Eine Kartoffel für alle Fälle: Warum mehlige Sorten out sind
Die Erdäpfel-Ernte ist in Österreich angelaufen. Sorten, die Allrounder in der Küche sind und die Figur schonen, liegen im Trend.
Bramburi, Grumbere, Erdbirnen, Ertüffel, Töften, Schocken, Mäusle, Tuffeln, Kartuffel, Grundbirne, Härdöpfel – für Erdäpfel gibt es im deutschsprachigen Raum je nach Region unzählige Ausdrücke. Solanum tuberosum gehört zur Familie der Nachtschattengewächse und kommt ursprünglich aus dem Südwesten Südamerikas. Die heute kultivierten Kartoffeln stammen von verschiedenen Landsorten ab, die in den Anden vorkommen.
Auf der Insel Chiloé im Süden Chiles fand man die ältesten bekannten Spuren wilder Kartoffeln, diese dürften 13.000 Jahre alt sein.
Über die Kanarischen Inseln gelangten im 16. Jahrhundert die ersten Knollen-Lieferungen von Südamerika nach Europa. Weltweit zählt man 7.000 Sorten: In Österreich erhält der Verein Arche Noah mehr als 160 Erdäpfelsorten. Da diese nur vegetativ über die Knollen – also einem Teil der Mutterpflanze – erhalten werden können, müssen sie jedes Jahr angebaut werden. 15 bis 20 Knollen pro Sorte kommen so jährlich auf die Erhaltungsfelder in die Erde.
Österreich ist eine Erdäpfelnation
Die Österreicherinnen und Österreicher verspeisen rund 53 Kilogramm pro Jahr und Kopf - das ist nahezu ein Kilo pro Woche und übersteigt damit die Menge von Reis und Nudeln zusammen. "Der Selbstversorgungsgrad ist mit 86 Prozent sehr hoch. Das heißt, wir können uns nahezu das ganze Jahr mit heimischen Erdäpfeln versorgen", sagt AMA-Marketing Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek.
Aktuell bauen 13.549 Landwirte auf einer Fläche von 18.687 Hektar - umgerechnet sind das 26.000 Fußballfelder - Erdbirnen an. Im vergangenen Jahr wurden 686.223 Tonnen Kartoffeln geerntet. Niederösterreich ist mit Abstand das wichtigste Anbaugebiet, dort steht auch Österreichs Pommeswerk, das u.a. von 160 heimischen Pommes-Bauern beliefert wird.
Seltene Sorten sorgen für Farbe
Kartoffeln, die im Herbst geerntet werden, brauchen zwischen 120 und 160 Tagen, um sich zu entwickeln. Der niederösterreichische Raritäten-Landwirt Christof Schramm baut auf seinem Kartoffelhof Schramm in Großengersdorf am Nordrand des Marchfeldes 40 seltene Sorten an. Sein Favorit: "Die Roten Hörner sind wie rote Kipfler und kommen ursprünglich aus Chile. Sie haben einen besonders angenehmen Geschmack."
Je farbenfroher die Kartoffel ist, desto mehr Anthocyane sind in der Kartoffel enthalten: Diese wasserlöslichen Farbstoffe wirken rund zehnmal so stark wie Vitamin C.
© Bild: Jansenberger Fotografie/Kartoffelhof Schramm
Die festkochenden Roten Hörner kommen aus Chile: besonders lange Knollen, angenehmer Geschmack
© Bild: Jansenberger Fotografie/Kartoffelhof Schramm
Kachon Huaccachi ist eine festkochende Urkartoffel aus Peru: würzige Noten und ist schwer zu schälen
© Bild: Jansenberger Fotografie/Kartoffelhof Schramm
Die Blaue Elise ist vorwiegend festkochend: Sie hat ovale Knollen, lila Fleisch und schmeckt intensiv
© Bild: Jansenberger Fotografie/Kartoffelhof Schramm
Die Urkartoffel Colorada de Baga stammt von den Kanaren und schmeckt feinwürzig sowie buttrig
© Bild: Jansenberger Fotografie/Kartoffelhof Schramm
Der Ertrag von der Vitelotte (Trüffelkartoffel) ist schlecht, daher ist sie sehr begehrt: nussige Aromen
© Bild: Jansenberger Fotografie
Sieglinde ist die typische Salatkartoffel: festes, gelbes Fleisch mit feiner Konsistenz und tollem Geschmack
Die Kartoffelpflanze bevorzugt gemäßigte bis kühle Klimazonen und gedeiht am besten in gut durchlässigen Böden. Generell läuft die Ernte im Herbst nicht so erfreulich wie bei den Heurigen Anfang des Sommers: "Bei Temperaturen jenseits von 30 Grad stellt die Pflanze ihren Wachstum ein – wir hatten zu viele Hitzetage." Wer die Hitze außerordentlich gut verträgt, ist die Süßkartoffel, die mit der Kartoffel weit verwandt ist.
Mehlige Sorten für Christkindlmärkte
Auch wenn seltene Sorten für den Konsumenten geschmacklich und optisch interessant sind, gehören sie laut dem Landwirten zum Nischenprogramm, da diese Sorten meist krankheitsanfälliger und weniger ertragreich sind.
Aufgrund ihres Stärkegehalts werden Kartoffeln in festkochend, vorwiegend festkochend und mehlig kochend gegliedert. Je mehr Stärke Erdäpfel enthalten, desto trockener ihr Fruchtfleisch und desto lockerer werden sie beim Garen. Mehlige Kartoffeln verwendet man daher für Knödel, Nockerln oder Püree, weil sie leicht zerfallen. Festkochende Sorten eignen sich besonders für Braterdäpfel oder Gratins, da sie aufgrund des niedrigen Stärkegehalts ganz bleiben.
Generell lässt sich sagen, dass festkochende Sorten in Ländern wie Österreich beliebt sind, weil es hier Gerichte wie den Erdäpfelsalat gibt. Zudem bevorzugen Österreicher, Franzosen, Polen und Niederländer gelbes Fruchtfleisch.
Große mehlige Sorten verkauft Schramm vor allem an Betreiber von Christkindlmarktständen, da sie die perfekten Ofenkartoffeln sind.
Universalerdapfel wird beliebter
Die Kategorie "vorwiegend festkochend" hat sich zum Universalerdapfel entwickelt – mehlige Sorten sind laut Lebensmittelhändler Spar beim Konsumenten nicht mehr so gefragt. Rewe stimmt zu und setzt bei festkochenden Sorten auf Sortiments-Weiterentwicklung.
Diskonter Hofer sieht das genauso und ergänzt: "Ein Grund für verändertes Kaufverhalten kann sicher sein, dass die heutigen festkochenden Erdäpfelsorten vielseitig einsetzbar sind und etwa auch Knödel und Püree zubereitet werden können."
Das veränderte Kaufverhalten hat jedenfalls keine Auswirkung auf den Absatz von Packerlpüree. Zwar gab es laut Hofer während der Pandemie eine verstärkte Nachfrage nach Fertigpüree, diese ging danach aber zurück und ist mittlerweile konstant.
Allerdings hat die Diskussion um gute und böse Kohlehydrate einen neuen Trend hervorgebracht: Laut Rewe wächst das Interesse an Sorten mit weniger Stärkeanteil, sogenannte Lower Carb-Erdäpfel, die für Ernährungsbewusste gedacht sind.
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