitzenköche über Nordic Cuisine: "Mehr als nur eine regionale Karotte"
Interview. 20 Jahre nach dem Beginn der "Neuen nordischen Küche erklären, drei junge skandinavische Köche die Küche ihrer Heimatländer.
Interview. Sie zählen zu den Besten ihrer Heimatländer und haben die Entwicklung der neuen nordischen Küche miterlebt. Wir trafen Ørjan Johannessen und Christopher Haatuft aus Norwegen und Sebastian Gibrand aus Schweden während des Constance Festival Culinaire auf Mauritius zum Gespräch, um aus der Distanz über die Zukunft der Nordic Cuisine und lokale Unterschiede zu diskutieren.
Kann man überhaupt von einer nordischen Küche sprechen?
Ørjan Johannessen: Die Hauptsache sind für mich die Zutaten, die Qualität von Fisch wie Schellfisch, die ist in Norwegen, Schweden und auch Dänemark hoch. Das ist wie unsere Sprache – sie ist ein bisschen unterschiedlich, aber wir verstehen uns.
Christopher Haatuft: Zu Beginn der Nordic-Cuisine-Welle versuchte jeder, das "Noma" zu kopieren. Da war es ein wenig eine nordische Küche. Aber danach hat sie sich mehr spezialisiert.
Sebastian Gibrand: Ja, die Noma-Leute waren die ersten, die zurückgingen und mehr lokal verwurzelte Zutaten verwendeten, um zu zeigen, dass eine Karotte viel mehr sein kann als nur eine Karotte. Heute verwendet die Nordic Cuisine Zutaten aus der ganzen Welt.
Es ist also nicht mehr dieser strikt lokale Zugang?´
Haatuft: Vor der Nordic Cuisine war der Gedanke, die aufregendsten Zutaten zu verwenden, die man kriegen konnte – oft etwas Exotisches. Dann war es strikt lokal, aber es wurde nicht auf die Qualität geschaut, Hauptsache, es war regional. Was geblieben ist: Es gibt eine Grundlinie, dass lokale Zutaten hoch bewertet werden. Aber es reicht nicht, dass eine Karotte regional ist, um eine tolle Karotte zu sein. Wenn man das im Hinterkopf behält, macht es nichts, Curry oder Olivenöl zu verwenden. Jeder weiß heute, dass nachhaltig zu arbeiten mehr als ein limitiertes Dogma ist.
Gibrand: Ein großer Teil der nordischen Restaurants verwendet hochqualitative und regionale Lebensmittel. Aber sie müssen nicht mehr jedem sagen, dass es regional ist und den Bauern nennen. Findest du die beste Qualität regional, nimmst du sie. Du nutzt auch andere Quellen.
Haatuft: Dieses Streben nach Qualität ist offensichtlich mittlerweile, ob es nun Gemüse ist oder Meeresfrüchte. Das ist nun die Norm.
Wie unterscheiden sich norwegische und schwedische Küche eigentlich?
Gibrand: Beide Länder verbindet die hohe Qualität in den Restaurants, das ist ein Richtwert. Man bekommt überall gutes Essen, ob kleine Lokale oder gehobene Gastronomie. Und wenn wir miteinander sprechen, dann über die gleiche Idee und Philosophie. Natürlich ist die norwegische Küche durch die Küste und etwa den Schellfisch bei Meeresfrüchten viel besser. In Schweden haben wir auch eine Tendenz zu Gemüse – und nicht so viel Schellfisch.
Haatuft: Norwegen hat wenig Landwirtschaft, aber sehr viel Fischfang, durch die unglaublich lange Küstenlinie. Schweden hat viel mehr Landwirtschaft. Rund um Bergen, wo ich lebe, haben wir gar keine Landwirtschaft. Ich würde sagen, man wird in Schweden eine größere Vielfalt an besserem Gemüse finden – auch in den Restaurants Die Diskussion schwedisch, norwegisch oder dänisch ist ja ein bisschen verrückt. Das ist durch politische Grenzen definiert, nicht durch Geografie oder Kultur. Wir haben die gleiche Kultur, aber verschiedene politische Grenzen und Einflüsse. Wenn Ørjan kocht, sind seine Einflüsse offensichtlich, sie kommen vom Herumreisen.
Sie waren bereits mehrmals hier auf Mauritius, auch beim Festival Culinaire?
Johannessen: Ja, neun Mal. Ich arbeite mit dem Team hier und wir inspirieren uns gegenseitig – all die Gewürze und die Traditionen, das ist großartig! Ich habe sogar ein Gericht in meinem Restaurant, das heißt ‚Welcome to Mauritius‘. Es ist zwar mit Proteinen aus Norwegen, etwa Langustine, aber mit einer Currysauce und Curryblättern aus Mauritius, das lasse ich mir von hier schicken. Also ist es auch auf eine Art authentisch.
Haatuft: Es ist etwas unterrepräsentiert, wie vielfältig die indischen Einflüsse sind, diese Geschmäcker – ein anderes Level im Vergleich zur norwegischen Küche.
Gibrand: Für uns ist es exotisch. Wir versuchen, die verschiedenen Einflüsse von Gewürzen und Mischungen wie süßsauer zu probieren. Die haben wir nicht wirklich in den nördlichen Ländern.
Herr Gibrand, Sie kreierten 2019 Vorspeise und Hauptgang fürs Dinner der Nobelpreisgala. Wie lief das ab?
Gibrand: Die Entwicklung begann schon zwölf Monate vorher. Einige Zutaten waren vorgegeben. Für den Hauptgang Huhn, Rind und Fisch. Für die Vorspeise unter anderem Schellfisch. Ich habe zuerst Rezepte kreiert, dann je drei Gerichte gekocht, für zwei entschied sich dann das Komitee, und letztlich dann für eines.
Die Vorspeise war mit Gurke und Dill – sehr schwedisch und einfach, der Hauptgang Ente. Vor Ort ist eine Menge Logistik nötig. Da müssen dreihundertfünfzig Teller innerhalb von zwölf Minuten serviert werden.
Wie behält man diese Leidenschaft und die Neugier, wenn man bekannt wird?
Gibrand: Der Fokus ändert sich, man entwickelt sich immer weiter. Die besten Köche, die über viele Jahre auf einem Toplevel gearbeitet haben, sie änderten ihren Stile viele Male.
Haatuft: Als junger Koch willst du vor allem beeindrucken.
Gibrand: Dann entwickelst du deinen eigenen Stil, den machst du einige Jahre, dann probierst du wieder was Neues. Dann willst du wieder etwas erforschen. Du brauchst auch Signature-Dishes. Aber wenn du dich nicht weiterentwickelst, ist es vorbei.
Kommentare